Heute habe ich mit einem Cousin in Ohio und einer Tante in New York telephoniert.
Politisch sind sie genauso vom „Ukraine-Konflikt“
gefangen wie wir Europäer. Das ist nicht unbedingt selbstverständlich, da Amis
oft eine völlig andere Wahrnehmung haben und Prioritäten nicht so wie Deutsche
setzen.
Ehrlich gesagt war ich ein bißchen erstaunt, daß man in
den USA so mit den Ukrainern mitfiebert. Üblicherweise kennen Amis außer Polen
gar keine osteuropäischen Länder.
Schließlich wurde mir aber klar, daß sie im Antagonismus
zu Russland denken.
Oh, may
the Ukraine be taken over by the Russians?
Selbst nette und einigermaßen informierte Amerikaner
hassen Putin wie die Pest.
Der Mann triggert alle Abwehrreflexe, so daß sie sich
automatisch an die Seite der Ukrainer stellen.
Daß die Ukraine 300 Jahre zu Russland gehörte, daß es
zunächst einmal die Russen IN der Ukraine waren, die sich fürchten mußten, weil
mit Hilfe der EU faschistische Oligarchen statt des gewählten Präsidenten
Janukowitsch installiert wurde, wissen Amis natürlich nicht.
(Viktor Fëdorovič Ânukovič, in Deutschland oft Viktor
Janukowitsch)
Je weniger die Menschen über die Hintergründe des Krim-Problems
wissen, desto entschiedener schlagen sie sich auf eine Seite.
Die Angst vor den bösen Russen sitzt bei vielen immer
noch tief.
Aber warum hassen sie eigentlich insbesondere Putin so
sehr?
Medwedew und Jelzin galten doch noch als lustige Knaben, die man gerne in der Weltwirtschaft dabei haben wollte.
Medwedew und Jelzin galten doch noch als lustige Knaben, die man gerne in der Weltwirtschaft dabei haben wollte.
Ich vermute, es hat etwas damit zu tun, daß Putin zweifellos politisch erfolgreich ist
und mächtiger als die anderen Führer seit dem Ende der Sowjetunion ist.
Die politische Klasse Washingtons ist sich über
Parteigrenzen hinweg ausnahmsweise mal ziemlich einzig, daß Putin der Böse im
Spiel ist.
Putin solle sich gefälligst raushalten und die Ukraine in
Ruhe lassen.
Natürlich ist es völlig richtig wenn Amis sich in Kiew
einmischen.
Der groteske John McCain trat sogar persönlich auf dem
inzwischen berühmten Maidan auf und heizte die zum Teil aus faschistischen
Hetzern bestehende Menge auf: „Amerika steht an Eurer Seite!“
Entgegen anderslautender Behauptungen dominieren ultrarechte Gruppen
den Kiewer Maidan. Ihr Anhang wächst
In der Kiewer Chreschtschatik-Straße, kurz bevor man zum zentralen
Maidan kommt, bewachen Vermummte mit Schildern und Knüppeln den Eingang zu
einem Gebäude. An der Tür klebt das Symbol des »Rechten Sektors«, der Trisub
(dt. etwa Dreizack) auf schwarz-rotem Untergrund. Davor warten, eigentlich zu
fast jeder Tageszeit, einige Dutzend Menschen, vor allem junge Männer, auf
Einlaß. Sie wollen beitreten, mitkämpfen. […]
In Gruppen von zehn, vielleicht fünfzehn Mann patrouillieren die
Vermummten durch die Innenstadt. Wer mit dem Auto ankommt, muß an ihren
Straßensperren halten und sein Fahrzeug durchsuchen lassen. Will man in die
öffentlichen Einrichtungen, das Parlament oder den Präsidentensitz, sind sie
es, bei denen man sich auszuweisen hat. Jene Linken, die zu Beginn der Proteste
versucht hatten, auf dem Maidan ihre politischen Inhalte einzubringen, haben
sie mit Gewalt vertrieben. Kiew ist zu einer No-Go-Area für Kommunisten,
Antifaschisten und Anhänger der »Partei der Regionen« des abgesetzten
Präsidenten Wiktor Janukowitsch geworden.
In den meisten westlichen Medien wurde das lange Zeit konsequent
verschwiegen oder verharmlost. […] Skurril
muteten die Statements von Prominenten wie Marina Weisband, der ehemaligen
politischen Geschäftsführerin der Piratenpartei, an: »Die Neonazis, von denen
man so viel hört, sind ein verschwindend kleiner Teil. Ich habe sie auf dem
Maidan so gut wie nicht gesehen«, behauptete sie im Interview mit dem Spiegel
noch Ende Februar. Wo immer die Experten der Böll-Stiftung und Marina Weisband
waren, der Kiewer Maidan kann es nicht gewesen sein. Denn dort ist es
schlichtweg unmöglich, die Faschisten »so gut wie nicht zu sehen«. Wolfsangel,
abgewandeltes Keltenkreuz und die Kürzel der verschiedenen militanten Organisationen
zieren jede Wand in der Kiewer Innenstadt. Direkt neben der Bühne steht ein
meterhohes Porträt des Faschistenführers Stepan Bandera, dessen Organisation
Ukrainischer Nationalisten (OUN) während des Zweiten Weltkriegs für die
Ermordung Zehntausender Juden und Polen verantwortlich zeichnet. »Die Juden
werden wir abschlachten, die Polen erdrosseln, aber die Ukraine müssen wir
erkämpfen«, hieß es in einem der Lieder der OUN-Milizen, deren schwarz-rote Fahne
heute auf dem Maidan weht. Er werde
»gegen Kommunisten, Juden und Russen kämpfen, solange Blut in meinen Adern
fließt«, erklärte 2007 der nationalistische Terrorist Alexander Musitschko, der
in den vergangenen Wochen als Kommandant des Rechten Sektors in der Ukraine
Bekanntheit erlangte, weil er besonders skrupellos gegen politische Gegner
vorgeht.
[…] International noch akzeptierter als die Straßenkämpfer des Rechten
Sektors und der anderen neofaschistischen Kleingruppen ist die Partei Swoboda
(»Freiheit«) des Antisemiten Oleg Tjagnibok. Sie verfügte im Westen des Landes
bereits vor dem Euromaidan über eine größere Schar an Anhängern und gilt
westlichen Politikern heute als normaler Teil der ukrainischen Opposition.
Der
prominente Republikaner und ehemalige US-Präsidentschaftskandidat John McCain
trat mit ihrem Führer gemeinsam auf, BRD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier
schüttelte ihm die Hand, für Witali Klitschko zählte er ohnehin zu den
wichtigsten Bündnispartnern im Kampf gegen Wiktor Janukowitsch.
Gleichwohl ist Swoboda nicht einfach eine »rechtspopulistische« Partei,
wie die Sprachregelung in deutschen Medien lautet. Es ist eine neofaschistische
Organisation, die einen bewaffneten Verband unterhält, die – wenn es etwa um
antisemitische Ausfälle geht – den Prawi Sektor eher noch rechts überholt. Zur
NPD pflegt die Truppe enge Kontakte, der letzte Besuch bei den »Kameraden« im sächsischen
Landtag im Mai 2013 verlief in größter Harmonie. […]
Gemäß der alten Weisheit, im Krieg sei die Wahrheit das
erste Opfer, befindet sich offenbar die USA lange im Krieg.
Es sind nicht nur die durchgeknallten Republikaner, wie
John McCain (der seinen Beinamen „the insane“ mit der Entscheidung verdiente
Sarah Palin als US-Vizepräsidentin zu nominieren), die lügen was das Zeug hält.
Auch der eigentlich recht vernünftige Demokrat John Kerry
schießt mehrere faustdicke Lügen ab, wie es beispielsweise Jens Berger auf den Nachdenkseiten am
06.03.2014 eindrucksvoll aufzeigte.
Um Putin zu diffamieren, wird offensichtlich also vom
Westen mit gewalttätigen Faschisten paktiert und das Blaue vom Himmel gelogen.
Es liegt mir fern Putin an dieser Stelle eine
Liebeserklärung zu machen, aber man sollte erstens akzeptieren, daß er nun
einmal russischer Präsident ist und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch
wiedergewählt würde, wenn jetzt demokratische Wahlen stattfänden. Es gibt weit
Schlimmere.
Zweitens sollte man aufhören Geopolitik durch die
ideologische Brille zu betrachten und sich im Namen von angeblich hehren Zielen
Dinge anzumaßen, die andere aber nicht dürfen.
Der alte Egon Bahr trifft immer noch den Nagel auf den
Kopf.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen