Mittwoch, 22. Oktober 2014

Die armen Reichen!

Einer der sympathischsten TV-Menschen, die ich kenne ist Dennis Gastmann!
Er hat so eine angenehme Vorlesestimme, so ein freundliches Gesicht, tritt mit so einer Dezenz auf und hat dazu auch noch immer die richtigen Ansichten.

Nachdem er sich als „Weltreporter“ so ziemlich in jeder problematischen Ecke des Planeten rumgetrieben hat, betrat er Neuland (haha Merkel gestern beim Neuland-Gipfel in Hamburg – habt Ihr sie gesehen?) und untersuchte die verschlossene Welt der Reichen. Dazu legte er ein Buch vor.

Welche Rolle spielt Geld, wenn Geld keine Rolle spielt? Was macht Reichtum mit dem Kopf und mit dem Herzen? Dennis Gastmann begibt sich auf eine Expedition in die Hautevolee. Er tanzt mit Chiara Ohoven, diniert mit der Jetset-Gräfin Gunilla von Bismarck und wagt sich mit Rolf Sachs, dem ältesten Sohn von Gunter Sachs, auf die legendäre Bobbahn von St. Moritz. Wie sind sie wirklich, die Millionäre und Milliardäre, die sich fast die Hälfte des weltweiten Vermögens teilen? Gastmann reist von Marbella nach Monaco, von Cannes nach Sylt, von London bis nach Katar, ins reichste Land der Erde. Ein ukrainischer Oligarch empfängt ihn in seinem goldenen Palast, und der Schraubenkönig Reinhold Würth verrät ihm seinen letzten Wunsch. Aus all diesen Abenteuern entsteht das Porträt einer Parallelwelt. Eine Psychologie des Geldes. Oder anders gesagt: ein Reichtumsbericht. Charmant, überraschend und garantiert ungeschönt.
(Dennis Gastmann)


Wenn wir jetzt nicht von einfachen Millionären reden, die vielleicht ein schönes Haus und einen Mercedes besitzen, sondern von richtig Reichen, dann läßt sich feststellen, daß sie wohl nicht glücklicher sind.
Geld bringt Probleme mit sich. Insbesondere wenn es ein altes vererbtes Vermögen ist, kann es eine lebensfüllende Aufgabe sein, die Millionen und Milliarden zusammenzuhalten für die nächsten Generationen.
Es gibt Fliehkräfte. So ein Familienclan kann durchaus mal hunderte Mitglieder beinhalten und wenn die alle unbeschwert leben wollen, ist das schon ein extremer Anspruch.

Familie Brenninkmeijer (C&A) besitzt laut des aktuellen Managermagazins rund 21,5 Milliarden Euro. Bei 500 Familienmitgliedern sind das aber bloß lumpige 43 Millionen Euro pro Person.
Bei den Henkels (Persil) muß man glücklicherweise nicht ganz so extrem darben. Sie haben zwar nur 20 Milliarden Euro, brauchen aber nur durch 120 Familienmitglieder zu teilen (=167 Millionen Euro pro Person).
Die 60 Porsches kommen auf dieselbe Summe pro Person, weil die Familie insgesamt bloß 10 Milliarden besitzt.
Geradezu katastrophal verarmt sind sie Siemens-Familienmitglieder, die 270 an der Zahl ihre fünf Milliarden so aufteilen, daß jedem einzelnen nur 18,5 Millionen bleiben.

Günther Quandt hat es besser gemacht und seinen diversen Nachkommen jeweils eigene Firmen hinterlassen. Sohn Herbert Quandt zeugte fünf Kinder mit drei Ehefrauen, hinterließ aber nur seiner dritten Frau Johanna und deren Kindern Altana und BMW.
So teilen sich heute lediglich Johanna, Tochter Susanne und Sohn Stefan 31 Milliarden Euro.
Eine Freude ist es für das bloße Besitzen und Nichtstun 0,8 Mrd Euro im Jahr dazu zu bekommen und dann dank unserer Gesetzgebung auch nur den reduzierten Steuersatz von 25% statt 45% zahlen zu müssen. Verständlich. Die vollen 45% sind ihnen nicht zuzumuten.
Man muß schon ein bißchen Rücksicht auf die Superreichen nehmen. Als im Juli dieses Jahres Karl Albrecht starb und seine 18,5 Milliarden Euro vererbt wurden, mußten seine Kinder nicht etwa den üblichen Betrag von 5,55 Milliarden Euro an Schäuble überweisen (Erbschaftssteuersatz Klasse 1 für Beträge über 26 Mio Vermögen = 30%), sondern insgesamt 0€. Ein ausgeklügeltes Doppelstiftungsmodell macht es möglich.
Verständlich, daß die Quandts sich im Oktober 2013 nach dem Bundestags-Aus für die FDP mal eben 210.000 Euro an ihre hepatitisgelbe Lieblingspartei nachschossen.
Sie besitzen jetzt so viel wie das gesamte Bruttosozialprodukt eines Staates wie Litauen.
Lettland (BSP 22,4 Mrd. Euro) oder Estland (BSP 16,83 Mrd. Euro) haben sie weit hinter sich gelassen.




(Managermagazin Spezial Oktober 2014)

Auch Volker Kauder sieht das wohl so und ließ die SPD im Koalitionsausschuss wissen, die im Koalitionsvertrag festgelegte Frauenquote müsse angesichts der ökonomischen Lage in Europa erst mal warten. Es sei dringend erforderlich erst einmal etwas „für die Wirtschaft“ zu tun.

Nein, ich habe übrigens nichts gegen Reiche.
Unternehmer, die als persönlich haftende Gesellschafter das Risiko und die Verantwortung für ihre Arbeitnehmer tragen, sollen natürlich nicht von Erbschaftsteuern so getroffen werden, daß ihre Firma kaputt geht. Ich finde die Regelungen richtig, daß sich der Steuersatz reduziert, wenn man die Firma für einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren weiterführt.
Das bedeutet aber noch lange nicht, daß Sharholder, Spekulanten und Beteiligungshopper bei Dividendenausschüttungen so massiv wie jetzt gegenüber Arbeitseinkommen privilegiert sein dürfen.

Das Managermagazin Spezial Oktober 2014 beklagt voller Mitgefühl das „Feindbild Reiche.“

Reiche grundsätzlich zu verdammen halte ich auch für falsch. Viele können tatsächlich nichts dafür reich geboren zu sein und werden zu Unrecht alle in eine Schublade gesteckt.
mm-Autor Philipp Alvares Souza Soares macht aber eine regelrecht resignative Stimmung aus. Reiche dächten vor Gram über die GroKo ans Auswandern. Je höher man steige, des größer würden auch die Vorbehalte gegenüber des Staates.
SED ante portas.

Ich denke nicht, daß sich die Reichen wirklich große Sorgen darum machen müssen demnächst von Honeckers Erben enteignet zu werden.

Ein größeres Problem sind da schon die paar Mitglieder der eigenen Kaste, die sich die größte Mühe geben alle Vorurteile „gegen die Reichen“ zu verfestigen, indem sie beispielsweise gegen Flüchtlinge in ihrer Nachbarschaft agitieren.

Das ist schon widerlich, wenn Reiche ihre Macht im Kommunalen ausnutzen, indem sie Gucci-Protest-artig wie die FDP-Frau Flavia Fauth gegen Linke, Arme und andere Unterprivilegierte agitieren.

Soziale Probleme sollen aus ihrer Nachbarschaft gedrängt werden. Wer sich die entsprechende Anwälte und PR-Organisatoren leisten kann, hat alle Möglichkeiten.

Alster-Anwohner klagen: Zu viel Lärm durch Flüchtlinge
Vor allem Kinder werden als "Störungspotenzial" gesehen. Nachbarn der Sophienterrasse wollen daher die Unterbringung von Asylbewerbern verhindern.
[….] Der Umbau des Kreiswehrersatzamts an der Sophienterrasse (Harvestehude) zu einem Flüchtlingsheim soll in Kürze beginnen – doch jetzt versuchen drei Nachbarn per Eilantrag beim Hamburger Verwaltungsgericht die Unterbringung von bis zu 220 Flüchtlingen in dem Gebäude nahe der Außenalster zu verhindern.
"Die geplante Gemeinschaftsunterkunft ist auch mit einem erheblichen Störungspotenzial verbunden, das einem geschützten Wohngebiet fremd und unverträglich ist", heißt es in dem 25-seitigen Eilantrag, der dem Abendblatt vorliegt und den die renommierte Kanzlei Klemm & Partner für die drei Nachbarn verfasst hat.  Die Kläger befürchten, dass es durch die Flüchtlinge zu "einer erheblichen Unruhe" kommt. Grund: "Da die Bewohner zum größten Teil ohne Beschäftigung sind, muss damit gerechnet werden, dass ihnen die Decke auf den Kopf fällt. Für beträchtliche Zeiträume werden sie sich außerhalb des Gebäudes und in der näheren Umgebung aufhalten", steht in dem Eilantrag. Weiter heißt es: "Insbesondere Kinder mit ihrem Bewegungsdrang werden zu einer erheblichen Unruhe führen." Befürchtet wird auch, dass es einen "erheblichen Kfz-Verkehr" geben werde. In dem 25-seitigen Schriftstück geht es aber vor allem um baurechtliche Belange. Eine "Einrichtung für soziale Zwecke" in dieser Größe ist für ein besonders geschütztes Wohngebiet nach Auffassung von Gero Tuttlewski (Klemm & Partner) "nicht gebietsverträglich". [….]

Man muß wohl eine bestimmte Art Mensch sein, um auf traumatisierte Kriegsflüchtlinge, die dringend Hilfe bedürfen mit einem Anwaltsschreiben zu reagieren, welches ihren bescheinigt "nicht gebietsverträglich" zu sein.

Nimby-Denken der gehobenen Form. Sollen doch die ärmeren Stadtteile Hamburgs ran.
Lustig, während im rechten Funke-Abendblatt von heute auf Seite 3 der rechte Propagandist Daniel Friedrich Sturm wieder eine Kostprobe seines tendenziösen Hassjournalismus gibt, indem er gegen die Thüringische SPD hetzt, geht dem Leitartikler Steinlein genau daneben auf der Meinungsseite das Treiben der reichen Harvesterhuder doch zu weit.

Sozial, so beschreibt es das Internetlexikon Wikipedia, ist, wer sich für andere Menschen interessiert, sich einfühlen kann, hilft, ohne nur an sich selbst zu denken. Unsozial dürfte dementsprechend sein und handeln, wem dies alles unwichtig ist. Einfühlungsvermögen, Interesse an fremden Menschen, Hilfsbereitschaft – all das scheint manchen Hamburgern auch in wohlsituierten Stadtteilen abhandenzukommen. Ob es viele sind oder ob sich wenige nur laut genug artikulieren können, ist hier nicht zu klären. Aber der Eindruck ist, als steige die Zahl der Klagen und Proteste gegen Sozialprojekte. Und mit ihr scheint der Bürgersinn in einer immer noch liberalen und sozialen Stadt zu sinken.
Anders sind die zahlreichen Klageschriften vor dem Verwaltungsgericht und der lautstark vorgetragene Protest kaum zu erklären. Erboste Harburger wehren sich gegen ein Sterbehospiz: In Würde die letzten Wochen des Lebens zu verbringen – bitte nicht in unserer Nachbarschaft, hieß es. Schließlich schmälere ein Hospiz den Wert der Grundstücke, lautete die Begründung des Widerstandes.
Jugendlichen aus komplizierten Verhältnissen eine Auszeit aus ihren Familien zu gönnen und sie in einem christlichen Wohnprojekt in Sasel unterzubringen – auch das war bei einigen Nachbarn unerwünscht. Gern gestritten wird – vor Gerichten, in Behörden – auch über Kinder. Mal wird versucht, eine Kita-Erweiterung zu verhindern, mal die Nutzung des Gartens oder des benachbarten Sportplatzes zu verbieten. Neuerdings geht es auch gern um die Unterbringung von Flüchtlingen. Gleich drei Anträge liegen derzeit bei Gericht vor, um Unterkünfte für Vertriebene beispielsweise aus Syrien zu verhindern. […]

Nun muß ich fast noch einmal „die Reichen“ verteidigen.
Ich kenne Menschen in Sasel und in Harvesterhude, die das Vorgehen ihrer Nachbarn genauso schlimm wie ich finden und sich sogar ausdrücklich FÜR die Flüchtlinge engagieren.

Fragt sich wer sich durchsetzt.

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