Donnerstag, 19. November 2015

Olympi-Nein.

Der frühere CDU-Bürgermeister Hamburgs liebe Großprojekte, die dazu dienen sollten ihm Denkmäler über seine Amtszeit hinaus zu errichten.
Da Ole von Beust ein recht fauler Bürgermeister war, der regelmäßig zu vierträgigen Wochenenden auf Sylt weilte und sein Amtszimmer spätestens um 17.00 Uhr verließ, gingen seine Projekte meistens schief.
Glücklicherweise konnte einiges ganz verhindert werden – so wie der bizarre Glaskubus, den er auf dem Domplatz errichten lassen wollte.
Anderes stieß er an und kümmert sich dann nie wieder, was zur bekannten Kostenexplosion bei der Elbphilharmonie führte und der Innenstadt die schwere Verschandelung durch die Europapassage und den Jungerfernstiegumbau bescherte.
Finanziell war von Beusts CDU-Mannschaft ein Desaster für Hamburg.
Vermutlich 30 Milliarden Euro wurden bei der durch den CDU-Senat im Jahr 2003 erzwungenen Fusion der Landesbanken HH und SH zur HSH-Nordbank versenkt.
Ähnliche Desaster richteten die Christdemokraten bei den Privatisierungen von Stadt-eigenen Immobilien, der landeseigenen Krankenhäuser oder der Hamburger Elektrizitätswerke an.
Ole von Beust war ein Polit-Darsteller, der aber vom Regieren und Verwalten rein gar nichts verstand.
Natürlich wollte er auch die Olympischen Spiele nach Hamburg holen. 2012 sollte es soweit sein. Die Bewerbung Hamburgs war selbstverständlich so ungeheuer stümperig, daß Hamburg schon beim nationalem Vorentscheid im April 2003 krachend dem kleinen Leipzig unterlag.
Da war ich wenigstens einmal froh Beust als Bürgermeister zu haben.
Für gescheiterte Projekte ist er der Richtige und lieferte ein ähnliches Desaster wie die legendäre Olympia-Pleite Berlins für die Spiele von 2000 ab.

Inzwischen haben wir mit Olaf Scholz einen Bürgermeister, der das diametrale Gegenteil von Beusts ist: Nicht schillernd und selbstverliebt, dafür ein fähiger Verwalter und professioneller Chef.
Die Bewerbung Hamburgs für die Olympischen Spiele 2024 gelingt ihm mit nahezu traumwandlerischer Sicherheit.
Die Planungen sind fehlerfrei, alle werden einbezogen, es gab keine peinlichen Pannen.
Natürlich würde ich Olaf Scholz einen Erfolg gönnen.
Das Problem ist nur, daß ich trotzdem strikt gegen Olympische Spiele in Hamburg bin.

Generell haben wir in Hamburg einen massiven Baustellen- und Großveranstaltungsoverkill. Das letzte, das wir brauchen, ist noch mehr davon.
Die 14 Tage der Spiele an sich interessieren mich dabei nur wenig; in der Zeit kann man sich in der eigenen Wohnung verschanzen und die Decke über den Kopf ziehen. Das Problem sind die acht Jahre vorher: Mediale Dauerpropaganda und Baustellen.

Hamburg ist zudem eine Stadt, die anders als London oder Paris eine Nummer zu klein ist für so eine internationale Mega-Veranstaltung.
Olympische Spiele können natürlich dazu dienen eine Stadt international zu bewerben und bekannt zu machen. Aber genau das hat Hamburg nicht nötig.
In Relation zur Größe Hamburgs – mit 1,7 Millionen Menschen sind wir gerade mal die Nummer 134 in Liste der größten Städte der Welt, liegen hinter Wien, Bukarest, Mossul, Basra, Sapporo etc – sind wir durch die lange Handelsgeschichte und den Hafen ohnehin extrem international aufgestellt. Hamburg hat die zweitmeisten Konsulate der Welt und 40% der Hamburger haben einen sogenannten „Migrationshintergrund“.

Hamburg hat allerdings durchaus dringendere Probleme. Zum Beispiel gibt es hier viel zu wenig Wohnraum; ein Problem welches der Zuzug von bisher 50.000 Flüchtlingen allein im Jahr 2015 noch einmal erheblich verschärft.

Olympische Spiele sind zudem im Jahr 14 nach 9/11, nach dem gewaltigen Aufstieg des Islamischen Staates ein unerhörtes Sicherheitsrisiko.
In Sochi garantierten über 40.000 Soldaten die totale Abschottung vor Attentätern - nicht eingerechnet die Myriaden Polizisten und Geheimdienstler. Will man sowas in der Stadt haben?

Mein Interesse an Sport ist generell sehr rudimentär, aber am wenigsten Lust verspüre ich auf total durchkommerzialisierte Dopingveranstaltungen, bei denen Abertausende Funktionäre des jetzt schon Milliarden-schweren IOCs die Taschen noch mehr gefüllt bekommen.

Eine Olympiade ist der Zeitraum zwischen zwei Olympischen Spielen; vier Jahren, in denen IOC, Baukonzerne, Ausrüster, Spekulanten, Versicherer, Projektentwickler, Werbeagenturen, Fernsehsender, Pharmaindustrie und viele andere mehr sich Milliarden Steuergelder abgreifen.

Schließlich bleibt das Thema, welches uns norddeutsche „Pfeffersäcke“ natürlich am meisten umtreibt; elfeinhalb Milliarden Euro, die uns der Spaß von gerade mal 14 Tagen kosten soll.

Darüber stimmen die Hamburger derzeit ab – am 29.11.2015 findet das „Olympia-Referendum“ statt. (Schon der Name is falsch – es geht nicht um die Olympiade, sondern um die Spiele).
Ausgang ungewiss.


Zunächst signalisierten Umfragen eine Zustimmung von knapp 60%. Es folgte eine massive Werbekampagne. Die Hamburger Presse ist quasi gleichgeschaltet – von BILD über MoPo bis Abendblatt machen alle Propaganda für die Spiele.
Wenn ich nur einen Kontoauszug hole, kommt als erstes ein Blatt aus dem Automat, auf dem mir die begeisterte Unterstützung meiner Bank für die Spiele mitgeteilt wird.

Aber die Einseitigkeit der Befürworter, das schlichte Totschweigen der Kritiker scheint misstrauisch zu machen.


Offensichtlich fürchten Hamburgs Offizielle, die Hürden des „Ja“s nicht zu nehmen.

Am 29. November wird ein Referendum abgehalten, schon jetzt läuft die Briefwahl.
Sollte keine einfache Mehrheit zustande kommen, will sich die Hansestadt aus dem Rennen mit den Konkurrenten Los Angeles, Paris, Rom und Budapest zurückziehen. Das hat der Erste Bürgermeister der Stadt, Olaf Scholz (SPD), angekündigt. Zwei Hürden müssen dabei genommen werden:

·        Mehr als 50 Prozent der teilnehmenden Wähler müssen mit Ja stimmen.
·        Außerdem ist das Referendum erst dann erfolgreich, wenn mindestens 20 Prozent aller 1,3 Millionen wahlberechtigten Hamburger mit Ja gestimmt haben. Konkret bedeutet das: Sollten 260.000 Menschen mit Ja stimmen - und 250.000 mit Nein - ist das Referendum angenommen.

Die Fackelaktion an der Alster vor neun Monaten markierte den Beginn eines Duells. Seither sind Olympia-Unterstützer und -Gegner in Hamburg auf einer Mission, es geht um alles oder nichts. Die Bewerbergesellschaft fährt im Tandem mit Scholz seither eine emotionale Kampagne, unterstützt von großen Teilen der Hamburger Wirtschaft. Die Litfaßsäulen der Stadt sind gepflastert mit Bildern und Slogans der Feuer-und-Flamme-Kampagne, "Das gibt's nur einmal", ist die Kernbotschaft.

Und dann kam noch Paris hinzu.

Ein Fest des Friedens, bewaffnet bis an die Zähne?
Der rot-grüne Senat verspricht Spiele, „die den Geist von Frieden und Verständigung atmen“. Das klingt gut, aber stimmt das auch?
Das IOC fordert von Bewerberstädten die Bereitschaft, Militär im Inneren einzusetzen und die Bevölkerung verschärft zu überwachen. Die Städte müssen genau angeben, in welchem Umfang „Streitkräfte in Sicherheitsoperationen für die olympischen Spiele eingesetzt werden können“ (IOC: „2020 Candidature Acceptance Procedure“, S. 88). Im Extrem wurde dies bei den Spielen in London 2012 deutlich: Dort patrouillierten 49.000 teils schwerbewaffnete Uniformierte in der Stadt, darunter 17.000 SoldatInnen. Ein Hubschrauberträger auf der Themse diente als Kommandozentrale. Auf Wohnhäusern und in Parks wurden Flugabwehrraketen aufgebaut. Und um die Sportstätten wurde ein 17 Kilometer langer Elektrozaun gezogen.
Hierzulande müssten für vergleichbare Maßnahmen die Grundrechte gebrochen werden. Besonders das grundgesetzliche Verbot des Einsatzes der Bundeswehr im Inland soll aufgeweicht werden. Entgegen der olympischen Friedensidee – in der Antike mussten während der „heiligen Spiele“ alle Kriegshandlungen ruhen –, trägt das IOC sogar zur Militarisierung und zum Ausbau von Polizei und Überwachung bei.
Mit den geforderten „Sicherheitszonen“ würde Hamburg faktisch zu einem riesigen Gefahrengebiet erklärt werden. Nach dem durchgesickerten Sicherheitskonzept der Hamburger Polizei sind „lückenlose Videoüberwachung“, „zahlreiche Zäune und Absperrungen“ und die Modernisierung von „Spezialeinheiten“ geplant, wie die WELT berichtete. Der rot-grüne Senat kündigte bereits an, dass viele der genannten Maßnahmen dauerhaft bleiben sollen.
Die „Sicherheits“-Pläne richten sich gegen das Versammlungs- und Demonstrationsrecht, gegen die freie Entfaltung der Persönlichkeit, gegen die Bewegungsfreiheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Diese Rechte sind wertvolle Schlussfolgerungen aus der Nazi-Diktatur und sind für eine lebendige Demokratie mündiger BürgerInnen elementar – sie dürfen nicht einem Event wie „Olympia“ geopfert werden!

Offensichtlich scheinen nun doch auch die kleinen kritischen Initiativen gehört zu werden.

Wir, die erste offene Plattform gegen Olympische Spiele in Hamburg, wenden uns gegen die Olympia-Pläne der Stadt und sagen Nein:

    Nein zu Kosten in zweistelliger Milliardenhöhe, die die öffentlichen Haushalte jahrelang belasten werden.
    Nein zu steigenden Mieten und Verdrängung, wie sie überall die Folge waren, wo olympische Spiele stattgefunden haben.
    Nein zur weiteren Versiegelung von Flächen im Zusammenhang mit der Umsiedlung von Hafenbetrieben und dem Neubau von Sportstätten.
    Nein zum Ausverkauf der Stadt an das intransparente Großunternehmen IOC und deren Vertragspartner.
    Nein zu einem Hochleistungssport, der die Sportler/innen nicht zuletzt durch Doping zerstört.
    Nein zu einem Megaevent, das für uns nur im Fernsehen stattfinden wird, während in der ganzen Stadt der Ausnahmezustand zur Regel wird.


Natürlich bin ich es als Ausländer wieder einmal nicht wert gefragt zu werden und habe kein Stimmrecht beim „Olympia-Referendum“. Das ist nur für Blutddeutsche.

Aber ich weise hiermit auf etwas hin, das noch deutscher als Blut ist – das Geld.
Die ganze Nummer wird teuer – und zwar noch viel teurer als wir alle denken.

[….] Macht zusammen 11,2 Milliarden Euro für gut zwei Wochen Sport auf höchstem Niveau.
[….] Allein, mit 6,2 Milliarden Euro, so gigantisch die Summe auch klingen mag, wird es für den Bund nicht getan sein. Zum einen steht die Frage der unlimitierten Bürgschaft im Raum, die das Internationale Olympische Komitee (IOK) von allen Bewerbern verlangt. Diese möchte das IOK vom Bund, denn der hat mehr Finanzkraft als die Hansestadt. [….] Zum anderen unterschätzt der Hamburger Finanzplan die Kosten. Bürgermeister Olaf Scholz bezeichnete ihn zwar ganz unbescheiden als "die am besten durchgerechnete Bewerbung ever". Aber wieso sollen die Aufwendungen für Sicherheit nur 410 Millionen Euro betragen, wenn London für die Spiele 2012 bereits mehr als das Dreifache ausgab? Weshalb sind die Kosten für Sportstätten und Infrastruktur gerade einmal halb so hoch wie in London, das als große Metropole viel weniger Ausbauten nötig hatte? Selbst wenn der Kostenrahmen eingehalten werden könnte, muss eines klar sein: Mit mehr als elf Milliarden Euro Gesamtkosten würden die Sommerspiele 2024 zum mit Abstand teuersten Großprojekt in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik werden; in der ersten Schätzung mehr als doppelt so teuer wie der Flughafen Berlin-Brandenburg International oder der Bahnhof Stuttgart 21.
Anders als bei Flughafen und Bahnhof sind bei den Olympischen Spielen Land und Bund nicht die Herren im Haus. Zwar dürfen sie den Großteil der Zeche zahlen, müssen jedoch die weitreichenden Forderungen im Gastgebervertrag des IOK erfüllen. Die Ziele des IOK stimmen hingegen kaum mit denen einer nachhaltigen Stadtentwicklung überein. [….] Die Olympischen Spiele schaffen noch ein zweites Problem: die unverrückbare Frist. Anders als beim Berliner Flughafen kann die Eröffnung nicht wenige Monate vorher auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Die Projekte müssen auf den Stichtag fertig werden. Im Endspurt der letzten Monate bleibt deshalb gerne die Qualitäts- und Kostenkontrolle auf der Strecke. Aus diesem Grund sind Olympische Spiele auch finanziell die mit Abstand riskantesten Großprojekte, wie kürzlich eine Studie der Universität Oxford zeigte. Die durchschnittlichen Kostenüberschreitungen sind um ein Vielfaches höher als bei anderen Großprojekten.
Ökonomen sind sich weitgehend einig, dass Olympische Spiele schlechten Gegenwert fürs Geld bieten. [….] Dasselbe Geld würde in anderen Projekten viel höhere Erträge abwerfen. Im Fachjargon spricht man hier von Opportunitätskosten. Damit gemeint ist der entgangene Nutzen, der dadurch entsteht, dass man bessere Investitionsmöglichkeiten links liegen lassen muss. [….] Unterm Strich bleiben für Olympia in Hamburg kaum gute Argumente übrig. Stadtentwicklung und Imageförderung betreibt man besser ohne eine solche Veranstaltung. [….]




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