Als West-Gewächs, das die DDR vor allem vom Durchfahren her kannte – und das war super: Nirgendwo konnte man so günstig legal Zigaretten und Alkohol kaufen, wie in den Transitshops – habe ich 26 Jahren nach Maueröffnung den Eindruck, daß es sich eben auch um ein heterogenes Willkür-Regime handelte.
Die
Freiheiten, die sich Person A in der Gemeinde B durchaus nehmen konnte, hatten
für Person C in der Gemeinde D schwerwiegende Konsequenzen.
Angela
Merkel engagierte sich in der FDJ, um studieren zu dürfen – so die offizielle
Lesart. So wurde sie Dr. rer. nat.
Regine
Hildebrandt hingegen war von Anfang an oppositionell und verweigerte der FDJ
beizutreten.
Dennoch
gelang es ihr sogar in der Hauptstadt des Regimes, an der Berliner Humboldt-Uni
Biologie zu studieren. Auch sie wurde Dr. rer. nat. und bekam einen guten Job beim
VEB Berlin-Chemie.
Über
Jahrzehnte engagierte sie sich in oppositionellen Gruppen, sang eifrig im von
der SED nicht akzeptierten Kirchenchor.
Ebenso
wie Regine Hildebrandt und anders als die angepasste Angela Merkel verweigerte
auch Sahra Wagenknecht die Mitgliedschaft in der FDJ.
In ihrem
Fall hatte das allerdings Konsequenzen. Ihr wurde verboten zu studieren. Sie
fand keine Arbeit.
Joachim
Gauck, der Altersgenosse Hildebrandts, hielt es wie Merkel. Auch er eckte nicht
mit dem SED-Regime an, durfte studieren und Karriere machen.
Über Gauck darf
rechtskräftig behauptet werden, er sei "Begünstigter der Stasi"
entsprechend der Verhandlung vom 22. September 2000 vor dem Landgericht Rostock
(AZ 3 O 245/00). Vgl. "Der Verfügungskläger (Gauck) hat gegen den
Verfügungsbeklagten (Diestel) auch keinen Anspruch auf Unterlassung der
Äußerung, er sei 'Begünstigter' i.S.d. Stasi-Unterlagengesetzes."
(Wikipedia)
Die
letzte „DDR-Biographie“, die ich in diesem Puzzle erwähnen möchte ist die von
Günter Schabowski, dem Mann der als derjenige bekannt wurde, der aus Versehen
die Mauer öffnete.
Schabowski
(1929-2015) war am Ende des 2. Weltkrieges 16 Jahre alt und trat ob seiner Erfahrung
mit der Nazi-Diktatur 1952 der SED bei.
Er
studierte Journalismus, leitete das „Neue Deutschland“ und stieg im
SED-Apparat bis ins Politbüro auf. 1990 wurde er aus der SED-PDS ausgeschlossen
und schließlich bei den Politbüroprozessen im Zusammenhang mit den Mauertoten
zu drei Jahren Haft verurteilt, die er 1999 antrat. Anders als seine ehemaligen
Kollegen erkannte er seine moralische Schuld an und legte keine Rechtsmittel
ein.
Er machte
sich ehrlich und schonte sich nicht. Er tat genau das, was Myriaden
Apparatschiks aus den anderen Blockparteien nicht taten.
Die fünf
Parteien des „Demokratischen Blocks“, die zuvor alle Pfründe untereinander
aufteilten, zerfielen in Rekordtempo.
SED Sozialistische Einheitspartei
Deutschlands
CDU Christlich-Demokratische Union
Deutschlands
LDPD Liberal-Demokratische Partei
Deutschlands
DBD Demokratische Bauernpartei Deutschlands
NDPD National-Demokratische Partei
Deutschlands
CDU und DBD
wurden von der West-CDU wegfusioniert; LDPD und NDPD riss sich die FDP unter
den Nagel.
Vier von fünf
tragenden Säulen ersparten sich also jede Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit.
Die Namen verschwanden, das Parteivermögen kassierten West-CDU und West-FDP.
Der schwarze
Peter verblieb allein bei der SED, die sich die nächsten 25 Jahre Vorwürfe
anhören mußte.
Eine der
größten Witze der Vereinigungsgeschichte ist die Kritik an der Umbenennung in
„SED-PDS“, bzw später „PDS“, sie würde sich darum drücken die Vergangenheit
anzuerkennen. Ihr ginge es nur darum, das Vermögen zu behalten.
Das Geschrei
kam ausgerechnet von den „Bürgerlichen“, die selbst das komplette
Parteivermögen von vier Blockparteien abgegriffen hatten und überhaupt gar
keine Vergangenheit vor 1989 anerkannten.
Die einzige
Partei, die sich nicht aus der DDR-Konkursmasse bediente, die keine Immobilien,
Bankkonten und Parteimitglieder an sich raffte, war die SPD. Und diese SPD
wurde von der CDU über 20 Jahre mit einer Rote-Socken-Kampagne überzogen.
Schabowski
ist das Paradebeispiel eines „reumütigen Sünders“, der sich seiner Verantwortung
stellte und dazu lernte. Er wurde extrem selbstkritisch.
[…] Schon fünf Tage [vor der Maueröffnung] war es Günter Schabowski, der als Mitglied
des Politbüros auf der Großdemonstration am 4. November auf dem Alexanderplatz
vor die Mikrofone trat und mit dröhnender Stimme die „Kultur des Dialogs“
beschwört. […] Mit dem Fall der Mauer
und dem Ende der DDR war auch Günter Schabowskis politische Laufbahn an ihr
Ende gekommen. Doch anders als alle anderen Mitglieder durchlebt Schabowski
eine Wandlung, eine Läuterung gar, die ihn von allen anderen Mitgliedern des
Politbüros unterscheidet. Schabowski setzt sich kritisch mit seiner
Verantwortung im DDR-Regime auseinander. […]
Schabowski war […] der Einzige aus der ehemaligen SED-Führungsriege, der sich zu seiner
moralischen Verantwortung bekannte: „Als einstiger Anhänger und Protagonist
dieser Weltanschauung empfinde ich Schuld und Schmach bei dem Gedanken an die
an der Mauer Getöteten. Ich bitte die Angehörigen der Opfer um Verzeihung.“
[…] Mit
der gewendeten Staatspartei PDS ging Schabowski hart ins Gericht. Er habe kein
Vertrauen, dass es in der PDS eine wirkliche Abkehr von den Dogmen der
Vergangenheit gebe und riet Klaus Wowereit von einer Koalition mit der PDS ab.
Vergebens.
[…] Im Rückblick schien das Ende der
SED-Herrschaft für Schabowski eine Selbstbefreiung gewesen zu sein. Nicht die
Ausführung, nein, die ganze Idee des Sozialismus hielt er später für falsch.
Schabowski hat sich immer wieder eingemischt, wenn es um das Erbe der
SED-Diktatur ging. Bemerkenswert ist seine Mitarbeit am „Braunbuch DDR“, dem er
in der zweiten Auflage 2009 ein umfangreiches Vorwort voranstellt. […]
Joachim
Gauck, der ehemalige „Begünstigte der Stasi“, seit 50 Jahren Pfarrer und damit
Fachmann für Barmherzigkeit, Vergebung und Nächstenliebe, fungiert heute als
Bundespräsident und demonstrierte nach dem Tode Schabowskis was seine
christlichen Überzeugungen wert sind:
Gar nichts.
Gar nichts.
Selbstverliebt
und rachelüstern trat Gauck dem Toten nach, briet dessen Witwe mit dem Kondolenzschreiben
eins über!
"Meine
Erinnerungen an Günter Schabowski sind, wie Sie wissen, zwiespältig. Lange
Jahrzehnte war er eine Führungsfigur im Kreis meiner Unterdrücker.
(Gauck an Irina Schabowski, 01.11.15)
König
Gauck hält nur sich selbst für relevant. Abgesehen davon, daß so eine Beleidigung
nicht in ein Kondolenzschreiben gehört, gibt es auch keine Sippenhaft in
Deutschland, die 26 Jahre nach dem Mauerfall noch Ehefrauen von SED-Mitgliedern
trifft.
Und
schon gar nicht sind Gaucks persönliche Empfindungen dazu maßstabgebend.
Und
schon mal überhaupt gar nicht ist dies der Anlass für Gauck sich selbst als
SED-Opfer zu stilisieren, das er nicht war.
[…] Bundespräsident Joachim Gauck hat eine ganz
neue Form der Ehrung eingeführt: Der verstorbene frühere SED-Funktionär Günter
Schabowski gehört jetzt ganz offiziell zum "Kreis seiner
Unterdrücker".
[…] Seine Majestät Joachim Gauck hat nun eine
neue Form der Ehrung eingeführt, eine, die allerdings nicht gerade zur Ehre
gereicht: die Aufnahme Verstorbener in den "Kreis seiner
Unterdrücker", eine Art Un-Ehrenlegion also. Dem früheren SED-Funktionär
Günter Schabowski wurde als erstem diese bislang unbekannte Form der
Herabwürdigung zuteil, postum.
Joachim Gauck hat
Schabowskis Witwe dies schriftlich wissen lassen. […]
Man muß
offensichtlich Pfaff sein, um eine derartige Herzlosigkeit und
Selbstverliebtheit an den Tag zu legen.
Ein
anderer prominenter Geistlicher demonstrierte ebenfalls posthume
Charakterlosigkeit.
Auch der
Passauer Bischof Stefan Oster schert sich einen Dreck um Barmherzigkeit,
Vergebung und Takt.
Es geht
um den Fall des Passauer Pfarrers Josef S., der durch den kirchlichen Zölibat,
den sein Bischof Oster von ihm forderte, so verzweifelt auf der Suche nach
physischer Erotik war, daß er im Internet Pornos guckte.
Eine
Sünde nach kirchlicher Auffassung, aber auch eine tragische seelische Bredouille,
die durch die Kirchenobrigkeit, die nach unnatürlicher Sexlosigkeit verlangt,
erst entsteht.
Man wird
schon mal fragen dürfen, welcher erwachsene Mann nie Sex mit anderen Menschen
hat, nie onaniert und auch nie Pornos ansieht.
Pfarrer
Josef S. war also „ganz normal“ veranlagt, jedoch durch seinen Job und seine
Vorgesetzten in so unhaltbare Situation geraten, daß er sich schließlich aus
Verzweiflung den Zölibat nicht einzuhalten, umbrachte.
Bischof
Oster sollte angesichts dieses Suizids erhebliche Schuldgefühle entwickeln und
falls er dazu nicht in der Lage ist, wenigstens im Angesicht dieses durchaus
tragischen Todes still sein.
Aber
weit gefehlt. Wie Joachim Gauck trat Oster in seiner Trauerrede kräftig nach,
ruinierte noch a posteriori das Ansehen Josef S.s und lieferte ihn zum
Ausgelacht werden der BILD-Zeitung aus.
[…] Wenn sich ein Pfarrer Pornofilme anschaut,
schafft er es nach Vorstellung der Katholischen Kirche möglicherweise nicht in
den Himmel, dafür aber in die Bild-Zeitung. Das […] beschreibt […] worum es im
Fall Josef S. geht. Vor acht Tagen hat der Passauer Pfarrer Suizid begangen,
aber Schlagzeilen hat der Fall erst gemacht, als […] öffentlich wurde, was Josef S. so verzweifeln ließ.
Die Details hat
ausgerechnet der Passauer Bischof Stefan Oster bei der Trauerfeier […] verraten. In Briefen habe Josef S. geschrieben, "im Internet
immer intensiver Bilder und Filme gesucht zu haben, die seinem priesterlichen
Gelübde der Keuschheit deutlich widersprechen", sagte Oster laut
Redemanuskript und sprach in diesem Zusammenhang von einer "sehr großen
moralischen Schuld", der sich der Pfarrer bewusst gewesen sei. Die
Bild-Zeitung titelte daraufhin: "Suizid im Bistum Passau - Pfarrer
verzweifelte an Verlangen nach Pornos."
[…] Es hat für Aufsehen gesorgt, dass der
Bischof in aller Öffentlichkeit über intime Details aus dem Privatleben eines
toten Pfarrers spricht - und das auch noch bei der Trauerfeier. […]
Den Ärger über Bischof Oster, der in Bezug auf
den Pornokonsum nicht nur von moralischer Schuld des toten Pfarrers gesprochen
hat, sondern auch davon, "dass wir trotz allem nicht von der Hoffnung
lassen wollen, dass auch er von unserem barmherzigen Gott in sein Reich geholt
wird".
[…] Diese Aussage sei "absolut nicht
nachvollziehbar", sagt der Passauer Pfarrer. Es sei zwar "kein
Geheimnis, dass unser Bischof ein besonders konservativer ist", aber
darüber zu spekulieren, dass einer nicht in den Himmel komme, weil er Pornos
geschaut habe - "das ist eine Haltung, die ich überhaupt nicht verstehen
kann" und die "in keiner Weise" der Lehre der katholischen
Kirche entspreche. […]
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