Totalversagen
der politischen Führungen, rasanter Aufstieg rechtsradikaler Parteien in ganz
Europa und dazu auch noch weltweiter Terror auf dem Vormarsch.
Der
geneigte Beobachter hat nichts zu lachen, wenn er sich durch das Netz klickend
in der Welt umsieht.
Nahezu ununterdrückbar
wird der Würgereiz beim Blick auf die Landesregierungen in Sachsen und Bayern.
Bayern
ist unterm Strich noch schlimmer als Sachsen, weil Crazy Horst als Parteichef
der CSU zwar über deutlich weniger Bundestagssitze als Linke oder Grüne
verfügt, aber überproportional stark in der Bundesregierung vertreten ist.
Immer
wenn es so richtig schwachsinnig, teuer, bürokratisch, xenophob,
kontraproduktiv wird, steckt Horst Seehofer dahinter: Anti-Ausländer-Maut, Bildungs-Fernhalteprämie,
Hotelsteuerermäßigung oder Umstellung auf Sachleistungen bei Flüchtlingen.
In den
letzten Tagen vermochte es Markus Söder, der Mann mit dem Gesicht, das nur eine Mutter
lieben kann (Hildebrandt), noch eine Umdrehung
hinzuzufügen.
In abscheulichster Matussek-Manier ging er auf
die Opfer des IS los, die gerade noch ihre Haut vor dem Terror retten konnte
und unterstellte ihnen auch Täter zu sein.
Ekeliger
geht es kaum noch.
Man darf
getrost davon ausgehen, daß diese widerlich-populistisch-xenophobe Sicht von den
meisten CSU-Politikern geteilt wird und dadurch auch in die Bundesregierung
getragen wird.
Das sind
die Momente, in denen man an Max Liebermann und das „fressen“ und „kotzen“
denkt.
Nun
passiert aber etwas unerwartet Lustiges.
Eine
zweite Ebene der Bayernpolitik wird sichtbar, so sichtbar, daß sie die
Flüchtlingspolitik überlagert.
Horst
Seehofer, 66, befindet sich in seinem politischen Herbst und mag wie so viele
andere vor ihm – man denke nur an Stoiber und Kohl – nicht rechtzeitig
loslassen.
Eifersüchtig
auf seine egoistischen Machtinteressen fixiert beißt Seehofer alle jüngeren Konkurrenten
weg. In diesem Punkt ähnelt er seiner Schwesterparteichefin Merkel: Auch sie verhindert
konsequent, daß ein möglicher Nachfolger gefunden wird.
Während
man sich aber in der CDU an das Papstnachfolger-Motto hält, demzufolge jemand
der öffentlich bekundet Papst werden zu wollen es niemals werden kann, geht es
bei den Christsozialen rabiater zu.
Markus
Söder will unbedingt Seehofer nachfolgen. Dafür geht er über Leichen. Dafür
versucht er seit Jahren Crazy Horst waidwund zu schießen
Und das
wiederum passt dem Noch-Chef nicht, der nun wie ein wütender alternder Bär
zurückbeißt.
Im "Donaukurier"
aus Ingolstadt nannte Seehofer die Äußerungen Söders nach den Anschlägen von
Paris "eine Grenzüberschreitung" und persönlich motiviert, wie die
Zeitung vorab in ihrer Online-Ausgabe meldete.
"Nach solchen
Anschlägen wie in Paris verbietet es sich, persönliche und parteipolitische
Motive in den Vordergrund zu stellen." Bei den Angriffen waren am
Freitagabend in der französischen Hauptstadt 129 Menschen von islamistischen
Terroristen getötet worden.
Söder hatte danach im
Kurznachrichtendienst Twitter geschrieben "Paris ändert alles" und
eine Korrektur der deutschen Flüchtlingspolitik gefordert. Außerdem hatte der
Landesminister die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel
angegriffen. Der Ministerpräsident warnte Söder nun scharf vor weiteren
ähnlichen Äußerungen. "Meine Toleranz ist groß, aber nicht
unendlich", sagte Seehofer. "Wenn einer mit der Kanzlerin über die
Flüchtlingspolitik spricht, dann ich", ergänzte der CSU-Chef.
CSU
gegen CSU.
Man hat
ja sonst nichts zu lachen. Also genieße man das Schauspiel.
Interessanterweise
war Söder nicht bei der Seehoferschen Sonderrunde in dessen Staatskanzlei
zugegen – warum auch; er ist Finanzminister und in dieser Situation waren
Innen- und Justizminister, sowie der Staatskanzleichef gefragt.
Söder
hat überhaupt keine Partei- oder Regierungsfunktion, die berechtigen würde, daß
immer er, als Landespolitiker der zweiten Reihe bundesweit zu Flüchtlingsfragen
auftritt.
Er ist
Finanzminister, Bezirkschef von Nürnberg und dazu ausdrücklich kein Freund
Seehofers. Er kann also erst recht nicht für den Regierungschef sprechen.
Daß ihn
die Talkshows immer wieder einladen, daß er bei „Tagesschau“ und „heute“
hofiert wird, wenn es um Terrorismus geht, liegt nur an seinem übergroßen Ego.
Und so ist das alles
offenbar nur so zu erklären, dass Markus Söder inzwischen in seiner Funktion
als Markus Söder das Wort erteilt wird. Was auf nahezu alle Medien zutrifft,
man aber mit rationalen Argumenten kaum noch erklären kann - und vor allem
nicht im Flaggschiff des deutschen Nachrichtenjournalismus, in der
20-Uhr-Tagesschau der ARD.
Dass Söder sich
berufen fühlt zu reden, ganz gleich über was, ist das eine. Dass er es
geschafft hat, dass ihm dafür - auch und gerade in öffentlich-rechtlichen
Medien - nahezu beliebig viel Platz eingeräumt wird, ist das andere. Zu denken
geben darf es einem schon.
Die
seriöse Presse sollte dem Möchtegern-Regierungschef in spe dringend weniger
Aufmerksamkeit widmen.
Aber nun
entwickelt sich dieses amüsante Schauspiel zwischen dem Alten und dem Jungen.
Wer
gewinnen wird, ist nicht auszumachen bisher.
Bemerkenswert
ist aber, daß der sonst so allmächtige Seehofer, der mit Vorliebe die Karrieren
widerborstiger CSU-Granden ruiniert, nicht in der Lage ist den renitenten
Franken zu stoppen.
Immer
wieder verbietet ihm Seehofer das Wort und immer wieder hält sich Söder nicht
daran.
Geradezu
verzweifelt wirkt es, wie Seehofer demonstrativ junge CSUler als Nachfolger
protegiert, deren einzige Qualität darin besteht nicht Söder zu sein.
Und es
bringt nichts. Söder dominiert immer noch nach Belieben die Medien.
Flüchtlingshetze
bringt Aufmerksamkeit.
Über den Franken, der
betont, dass er mit seinen 1,94 Meter einen Zentimeter größer ist als Seehofer,
bricht danach eine Wutwelle herein, die selbst für einen Polarisierer wie ihn
nicht normal ist. Viele empört, dass Söder die Terroranschläge mit Flüchtlingen
in Deutschland verknüpft hat. Hunderte antworten, die meisten im Stil von
Moderator Micky Beisenherz ("Sie beweisen eindrucksvoll, dass in diesen
Tagen die Widerlinge Hochkonjunktur haben") oder von Fußballreporter Frank
Lußem ("Kontrollierte Auswanderung wäre geil. Beginnend mit Ihnen!").
Was macht Söder? Er
setzt noch einen drauf. Es sei naiv zu glauben, unter den Flüchtlingen befinde
sich kein einziger Terrorist - so weit, so okay. Aber eingeleitet wird dieser
Allgemeinplatz in einem Interview so: Natürlich sei "nicht jeder Flüchtling
ein IS-Terrorist". Dann kommt auch noch Merkel dran. Die CDU-Chefin müsse
endlich einräumen, "dass die zeitlich unbefristete Öffnung der Grenzen ein
Fehler war".
Ein klarer Verstoß
gegen Seehofers Weisung. Wenn der bayerische Ministerpräsident in der Flüchtlingsdebatte
die Bundesregierung vor sich hertreibt, dann treibt Söder Seehofer vor sich
her.
Der
bayerische Ministerpräsident pflegt inzwischen einen regelrechten Hass auf
seinen Finanzminister, versucht ihn kontinuierlich zu maßregeln und zu beleidigen.
Daß
Söder diese Angriffe seines Chefs so frech ignoriert, sich einfach nicht darum
schert, macht Seehofer nur noch wütender.
Und noch
viel wütender macht ihn die Erkenntnis, daß er nicht mehr mächtig genug ist
Söder zu feuern, ohne einen Parteiaufstand der Franken zu riskieren.
Die
gesamte CSU scheint der Ansicht zu sein, Söder sei unverzichtbar.
Ein
anderer ist nicht in Sicht um Seehofer zu beerben. Das ist auch Seehofers
Schuld und diese Erkenntnis macht den Alten regelrecht rasend vor Wut.
Seit seinem
Amtsantritt 2013 erzielt Söder eine Aufmerksamkeit, die für einen
Staatsminister der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat beneidenswert
ist. Was wohl damit zu tun hat, dass Söder sich nur als Landespolitiker getarnt
hat, in Wahrheit aber der Igel der CSU ist. Egal, wo alle anderen hinwollen:
Söder ist schon da. Egal, was der alte Hase Seehofer von sich gibt: Söder
formuliert es härter. Es gibt keinen Fernsehkanal, durch den er nicht schon
gestiegen wäre. Keine Zeitung, die ihn noch nicht als den wahrscheinlichsten
Nachfolger von Seehofer genannt hätte. Und wer sich traditionellen Medien
verweigert, der muss diesem Igel erst einmal auf Facebook und Twitter
entkommen.
Söder ist die
politische Dauerschleife der CSU - und Seehofers Albtraum.
In gewisser Weise sind
die beiden sich erstaunlich ähnlich. Beide sind starke Redner, beide sind zupackende
Führungspersönlichkeiten, beide haben ein Gespür für Stimmungen im Volk. Doch
während Seehofer diese Stimmungen ernst nimmt und zu lenken versucht, greift
Söder sie auf und heizt sie an.
[….]
Söder
ist ein Meister der Inszenierung, auch der eigenen Stärke. Selbst wenn er dafür
einige Fakten zurechtbiegen muss. So lässt er sich feiern für einen
Landesbanken-Deal, der in Wahrheit zu einem beachtlichen Teil vom
CSU-Landtagsabgeordneten Ernst Weidenbusch ausgehandelt wurde. Vor ein paar
Tagen, im Bus nach Wien zur Unterzeichnung des Vertrags, nimmt er Journalisten
mit. Auf der Fahrt macht er es sich in einer Strickjacke gemütlich und schwärmt
von der Geschlossenheit der CSU in den letzten Wochen.
[….]
Söder ist nichts wurscht. [….] Neue Zeitungsberichte über sich lässt sich
der Minister jeweils bereits abends zuvor zusammenstellen, in seinen Pressestab
hat er Michael Backhaus berufen, vormals Vize-Chefredakteur der Bild am
Sonntag. Alles dient dem einen Ziel: Parteichef und Ministerpräsident zu
werden. Einer, der Franz Josef Strauß, Edmund Stoiber und Seehofer aus nächster
Nähe erlebt hat, sagt: Er habe noch nie einen Politiker mit einem so
ausgeprägten Machtanspruch gesehen wie Markus Söder. Den treibe nur eine Frage
um: "Was nützt mir?"
[….]
Hat Markus Söder Überzeugungen? Manche
sagen, es seien zumindest zwei: dass er Parteichef werden will. Und dann
Ministerpräsident. [….]
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