Wenn ich auf mein Geburtsdatum
gucke ist eins klar: Die längere Zeit meines Lebens liegt hinter mir.
Gesundheitlich geht es bergab,
Kinder, die ich später mal anbetteln könnte, habe ich nicht.
Die öde Begriff Alterssicherung,
dieses unglaublich spießige Wort, nichts könnte weniger sexy sein, spukt in
meinem Kopf herum.
Das war wirklich ein Vorteil ein
Jugendlicher zu sein. Solche Begriffe spielten keine Rolle. Man kannte sie
entweder gar nicht, oder aber man assoziierte sie nicht mit einem selbst.
Soweit war ich schon vor ein paar Monaten, als ich mich deswegen um einen Immobilienkredit bemühte.
Wohnungen werden immer teurer, die Mieten steigen. Das wird
auch jeden Tag in den Zeitungen beklagt.
Aus Immobilienkäufersicht steigen die Mieten aber noch viel
zu wenig, oder, umgekehrt formuliert: Die Kaufpreise steigen viel schneller als
die Mieten.
Inzwischen werden mir für 400 Euro kalt vermietete Anderthalbzimmerwohnungen,
40 qm, Nordseite, ohne Balkon in mittelguten Gegenden in maroden Zustand, 4.
Stock ohne Lift angeboten, für die 163.000,- aufgerufen werden. Macht über
180.000,- mit Kaufnebenkosten.
Auch wenn man 180.000,- bar rumliegen hätte und keinen
Kredit aufnehmen müsste, ist die Rendite erbärmlich. Schließlich muß man als
Vermieter ca die Hälfte des Hausgeldes zahlen. Es blieben also etwa 300 EURO
monatliches Einkommen, das man auch noch versteuern muss.
Außerdem kommen in so einem alten Haus laufend
Instandsetzungsarbeiten hinzu. Gut möglich, daß von den 3.600 EURO
Mieteinnahmen in Jahr auch mal ein großer Teil als Sonderumlage für bessere
Fenster, eine Dachsanierung oder eine neue Heizungsanlage draufgeht.
Das klingt nicht wie eine lohnende Investition für kleine
Leute, die davon ihren Lebensabend absichern wollen.
Ein Besuch bei meinem Steuerberater brachte mich auf neue
Ideen.
Steuerlich am ungünstigsten sind Einkünfte aus
Gewerbebetrieben, weil dann zusätzlich Gewerbesteuer anfällt, Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung dürften in meinem Fall etwa mit 40% versteuert werden.
Das Beste wären Einkünfte aus Kapitalvermögen, die mit pauschal 25%
Abgeltungssteuer veranschlagt werden. Ach ja, das Modell Quandt. Einfach
besitzen, Däumchendrehen, für Nichtstun kassieren und dann auch noch viel
weniger Steuern zahlen, als jeder, der dafür arbeiten muss.
Meine Unmutsäußerungen über das System nahm er lächelnd hin;
der Staat greife eben auf die zu, derer er habhaft werden könne. Wir wären sein
Fußvolk, das nicht abhaue. Das Kapital aber schon. Das verschwände einfach,
wenn es zu hoch besteuert würde.
Das ist die eigentliche Perversion:
Die steuerliche Bevorzugung eines Milliardärs gegenüber einer Krankenschwester ist ungerecht, aber tatsächlich der beste Deal, den der Staat für sein Fußvolk rausholen kann. Solange nicht ALLE Nationen der Erde eine gemeinsame Steuerpolitik machen (=nie), kann der Multimilliarden-Jetset im Gegensatz zur Aldi-Kassiererin oder dem Grundschullehrer immer dahin gehen, wo er am wenigsten zahlen muss.
Die steuerliche Bevorzugung eines Milliardärs gegenüber einer Krankenschwester ist ungerecht, aber tatsächlich der beste Deal, den der Staat für sein Fußvolk rausholen kann. Solange nicht ALLE Nationen der Erde eine gemeinsame Steuerpolitik machen (=nie), kann der Multimilliarden-Jetset im Gegensatz zur Aldi-Kassiererin oder dem Grundschullehrer immer dahin gehen, wo er am wenigsten zahlen muss.
25% von einer Milliarde sind für den Staat natürlich besser
als 50% von nichts.
Also Aktien und Finanzprodukte? Sollte das etwas für mich
sein?
Bisher hatte ich das immer aus grundsätzlichen moralischen
Überlegungen ausgeschlossen. Es ist asozial Gewinne aus einem Unternehmen
abzuziehen, für das ich gar nicht arbeite, während die Mitarbeiter nicht an den
Ausschüttungen beteiligt werden.
Allerdings lese ich seit Jahren über „ethische Investitionen“.
Es gibt Finanzprodukte, die ausdrücklich nicht in Rüstungsfirmen oder
Nahrungsmittelspekulanten investieren.
In Skandinavien gibt es schon gesetzliche Regelungen, nach
denen Rentenfonds nur in ESG-Geldanlagen (Environment (E), Social (S),
Governance (G)) investieren dürfen. Gemeint sind damit nachhaltige Aktionen.
In Deutschland sind wir noch lange nicht so weit, da
investieren auch Kirchen in Waffengeschäfte und Gentechnik.
Aber ich könnte doch vorangehen und meine paar Kröten sozial
und ökologisch anständig investieren.
Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von „Brot für die
Welt“ und Schatten-Entwicklungshilfeministerin unter Peer Steinbrück 2013 bietet
so etwas an.
[…..] Andererseits glaube ich, dass Menschen durchaus eine Sehnsucht haben zu
teilen, und gar nicht so begeistert sind, dass jeder nur noch nach sich selbst
strebt. Zum Beispiel haben wir das Konzept für einen Investmentfonds
entwickelt, der sich konsequent an ethischen, sozialen und ökologischen
Kriterien orientiert. Der investiert nur in Firmen, die Menschenrechte,
Umweltstandards, Mitbestimmung garantieren. Auch bei uns hatten viele Sorgen,
ob das überhaupt laufen wird. [….]
Aktien kann ich nicht am Kiosk kaufen, also bat ich erneut
um einen Beratungstermin in der Bank.
Diesmal war ich in der Deutschen Bank. Nicht aus Liebe zu
dem Institut, sondern weil sie nach wie vor die Größte ist und überall ihre
Finger drin hat. Wenn der Deutsche Bank-Chef irgendwo anruft, wird er auch
durchgestellt.
Ich bilde mir nicht ein selbst Börsianer zu sein, sondern
brauche einen Banker, der sich damit auskennt.
Zunächst einmal die guten Nachrichten: Ich wurde von zwei
Beratern wirklich sehr nett und höflich empfangen. Mit Kaffee und Gebäck in
einem gemütlichen Büroraum. Beide waren geduldig und hörten sich all meine
Laien-haften Fragen an:
Wie viel verdienen SIE an einer Aktientransaktion? Welches Risiko besteht für mich? Werde ich immer informiert? Mit welchen Gewinnen kann ich rechnen, wenn ich vorsichtig bin? Was passiert, wenn ein Handelskrieg ausbricht?
Aktienmärke sind aber nicht nur Geld, sondern bekanntlich
auch Psychologie und Politik. Gesunde Unternehmen mit nachhaltig
erwirtschafteten Gewinnen und glücklichen Mitarbeitern können ebenfalls in
große Schwierigkeiten kommen, wenn Trump Amok läuft, wenn Italien den Euro in
den Abgrund reißt, wenn Zollschranken hochgezogen werden, wenn ein ungeregelter
Brexit Panik an den Märkten verursacht, wenn ein Handelskrieg angezettelt wird
oder wenn der Nahe Osten so explodiert, daß die Ölpreise verrücktspielen.
Mit Aktien kurzfristige Gewinne zu erzielen ist
Kleinstinvestoren nicht möglich.
Ich sollte einen langen Atem von mindestens zehn Jahren
haben und nur Geld investieren, daß ich aktuell nicht brauche.
Aha! Von den paar Millionen Euro, die ich vielleicht noch in
einer Sofaritze finde, sollte ich also nur die Hälfte dem Deutsche-Bank-Berater
„zum Spielen“ geben.
A propos, eine Vermögensberatung bei der Deutschen Bank, die
alle Märkte im Blick hat und einen Mix anbietet, der bis zu 100% Aktien
beinhalten kann, wird angeboten ab EUR 250.000!
Statt auf diese nebensächliche Petitesse einzugehen („nein,
ich habe nicht gerade zufällig eine Viertelmillion Euro rumliegen, die ich gar
nicht brauche“), blieb ich tumb sitzen und ließ mir noch mehr Zahlen zeigen.
Wenn man schon mal da ist…
Graphik 1 zeigt, daß praktisch weltweit jeder Mensch im Jahr
2018 Geld mit Aktien verloren hat. Es ging überall bergab. Hauptsächlich wegen
politischer Irritationen und nicht aufgrund mieser Geschäfte.
Ich gab mich immer noch als potentieller Millionär und
verkündete, das wäre aber nicht gerade eine Werbung dafür ebenfalls in Aktien
zu machen.
„Doch, doch!“, denn die zehn Jahre davor wäre es schließlich
immer bergauf gegangen und gerade weil nun alles nach unten zeige, wäre es
besonders günstig einzusteigen.
Aha, so denken also Banker, die mit dem Geld anderer Leute
spekulieren.
Außerdem könne ich ein aktiveres Modell wählen, bei dem ich
selbst jedes einzelne Investment bestimmte. Das müsse ich sogar tun, da in der
DB-Vermögungsberatung keine ESG-Kriterien berücksichtigt werden. Wenn ich also
nicht in Amazon oder Rheinmetall investieren wolle, müsste ich schon jeden
einzelnen Deal selbst anschieben.
Das immerhin, könne sich lohnen, da die DAX-Mitglieder ganz
unterschiedlich „performten“.
Aha, der mit Abstand schlechteste Performer, mit über 50%
MINUS im letzten Jahr ist übrigens die Deutsche Bank.
Da war ich ja offenbar bei genau dem richtigen Institut
gelandet.
Als der gute Mann immer mehr mit eingedeutschten Englisch um
sich warf und begann sich selbst zu übersetzen, griff ich noch mal kurz ein.
„Ich bin übrigens US-Amerikaner, Sie brauchen nicht ins
Deutsche zu übersetzen.“
-
Ach, das
hört man ja gar nicht, haben Sie zwei Pässe?
-
Nein, nur
den US-Pass
-
Dann
können wir nichts für Sie tun.
Kein deutsches Geldinstitut darf für US-Staatsbürger aktiv
werden. Danke Trump. Da ich aber nur über solche Institute überhaupt
Geldmarktprodukte erwerben kann, hat sich das Thema „Anlagen“ grundsätzlich
erledigt.
Das ist für mich rechtlich nicht möglich.
Da wurde die Gesichter sehr lang, nun blieben nur noch „Einlagen“.
Während ich noch an orthopädische Schuhe dachte, erklärte
die freundliche Dame, ihr Institut zahle 0,01% Zinsen auf Geldeinlagen.
Es gäbe aber kurzfristige Zinsgeschäfte, die ich über das
Onlinebanking ansehen könne. Da bekäme ich für bestimmte Zeiträume auch mal
0,5% Garantie-Zinsen.
Nun bin ich zum zweiten Mal leider nicht Kapitalist
geworden.
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