Natürlich nerven diese an jeder zweiten Straße aufgestellten
ätzenden Bretterbuden mit penetranter ohrenkrebserregender
Last-Christmas-Beschallung, debil blinkender Primitiv-Illuminierung und den olfaktorischen
Attacken aus dem Bratfett des Grauens und säuerlich-abgestandener
Glühwein-Gülle.
Heute Abend holte ich mir eine volle Stink-Dröhnung am
Mühlenkamp, indem ich nur mit dem Auto durchfuhr und leider vergaß schnell
genug das Fenster zu schließen, als mich eine rote Ampel zwang genau neben so
einer Glühwein-Gebäck-Gebratenes-Wolke stehen zu bleiben.
Ein Mist, denn ich war gerade auf dem Weg zu einem
Lebensmittelgroßeinkauf und nach so einer Wolke vergeht mir jeder Appetit.
Weihnachtsmärke sind grauenhaft; insbesondere für sozialphobische
Misanthropen wie mich.
Und wer wäre kein Misanthrop angesichts der Vorstellung, daß
Menschen sich freiwillig wie in einer Sardinenbüchse zwischen Autoabgasen
zusammenpressen, um sehr billigen, Kopfschmerzfördernden extrem gesüßten
Rotwein in Plastikbechern zu kippen? Kulturloses Pack. Heißer süßer Alkohol,
der so grauenvoll gewürzt ist, daß die meisten aus Notwehr noch so viel
Billig-Rum aus dem Aldi-Brick hinzukippen, daß die Geschmacksnerven absterben.
Extrem süßen Wein trinken eigentlich nur Teenager, die das
erste mal trinken, weil sie den ungewohnten und damit irgendwie ekelhaften
Alkoholgeschmack mit Zucker übertünchen müssen.
So habe ich auch angefangen. Heimlich mit 13. Asti Spumante
und Matheus-Rosé im Bockbeutel.
Aber eigentlich begreift man nach wenigen Abenden wie
abscheulich das ist und steigt auf trockenere, herbere Varianten um, bei denen
man auch den Wein und nicht bloß Zuckerwasser schmeckt.
Als Erwachsener Glühwein zu trinken ist unentschuldbar. Und
pervers.
Wer Glühwein trinkt, frisst auch kandierte Früchte und kippt
ein Pfund Zucker in frischen Kaffee, mischt Bier mit Cola.
Ich gehe viel lieber morgen um 12.00 Uhr zu meinem
Zahnarzttermin und lasse mir den 26d aufbohren als nur eine Minuten auf einem
Weihnachtsmarkt zu verbringen.
Vielleicht hat jetzt der ein oder andere sensible Leser die
Botschaft zwischen den Zeilen verstanden: Ich mag Weihnachtsmärkte nicht.
Normalerweise verliere ich darüber aber kein Wort, weil sie
wie all anderen beschissenen Massenzusammenrottungen in unserer Event-Welt
ohnehin nicht zu verhindern sind. Man muss sie wie schlechtes Wetter oder eine
Grippe einfach hinnehmen. Da hilft nur, sie so weit wie möglich zu umgehen,
sich fernzuhalten und sich zu Hause einzuigeln, wenn das Grauen wieder naht.
Die Eventisierung der modernen Gesellschaft halte ich
ohnehin für die Geißel der modernen Menschen.
(….) Am schlimmsten ist es an der
Außenalster; dort sind Spaziergänge am Tag fast unmöglich geworden, da Myriaden
kläffender Hunde, abertausende Radfahrer und zudem ein unendlicher Pulk
widerlich nach Schweiß stinkender Jogger normales Gehen unmöglich machen. Es
ist vielmehr ein einziges Ausweichen, Spießrutenlaufen.
Zudem ist Hamburg, die 134.
größte Stadt der Welt, dem Wahn verfallen unablässig irgendetwas zu
veranstalten. Eine aberwitzige Eventisierung der gesamten Innenstadt hat sich
durchgesetzt. Kein Wochenende, an dem nicht die Straßen gesperrt sind, weil
Alstervergnügen, Schlagermove, CSD, Marathon, Cyclassics, Triathlon, Weinfest,
Dom, Harleydays oder Motorradgottesdienste das Stadtbild in den immer gleichen
lärmigen Klaumauk aus Bierbuden, Würstchen und Humpta-Musik verwandeln.
Einfach unerträglich. (….)
Die über 3000 Weihnachtsmärkte in Deutschland mit ihrem Multimilliardenumsatz
sind einfach nur ein weiteres dieser immer gleichen Fressbuden-Events. Die gibt
es jedes Jahr und sie sind immer gleich beschissen. Unkreativ, ökologische
Katastrophen und der perfekte Absatzmarkt, um die angeschickerten Deppen dazu
zu bringen billigen chinesischen Tand überteuert zu kaufen.
Ich wundere mich nur darüber, daß die Buden, in denen Bier
und Würstchen unter das Volk gebracht werden, überhaupt noch zwischendurch
abgebaut werden.
Was für ein Umstand.
Lasst die grässlichen Press-Pappe-Schuppen doch einfach das
ganze Jahr stehen. Dann kann sich das zu bespaßende Volk zu jeder Zeit mit
einem Handtuch einen Platz reservieren.
Statt aber diesen tumben Konsumzirkus einfach achselzuckend
hinzunehmen – Menschen sind nun mal Idioten und mögen sowas – wird aber
beklagt, daß es so ist wie es ist.
[….] Zum
Beispiel, weil sie an fünf Tassen Glühwein bis zu 20 Euro verdienen, während
ihr Einkaufspreis dafür rund 1,70 Euro beträgt.
Nicht viel anders ist es bei den Bratwürsten, Koteletts oder Champignonschälchen.
Ein Essensbudenbetreiber auf einem großen Weihnachtsmarkt in
Nordrhein-Westfalen spricht von "zehn Prozent", die die Kunden in den
letzten Jahren mehr bei ihm ausgegeben hätten. [….] Auf den
meisten deutschen Weihnachtsmärkten gibt es einen vorherrschenden Trend:
Krapfen statt Kunst. Masse statt Klasse. Kleinkunst wird rar, Glühwein und
Fressbuden regieren die Städte. [….]
Nun trägt das Wort Weihnachtsmarkt
den Kommerz ja schon im Namen. Doch in den vergangenen Jahren, so scheint es,
haben sich die Märkte noch einmal die Kommerzkrone aufgesetzt. Während sich die
Besucher mit Glühwein und fettigem Essen vollstopfen, müssen sich Kleinkünstler
existenzielle Sorgen machen. [….] Insgesamt verzeichnen die Weihnachtsmärkte
ein starkes Wachstum. Die jüngsten erhobenen Daten gehen von jährlich 159
Millionen Besuchern aus, nach Schätzungen des Deutschen Schaustellerbundes hat
sich ihre Zahl in den vergangenen 20 Jahren fast verdreifacht. [….] "Man
kann eine deutliche Eventisierung von Weihnachtsmärkten beobachten", sagt
Gunther Hirschfelder, 57, Kulturanthropologe der Universität Regensburg, der
seit 20 Jahren zum Thema Weihnachtsmarkt forscht.
Hirschfelder beobachtet eine Vervolksfestung der Weihnachtsmärkte, etwa
durch zunehmende Kostümierung der Besucher mit Weihnachtsmützen oder
Elchhaarreifen. Christliche Symbole dagegen sehe man immer seltener. Der Stern
von Bethlehem wird immer öfter zur Schneeflocke. "Wir haben heute viel
Markt, aber nur noch ganz wenig Weihnachten", sagt Hirschfelder. [….]
Waaaaaaas? Weihnachten ist gar nicht mehr das besinnliche
Familienfest, bei dem alle zusammen der Geburt Jesu gedenken und von
Nächstenliebe durchströmt alle lieb zueinander sind?
Heutzutage wird damit Geld
verdient? Ich bin schockiert. Auf die Idee wäre ich nie gekommen, daß nun
sogar das heilige Christfest mit dem Konsumgedanken verseucht ist. Potzblitz.
Die larmoyanten Klagen über den Charakterverlust
Weihnachtens sind fast noch unerträglicher als Weihnachten selbst.
Aber man kann es noch toppen.
Weihnachten wird zunehmend zum Kampfbegriff der Rechtsextremen
und Verschwörungstheoretiker.
In den USA wird immer wieder – völlig wahrheitswidrig – behauptet,
man dürfe nicht mehr „merry christmas“ wünschen, da säkulare Sozialisten damit
das Christentum bekämpften.
Natürlich brüstet sich Trump damit dieses gar nicht existente
Tabu zu brechen.
Seine unterbelichteten verschwörungstheoretischen Epigonen
in Deutschland beklagen den Untergang ihrer Heimat, weil man durch „Merkels
Umvolkungswahn“ gar keine Weihnachtsmärkte mehr besuchen könne, ohne sofort von
Scharia-praktizierenden Islamisten kastriert zu werden.
Deutschland ist zwar so sicher wie seit 25 Jahren nicht mehr,
aber was interessiert Hass-Fanatiker wie Trump oder Berger schon die Realität?
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