Meine Ökobilanz ist vorbildlich.
Seit 30 Jahren bin ich Vegetarier, in etwa genauso lange
nicht mehr mit dem Flugzeug geflogen, ich kaufe nach Möglichkeit regionales
Gemüse, Q-Tipps ohne Plastikstäbchen, verwende seit Jahrzehnten keine
Plastiktüten, halte keine fleischfressenden Haustiere, wohne in einer eher
kleinen Wohnung, die ich nie heize und am wichtigsten: Ich habe bezüglich der
größten denkbaren Umweltsauerei eine weiße Weste: Keine Kinder!
Natürlich bin ich nicht perfekt. Mein Haushalt ist nicht
frei von Kunststoffverpackungen und außerdem habe ich, seit ich 18 Jahre alt
bin ein eigenes Auto. Derzeit ist es ein Benziner, der auch noch zu allem Übel
deutlich übermotorisiert ist für einen Städter und Single.
Das gute Stück bereitet mir aber dennoch keine schlaflosen
Nächte, da ich durch das viele Metall in meinem Bein gar nicht Radfahren könnte
und auch schlecht zu Fuß bin, zudem transportiere ich regelmäßig einen
Rollstuhl/Rollator-Benutzer.
Hinzu kommt, daß ein Verbrennungsmotor nur dann schädlich
für die Umwelt ist, wenn er läuft und nicht, wenn er friedlich in der Garage
schläft.
Meine Jahres-Kilometerleistung ist aber derart lächerlich
gering, daß ich in Werkstätten im schräg angeguckt werde, weil die denken, ich
hätte den Tacho manipuliert.
Ich habe früher als andere Generationsgenossen darauf geachtet
der Umwelt keinen übermäßigen Schaden zuzufügen.
Einst wurde ich für leicht gestört gehalten, wenn ich beim
Gemüsemann erklärte keine Braeburns aus Neuseeland zu kaufen, weil die Dinger
doch auch in Hamburg (im Alten Land) wachsen. Daß ich nicht unbedingt
südamerikanischen Spargel haben möchte, wenn zwei, drei Wochen später auch der
Hiesige im Angebot ist. Daß ich deswegen auch nicht die allzeit verfügbaren
Billig-Rosen aus Kenia kaufe.
Inzwischen ist „regional“ Mainstream, weil doch viele Menschen
begriffen haben, wie unverantwortlich es ist für eine Schale Erdbeeren aus
Südafrika anderthalb Liter subventioniertes Kerosin zu oxidieren und als CO2
direkt in die heiklen Luftschichten zu pusten.
Heute steckte ich in der Rushhour fest und begegnete nun
schon zum zweiten mal „extinction rebels“.
[….] Extinction Rebellion (XR) macht mit friedlichem Ungehorsam auf den
drohenden Klimakollaps und das massive Artensterben aufmerksam. [….]
Offenbar ist das eine recht neue Jugendgruppe der Aussterbungsrebellen, die aktiv den
Hamburger Innenstadtverkehr stört.
Man sollte meinen, daß Hamburger Autofahrer genervter sind,
wenn im Feierabendverkehr ein Dutzend Teenis mit Plakaten eine Kreuzung
blockieren und dort stumm ihre Plakate vor den Autos hochhalten.
Ach ja, die sind irgendwie rührend. In beiden Fällen, die
ich beobachtet habe, war ein einzelner Polizist dabei, der das Geschehen vom
Straßenrand beobachtete und die Demonstranten waren offensichtlich bemüht die
von ihnen Angehaltenen nicht zu verärgern. Einige sollen sogar selbstgebackene
Kekse und Tee anbieten.
[…..] Etwa 20 Jugendliche der Gruppe „XR Youth“ haben am Sonntag den Verkehr
in Hamburg blockiert. Sie gehören zur Bewegung „Extinction Rebellion“, die in
den vergangenen Wochen immer wieder mit Klima-Aktionen wie der Grünfärbung des
Rathaus-Brunnens auf sich aufmerksam gemacht hat. Die neue jugendliche
Ortsgruppe probte nun ebenfalls den ersten Protest.
Gleich an zwei Orten in der Stadt starten „XR Youth“ ihre
Demonstration. Von 10 bis 13.15 Uhr blockierten sie die Kreuzung Wiesendamm/
Goldbekufer. Zwischen 13.30 und 16 Uhr war die Kreuzung Barmbeker Straße/Semperstraße
an der Reihe.
„Das ist unsere erste Aktion und wir wollen nicht so krass in Action
geraten, wir wollen uns erstmal austesten und unserer Taktik erproben“, sagt
Jan Ohe aus Poppenbüttel. Der 17-Jährige erklärt, die Gruppe hätte sich diesmal
für die Swarming-Taktik entschieden und den Protest vorher angemeldet.
„Die Teilnehmer warten an einer
Ampelkreuzung auf eine Grünphase und sperren dann für fünf bis zehn Minuten die
Straße ab. Zusätzlich werden Flyer an die wartenden Autofahrer verteilt und
manchmal auch Kekse, um sie zu besänftigen“, erklärt Friederike Mayer von
„Extinction Rebellion“ die Demo-Taktik.
[…..] „Aussterben ist blöd“ steht auf einem Laken und auf einem anderen wird
der Artikel 20A des Grundgesetztes zitiert. […..]
Ich bin zu alt und zu desillusioniert, um mir noch
Hoffnungen zu machen.
Es ist sehr schmerzhaft zuzusehen wie Fauna und Flora unter
Homo Sapiens leiden. Ein Homo Sapiens, der eher ein Homo Demens ist und sogar
in Brasilien oder den USA demonstrativ Regierungschefs wählt, die geradezu mit
Wonne alle Umweltschutzregelungen vom Tisch fegen und aus purer Lust Wälder und
Lebensräume abholzen lassen.
Der Gattung Mensch weine ich keine Träne nach, wenn die sich
endlich selbst ausgerottet hat. Die Extinction
kann ich nur empfehlen.
Und nun soll der Mensch selbst die Notbremse ziehen? Auf
einmal vernünftig werden?
Die Kunde hör‘ ich wohl; allein mir fehlt der Glaube.
Sicher, es gibt eine wachsende Minderheit dieser aufrecht
gehenden Trockennasenaffen, die versuchen ihre Umwelt nicht übermäßig zu
strapazieren.
Und ja, es ist gut und richtig weniger Auto zu fahren,
Ökostrom zu beziehen und im Supermarkt das Obst ohne Plastikfolie zu kaufen.
Aber es gibt trotz all der Erkenntnisse noch kein
ernsthaftes Umdenken bei der Masse des Volkes.
Die Masse frisst immer mehr Billigfleisch, nutzt immer mehr
Billigflieger, trägt poppenderweise zur drastischen Weltüberbevölkerung bei,
besteigt Millionenfach Kreuzfahrtschiffe, die hundertrausende Tonnen Schweröl
ungefiltert verbrennen.
Ich lächele milde, wenn mich die XR Youth HH anhält, winke ihnen zu.
Einst war ich auch mal in Eurem Alter und war beseelt von
dem Gedanken „da muss man doch was tun!“
Und ja, womöglich fängt auch der ein oder andere angehaltene
Autofahrer an über die Schockbilder von den gematerten Äffchen des Hamburger Skandal-Tiefversuchslabors LPT nachzudenken.
[….] Die grausamen Tierversuche im LPT-Labor bei Hamburg machen derzeit
weltweit Schlagzeilen. Am vergangenen Wochenende fand eine große Tierrechtsdemo
statt, weitere sind geplant. Jetzt hat sogar die berühmte Affen-Forscherin Dr.
Jane Goodall die Vorkommnisse im Labor aufs schärfste kritisiert.
„Die Aufnahmen zeigen einige der schlimmsten Misshandlungen, die ich je
in Verbindung mit Tierversuchen gesehen habe“, sagte Dr. Jane Goodall über das
LPT-Labor. Sie zählt zu den weltweit führenden Affen-Forschern, hat ein eigenes
Institut gegründet und ist UN-Friedensbotschafterin. Zudem wurde sie mit der zweiten
Stufe des britischen Ritterordens ausgezeichnet.
Die Recherche, über die in der letzten Woche weltweit berichtet wurde,
enthüllt ein schockierendes Ausmaß an Tierleid, welches eindeutig Europäische
und Deutsche Gesetze verletzt. Verstörende, verdeckt gedrehte Aufnahmen von
massiv blutenden Hunden und systematisch misshandelten Affen haben den Schleier
der Geheimhaltung von vorgeschriebenen Giftigkeitstests gelüftet, und die
Tierquälerei dahinter offenbart. […..]
Aber all die Empörung wird auch schnell wieder vergessen
sein, wenn man wieder im Sommer möglichst billig grillen will mit
Tropenholzkohle und Discounter Wilke-Schimmelwurst für ein paar Cent das Pfund.
Menschen sind beschissene Egoisten und werden sich nicht
bessern.
Ich applaudiere den XR-Jugendlichen.
Aber ich belächele
sie auch dafür, sich vor ein paar Hamburger Autos zu stellen, während der
Urnenpöbel ja doch immer wieder konservativ wählt und mit Typen wie Merkel und
Klöckner tief im Hintern der Agrarlobby hockt.
Und wie wollt Ihr eigentlich AKK
aufhalten?
[…..] Plastiktüten zählen, aber über das Militär schweigen? Die Debatte über den Klimaschutz hat sich in eine Ideologie privater Verantwortung verwandelt. Sie muss politischer werden.
[…..] Plastiktüten zählen, aber über das Militär schweigen? Die Debatte über den Klimaschutz hat sich in eine Ideologie privater Verantwortung verwandelt. Sie muss politischer werden.
[…..] Es gibt zwar so etwas wie "die Menschheit". Es gibt sie im
Hinblick auf ihr Dasein als biologische Spezies, auf ihre Fähigkeit zur
Fortpflanzung und auf etwas so Abstraktes wie Zeitgenossenschaft. Doch hat
"die Menschheit" gewiss noch nie etwas gedacht, geschweige denn etwas
beschlossen. Sie wird es auch in Zukunft nicht tun. Sie ist gänzlich unfähig,
ihr "Verhalten" zu ändern, denn sie ist kein Subjekt.
Wer immer "die Menschheit" anruft, um einen klimapolitischen […..]
Schwieriger ist es, die Argumentation im
Kleinen als Ideologie kenntlich zu machen. Daher ein Beispiel: Für jeden
Passagier, der von München nach Mallorca fliegt, werden, grob gerechnet, etwa
hundert Liter Kerosin verbrannt. Die Menge erscheint als sehr groß, wenn man
sie sich etwa in Kanistern abgefüllt vorstellt. Sie erscheint allerdings als
winzig klein, wenn man sie am globalen Ölverbrauch misst: Das amerikanische
Militär, der größte einzelne Energieverbraucher der Welt, verbraucht 48
Millionen Liter Öl pro Tag, was etwas weniger als einem Siebtel des gesamten
deutschen Ölverbrauchs entspricht oder ungefähr so viel ist, wie ganz Schweden
in derselben Zeit vernutzt.
Bei allen Vorschlägen, die gegenwärtig zur Verminderung des
Kohlendioxidausstoßes kursieren, ist allerdings nie vom Militär die Rede. Das
Politische erscheint in der Debatte um eine Verminderung des Klimawandels ins
Private verschoben, und während jenes offenbar als nicht verhandelbar
erscheint, sind der Fantasie des Energiesparens im Leben des Einzelnen offenbar
keine Grenzen gesetzt. […..][…..]
Wäre ich heute ein Teenager, würde ich hoffen, daß sich
Typen wie ich irren, daß noch Hoffnung besteht.
Daher ermutige ich auch die Jugendlichen sich weiter bei XR
und „Fridays For Future“ zu engagieren.
Aber das ist jetzt Eure Sache. Die vorherigen Generationen haben
versagt und dabei waren einige, die sich wirklich engagierten und nicht dachten,
einen Like-Button auf Instagram anzuklicken sei ein veritabler Protest.
In meinem Greisenalter sitze ich mit laufenden Motor hinter
meinem Steuer und denke mir nur „Lass sie untergehen, die Menschheit. So
schnell wie möglich!“
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