Samstag, 5. Oktober 2019

Gegen den Strom

In den Internetfilterblasen sind die Meinungen erstaunlich homogen. Deswegen gedeihen dort Verschwörungstheorien besonders gut: Niemand widerspricht oder konfrontiert die herrschende Weltsicht mit lästigen Fakten.
Verschiedene Filterblasen können hingegen erstaunlich heterogen sein. Möglicherweise lebt der eigene Nachbar oder Bruder oder Arbeitskollege in einer so anderen Filterblase, daß es kaum noch geistige Gemeinsamkeiten gibt.
Der Fox-induzierte Trumpfan lebt gewissermaßen in einem anderen Universum als der liberale Mann gegenüber, der abends Rachel Maddow auf MSNBC zuhört.
Innerhalb der Geschäftsräume meiner veganen Friseurin gibt es eine völlig andere Gedankenwelt, als bei dem schwulen Paar, das oben drüber wohnt, offenbar mit großem Vergnügen zu Grillpartys einlädt und die ganze Gegend in Bratwurst-Stinkwolken hüllt.
Die Leserbriefschreiber der FAZ, die dortige Diskussionskultur stehen in keinem Zusammenhang mit den Troll-Attacken, die sich auf Facebook und Twitter über Bundespolitikern entladen.

Es gibt eigentlich nichts mehr, über das breiter gesellschaftlicher Konsens herrscht.
Klima, Trump, Parteien, Digitalisierung, Renten, EU, Impfen, Gesundheit, Homöopathie, Verkehr, Autos, Fleisch, Schlager, Kirche, Organspende, Homoehe, Putin, Bundeswehr, Plastik, Hunde.
Alles steht in Frage und wird von jeweils anderen gesellschaftlichen Kreisen vehement abgelehnt.

Aber es gibt immerhin eine Ausnahme; eine Sache verlangen Deppen und Kluge, Linke und Rechte, Frauen und Männer, Deutsche und Amerikaner, Alte und Junge, SPDler und CDUler, Linke und AfDler gleichermaßen penetrant:

Kinderfreundlichkeit. Wir sind zu wenig kinderlieb, brauchen mehr Kinder, mehr Hilfen für Familien, sollen junge Mütter alimentieren.

Und selbst dann wenn Kinder wirklich ganz fürchterlich nerven, weil die auf dem Spielplatz nebenan schreien wie am Spieß, ballt man nur die Faust in der Tasche, weil eben doch der Konsens besteht, daß man nichts gegen Kinder sagen sollte.

Ein kleines bißchen gehe ich diesen Weg mit. Zwar ärgern mich vorlaute und unerzogene Kinder regelmäßig in der Supermarktschlange oder beim Gemüsemann, aber auch ich rufe die nie zur Ordnung.
Ich unterlasse das aber nicht, weil ich Kinder so mag, sondern weil ich weiß, daß sie a) nichts dafür können und nur ein Opfer ihrer unfähigen Eltern sind und daß b) Mütter gemeingefährlich werden, wenn man ihre Brut kritisiert.

Ein einziges mal habe ich erlebt wie eine Mutter in einem REWE-Markt ihren ca vierjährigen Sohn fortwährend anbrüllte und schließlich coram publico derartig ins Gesicht schlug, daß der Kleine eine Riesensatz nach hinten in das Dosenregal machte.
Da wich ich von meiner Linie ab, mischte mich ein und verlangte, das Kind nicht zu schlagen.
Natürlich wurde sie daraufhin dermaßen ausfallend und ordinär, daß ich es schnell bereute. Allerdings konzentrierte sich dadurch ihre Wut so sehr auf mich, daß sie wenigstens davon abließ ihre Leibesfrucht zu vermöbeln.
Will sagen, Kinder, die nun schon mal geboren sind, darf man nicht dafür sanktionieren, daß sie Kinder sind.
Wenn eine kriminelle junge Mutter in den Knast kommt, ist ihr Kind automatisch mitbestraft. Das ist ungerecht. Aber Kinder zu haben, kann auch nicht vor Strafverfolgung schützen. Ein Dilemma.
Ebenso problematisch sind Kürzungen von Sozialleistungen, Hartz-Sanktionen, wenn junge Frauen unzuverlässige Säuferinnen sind, aber Kinder haben.
Und je prekärer die finanzielle und soziale Situation, desto wahrscheinlicher ist Kinderreichtum.
Wenn man den Eltern aber Mittel entzieht, leiden deren Kinder darunter, die nichts dafür können.
So gut wie alle DAX-Vorstände stammen von Eltern, die ebenfalls Manager waren.
So gut wie jeder Insasse eines Jugendknastes hat Eltern, die auch im Gefängnis saßen.
Ganz offensichtlich ist unsere Gesellschaft ungerecht und undurchlässig. Mit dem Zeitpunkt der Geburt, sind schon die Weichen gestellt. Daher verbietet es sich den Kindern aus ärmeren Familien die Chancen zusätzlich zu verschlechtern, indem man bei den Eltern den Rotstift ansetzt.
Existierende Kinder sollen daher auch nicht mein Thema sein.

Aber ich wehre mich vehement gegen den Unsinn immer mehr Kinder zu generieren, Schwangerschaften zu fördern.
Hier unterscheide ich mich deutlich zum Mainstream und zu nahezu allen Filterblasen.

Ich bin Antinatalist und sehe in der menschlichen Vermehrung das größte Unglück des Planeten.

(….) Siebeneinhalb Milliarden Individuen sind einfach zu viel, wenn man so einen gewaltigen Ressourcen-Verschleiß aufzuweisen hat.

Wir roden die letzten Wälder, treiben den Meeresspiegel hoch, lassen die Gletscher schmelzen, verseuchen die Böden, trocknen Seen aus, verdrängen so effektiv andere Tierarten, daß täglich mehrere aussterben.
Wir erodieren, planieren und asphaltieren Gebirge, buddeln Kohle aus, pumpen Gas und Öl aus der Tiefe, generieren Ozonloch und CO2-Hüllen.

Homo Sapiens lebt auf Kosten der anderen Spezies.
Homo Sapiens vermehrt sich inzwischen nahezu ungehindert.

Pro Jahr werden es 83.686.000 Menschen mehr, das sind 229.277 Menschen pro Tag; 159 Menschen pro Minute und 2,7 Menschen pro Sekunde.

Ein paar von denen kann man aushalten, aber ein Zehntel würde locker ausreichen. 750 - 800 Millionen betrug die Gesamtweltbevölkerung Ende des 18. Jahrhunderts. Die Eine Milliarde-Menschen-Marke wurde 1804 geknackt. Reicht das nicht?

Schon damals konnten wir Ebenbilder Gottes bekanntlich Kriege, Genozide und Ausbeutung ganzer Kontinente vollbringen, weil es genug Soldatennachschub gab, weil die Frauen im Durchschnitt so viele Söhne hatten, daß sie es hinnahmen, daß ab und zu einer davon „auf dem Feld der Ehre“ zerhackt oder zerfetzt wurde.

Der enorme Bevölkerungsdruck, die Verzehnfachung der Menschen in 200 Jahren führte aber zu noch viel mehr Konflikten, Kampf um Ressourcen, Massenmigrationen, Fluchtwellen.

In den Teilen der Welt, die ein sehr geringes Bevölkerungswachstum ausweisen, oder gar wie Deutschland, Japan, Südkorea und die baltischen Länder (Fertilitätsrate bis 1,3) schrumpfen, ist die Kriegsmüdigkeit hingegen recht ausgeprägt.
Verständlich, denn wenn man/frau bloß ein Kind hat, geht es ihm einerseits ökonomisch besser, so daß es weniger wahrscheinlich auf die Idee kommt Soldat zu werden und andererseits sind die Eltern auch protektiver, lassen ihre Kindern weniger gern in den Krieg ziehen.

Länder mit den höchsten Fertilitätsraten – Gaza 4,9 Jemen 5,0 Ruanda 5,3 Kongo 5,8 Uganda 6,1 Somalia 6,3 Ost-Timor 6,3 Afghanistan 6,4 – sind offenbar auch besonders unfriedlich, weil die enorme Kinderzahl die Ressourcen erschöpft, Konkurrenz entsteht und Eltern auch eher mal den Tod eines ihrer Blagen verkraften.

Wir brauchen also weniger Menschen und daher weniger Nachwuchs.
Es ist wohl auch kein Zufall, daß die Länder mit der höchsten Bevölkerungsdichte auch die mit den geringsten Geburtenraten sind. (…..)


[…..] "Womit de Giraud einen Großteil seiner Zeit verbringt, zeigt auch der Schuhkarton, den er mitgebracht hat. Darin ist eine Auswahl der Bücher, die er in den letzten fast zwanzig Jahren verfasst hat. Keins davon ist übersetzt, aber die Titel sprechen für sich: Von der Unverschämtheit, sich fortzupflanzen (2000), Einhundert Haikus zur Beschwörung der Toten (2004), Die Kunst, die Fortpflanzer zu guillotinieren: Antinatalistisches Manifest (2006), Diogenesen: fluoreszente Gedichte zur Zeit zwischen zwei Genoziden (2008). Aphorismensammlung zum Nutzen künftiger Familizide (2013). Alle seine Verleger seien pleite, sagt er. Wenn jemand ein Buch von ihm bestelle, müsse er selbst ein paar Euro drauflegen, damit ein Exemplar gedruckt werde." [….]

Dabei hat der gute Mann so RECHT!

[….] Der Schmerz ist immer größer als das Glück
Wie begründet man, dass nichtleben besser ist als leben? Erstens sei der Schmerz, den man im Leben erleide, immer intensiver und anhaltender als das Wohlgefühl, sagt de Giraud. "Vergleichen Sie mal eine Migräne mit einem Orgasmus." Zweitens sei das Unglück immer schon präsenter als das Glück: "Es ist viel schwieriger und unwahrscheinlicher, glücklich zu werden, als unglücklich zu sein." Drittens brächten Glücks- und Unglücksempfinden ein jeweils anderes Zeitgefühl mit sich: "Unglück dehnt die Zeit, Glück komprimiert sie." In der Summe ergebe das eine Existenz, die man besser gar nicht erst anfangen sollte. Glücklich ist, wer nicht geboren wird. […..]

Die hysterischen Reaktionen in der echten Welt, im Freundeskreis, in Amerika, in den sozialen Medien, auf Facebook, wenn man es wagt den Fertilisationsfetischismus zu kritisieren, werden mich nicht aufhalten.
Nein, ich werde nicht vor Erregung hyperventilierend gratulieren, wenn mir jemand „die freudige Nachricht“ mitteilt „guter Hoffnung“ zu sein.
Ich gratuliere lieber zur Vasektomie.

Wer unbedingt Kinder haben will, soll sich doch um eins derjenigen kümmern, die schon existieren. Myriaden kratzen jeden Tag durch Hunger ab. Millionen Kinder in Deutschland leben in sozial prekären Verhältnissen, in Kinderheimen, betreuten Wohngemeinschaften, Jugendknästen und auch auf der Straße.

Kümmert Euch doch erst mal um die, statt ständig noch mehr von diesen ökologischen Katastrophen zu fabrizieren.

[…..] Die alte Erde ist längst überfüllt. Und vermüllt, vergiftet, verpestet ist sie auch. Eine Abrechnung.
[…..][…..] Der gesamte Aufstieg des Menschen zum Herrn der Erde hat sich durch den Willen zum Mehr vollzogen, zum Nutzen, Erbeuten, Siegen. Niedergerungen, aufgegessen, ausgerottet haben unsere Ahnen die Tiere, in Ackerland verwandelt haben sie Wälder, Steppen, Wüsten - sich also die Erde wahrlich "untertan" gemacht, wie vom Gott der Bibel förmlich aufgefordert (1. Mose 1,28).
Viel Unheil richteten sie dabei zunächst nicht an - noch in der Ära der etwa 500 Millionen, die auf der Erde lebten, als Magallanes sie zum ersten Mal umrundete. Wenig auch bei den zwei Milliarden, als die ältesten der heute Lebenden zur Schule gingen. Fast acht Milliarden aber sind wir heute; auf elf Milliarden schätzen die UN uns am Ende des Jahrhunderts; und unaufhörlich steigen Produktion und Produktivität.
Es kann ja nie genug geben an Maschinen, Geräten, Apparaten, auf die zwar keiner gewartet hat, die aber eine emsige Industrie zu verkaufen versteht - und absolut verständlich ist der Wunsch, die Gier der armen Länder, es an Wohlstand, an Üppigkeit den reichen endlich gleichzutun. Aber die Unendlichkeit unserer Ansprüche wird zerschellen an der Endlichkeit der Erde. […..] Gibt es denn wenigstens eine Einsicht in das Unvermeidliche - und ist eine Institution, die die Macht hätte, den Verzicht, den "Rückschritt" durchzusetzen, auch nur vorstellbar? Würden Milliarden Menschen es ertragen, sparsam zu leben - und, fast noch provokanter, viel, viel weniger zu arbeiten? Der Wille zur Leistung hat uns groß gemacht - und die meisten Menschen treibt der Urwunsch, irgendwas auszurichten in der Welt. […..]

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