Samstag, 12. Oktober 2019

Die Ratte, die das sinkende Schiff nicht verlässt.

Hilfe, jetzt ist es schon so weit, daß ich ob des nerosk tobenden Trumps kleine Anflüge von Mitleid mit Mike Pence bekomme.
Der 60-Jährige hatte nach 12 Jahren im Repräsentantenhaus und vier Jahren als Gouverneur von Indiana sehr viel mehr Glück als Verstand, als er plötzlich zum US-Vizepräsidenten aufstieg und ob des großen Altersunterschiedes zum potus davon zu träumen begann dereinst mächtigster Mann der Welt zu werden.
Ein Job, der ihm wahrlich nicht in die Wiege gelegt wurde.

Der mutmaßlich schwule junge fromme Pence wollte zunächst katholischer Priester werden, aber selbst dazu fehlte ihm alles. Insbesondere Intelligenz und Charisma.
Wie so häufig bei lebenslang unterdrückter Homosexualität in extrem gläubigem Umfeld, blieb ihm nur die Kompensation durch Übererfüllung der Frömmigkeit gepaart mit radikaler öffentlicher Homophobie.
Er konvertierte zu der noch radikaleren und homophoben evangelikalen Grace Evangelical Church, heiratete 1985 Karen Sue Batten und stritt fortan gegen LGBTI-Rechte und für Konversionstherapien.
In einem ultrakonservativen Umfeld musste so ein Mann ohne Charisma, aber mit handfester Hass-Agenda nur abwarten bis 2000 der bisherige GOP Mandatsinhaber David M. McIntosh weiter aufstieg, um dessen Sitz im US-Repräsentantenhaus zu erben.
Ebenso verfuhr der schwulenhassende Evangelikale beim nächsten Karriereschritt im Jahr 2013: Er folgte seinem GOPer Buddy Mitch Daniels, der nach zwei Amtsperioden nicht mehr kandidieren durfte.
Als Gouverneur konnte er weiterhin kein Charisma generieren, sorgte aber immerhin weltweit für Aufsehen, als er den Erwartungen seiner evangelikalen Basis entsprechend  2015 eins der homophobsten Gesetze der USA, die „Religious Freedom Bill“ unterzeichnete, mit dem Ladenbesitzer mit Verweis auf ihren Glauben Dienstleistungen an Homosexuellen verweigern können.

So ein verklemmter Ultrakonservativer hat eigentlich kaum Chancen auf ein ganz großes Amt auf nationaler Ebene. Er ist weder originell, noch schlagfertig, noch verfügt er über irgendeine Qualifikation, außer daß er wunschgemäß all die absurden Ansichten der ultraradikalen Evangelikalen nachplappert. Da das hinlänglich bekannt ist, zitiere ich an dieser Stelle ausnahmsweise Wikipedia:

„Er fasste seine Überzeugung mit "Ich bin Christ, konservativ, Republikaner - In dieser Reihenfolge" zusammen.
Als Maßnahme gegen illegale Migration stellt Pence die Birthright Citizenship in Frage, die bei einer Geburt innerhalb der Vereinigten Staaten automatisch zur US-Staatsbürgerschaft berechtigt, da Einwanderer dadurch nicht mehr berechtigt werden, durch die Geburt eines Kindes eine dauerhafte Bleibemöglichkeit in den USA zu erhalten. Pence stimmte 2001 für den USA Patriot Act. Außenpolitisch unterstützte er 2003 den Irakkrieg. Pence befürwortet ein Flat Tax-System.
Sein Abstimmungsverhalten im Repräsentantenhaus weist ihn als Abtreibungsgegner und Gegner von LGBT-Gleichberechtigung aus. Pence akzeptiert den weitgehenden Konsens unter Wissenschaftlern nicht, dass die globale Erwärmung durch menschliches Handeln verursacht wird. Er zweifelt wissenschaftlich erwiesene Fakten wie die Gesundheitsschädlichkeit des Rauchens an. Pence befürwortet, dass neben anerkannter Wissenschaft auch Kreationismus in Schulen gelehrt wird und die Schüler selber entscheiden könnten, was richtig ist. Er unterstützt Intelligent Design, das sich gegen die Evolutionstheorie richtet.
Pence ist Anhänger des Prosperity Gospel und somit der Auffassung, dass entsprechend der Vorstellungen zur Prädestination Gottes materieller Reichtum und persönlicher Erfolg (oder aber Misserfolg) ein Beweis für die Gunst (oder Ungunst) Gottes seien, eine bei Anhängern fundamentalistischer Freikirchen verbreitete und gesamtgesellschaftlich umstrittene Ansicht.“

So einer konnte nach den acht vergleichsweise liberalen Obama-Jahren mit bundesweit erlaubter gay marriage keinen Blumentopf gewinnen.
Aber Pence hatte wieder einmal unverschämtes Glück: Die GOP-Präsidentschaftskandidatur lief auf einen Typen hinaus, der in so ziemlich jeder Hinsicht das Gegenteil des biederen, langweiligen, uncharismatischen, vom Lande stammenden Partei- und Kirchen-Soldaten Klemmschwester Pence war:
Trump, der schillernde New Yorker ohne irgendeine Partei- und Regierungserfahrung, der Pornosternchen vögelte, Behinderte nachäffte, von 19 Frauen der sexuellen Belästigung beschuldigt wurde und damit prahlte Pussys zu grabben.
Traditionell versuchen Parteien ein Ticket zu schaffen, bei dem der VP das ausgleicht, was der Spitzenkandidat nicht hat, um so größere Wählerschichten zu erreichen.
Also passte der biedere, ultrafromme GOP-Mann aus der Provinz perfekt.
Die Show, den Wahlkampf, die Finanzierung würde Trump liefern. Pence musste im Gegenzug nur still sein, durfte Trump niemals kritisieren und so durch seine pure Anwesenheit die evangelikalen und katholischen Wähler bei der Stange halten.

Und wer könnte besser durch öffentliches Schweigen und Verschweigen als PR-Aushängeschild dienen als Mike Pence, der seit über 30 Jahren vorgibt so monogam und heterosexuell zu sein, daß er sich strikt an die Graham-Regel hält, die nun auch Mike-Pence-Regel heißt: Niemals mit einer anderen Frau als der Ehefrau in einem Raum sein.

[….] 2002 [….] erklärte der Politiker, er hätte es sich zur Regel gemacht, niemals alleine mit einer Frau außer Karen Pence in einem Raum zu sein oder essen zu gehen. Außerdem würde er bei allen Veranstaltungen, bei denen Alkohol fließe, seine Ehefrau an seiner Seite wissen wollen oder sonst daheim bleiben. [….]

Pence war also der geborene Meister-Hypocrit, der als christlich-evangelikales Feigenblatt bis zur totalen Selbstaufgabe für den Kandidaten stritt, der sich Jahrzehnten mit Miss-Wahlen beschäftigte, immer wieder Pornodarstellerinnen für Sex und ihr späteres Schweigen bezahlte, mehrere Ehefrauen betrog.

Aus den glorreichen Tagen des 2016-Wahlkampfes und des ersten Trump-Kabinetts aus dem Januar 2017 ist fast niemand mehr geblieben außer den Fanatikern Kellyanne Conway und Stephen Miller hinter den Kulissen, sowie des stets stoisch an Trumps Seite stehenden Pence.
Alle anderen Berater, Sprecher, Minister, Beauftragten sind inzwischen schreiend weggelaufen.
Und zum Ende des Jahres 2019 scheinen sich endlich die drei Jahre Schweigen, die totale Selbstverleugnung, die nie dagewesene Heuchelei, das Lügen auszuzahlen: Trump gerät bei dem angedrohten Impeachment und durch seine radikal verrückte und korrupte Außenpolitik derart unter Druck, daß es nun doch nicht mehr ausgeschlossen scheint ihn vor dem Januar 2021 aus dem Amt zu schieben.
Dann könnte das eigentlich Ungeheuerliche und maximal Unwahrscheinliche passieren: Ein verklemmter, vollkommen ungeeigneter und radikal evangelikaler Provinz-Depp, der immer noch behauptet nicht schwul zu sein, könnte zum mächtigsten Mann der Welt werden.

Aus Pence‘ Sicht ist das nicht so abwegig. Alle anderen Trump-Alliierten wie Scaramucci, Hicks, Sanders mussten das sinkende Schiff verlassen, weil sie mutmaßlich noch viele weitere Jahre einen Job benötigen werden und sich nicht erlauben können durch die Nähe zu Trump für den Rest ihres Lebens so vergiftet zu sein, daß sie niemand mehr einstellen würde.
Pence aber hat nichts zu verlieren. Er ist schon 60, EX-Gouverneur und EX-Abgeordneter aus der Provinz, der nichts kann außer nachzurutschen, wenn der über ihm ausfällt.
Das ist seine Chance. Seine einzige. Wenn er Trump verließe und sich damit den donnergrollenden Zorn des tobenden Orangs zuzöge, hätte er keine Chance aus eigener Kraft noch irgendwo irgendetwas zu werden.
Also hält er weiter seinen Mund und leckt Trump artig dessen Füße.

Aber die ultimativen Karrierepläne des VP könnten zerplatzen, weil er immer noch die destruktive und bösartige Seite seines Chefs unterschätzt. Trump erwartet bedingungslose Loyalität, ist aber selbst radikal illoyal zu seinen Mitarbeitern. Gerät er unter Druck, wirft er mit Freude seine Freunde in das gegnerische Waffenfeuer. Er wollte doch Selenskyj gar nicht anrufen, tat das nur auf Wunsch von Rick Perry. Er wollte doch seinen Fixer Rudy gar nicht nach Kiew schicken; das war Pompeo.
Trump ist schiebt immer die Schuld auf andere und so war es auch sein erster Instinkt Pence mit Dreck zu bewerfen, als sich die Impeachmentscheinwerfer auf ihn gerichtet wurden.

Gut möglich, daß es Nero-Trump aus purer Bosheit gelingt bei einem Amtsenthebungsverfahren auch seinen VP mit in den Abgrund zu ziehen.

[….] Mike Pence ist dieser Tage eher selten in Washington. Der US-Vizepräsident tingelt lieber durch die Provinz, um Wahlkampf zu machen.


Doch selbst 1600 Kilometer von Washington entfernt konnte Pence dem Drama in der US-Hauptstadt nicht entkommen: Die Reporter fragten ihn nicht nach Iowas Landwirtschaft, sondern sofort nach der Ukraineaffäre.
[….]  Ob er gewusst habe, dass Donald Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gedrängt habe, gegen seinen demokratischen Rivalen Joe Biden zu ermitteln, wollte NBC-Korrespondent Vaughn Hillyard wissen. "Das ist Ihre Frage" murrte Pence - ohne sie zu beantworten. [….]  Pence [spielt] weiter den unbedarften Loyalisten, eine Rolle, die er perfektioniert hat, seit Trump ihn zum Vize gemacht hat. Doch die Ukraineaffäre bringt nun auch ihn in die Zwickmühle: Entweder hat er tatsächlich keine Ahnung - oder er ist ein Mitwisser. So oder so: Es scheint immer fraglicher, dass er einen Sturz Trumps schadlos übersteht.
Pence ist tiefer in den Skandal verstrickt, als er zugeben will. Trump wies ihn an, nicht an der Vereidigung des ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Mai teilzunehmen. Erst im September traf er sich mit Selenskyj, um Trumps Forderungen an die Ukraine zu vertreten. Was genau besprochen wurde, bleibt unklar. Unter Strafandrohung haben die Demokraten nun auch von Pence interne Papiere angefordert, um seine Rolle in der Affäre aufzuklären.
[….]  Bisher hielt sich Pence bei allen Skandalen im Hintergrund, doch in der Ukraineaffäre fällt ihm das immer schwerer. Schon wird gemunkelt, dass der Skandal auch ihn stürzen könnte, ob durch Impeachment oder gerichtliche Anklage - ein Schicksal, das einst auch Richard Nixons Vizepräsident Spiro Agnew drohte. [….]

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