Hilfe, jetzt ist es schon so weit, daß ich ob des nerosk
tobenden Trumps kleine Anflüge von Mitleid mit Mike Pence bekomme.
Der 60-Jährige hatte nach 12 Jahren im Repräsentantenhaus
und vier Jahren als Gouverneur von Indiana sehr viel mehr Glück als Verstand,
als er plötzlich zum US-Vizepräsidenten aufstieg und ob des großen
Altersunterschiedes zum potus davon zu träumen begann dereinst mächtigster Mann
der Welt zu werden.
Ein Job, der ihm wahrlich nicht in die Wiege gelegt wurde.
Der mutmaßlich schwule junge fromme Pence wollte zunächst
katholischer Priester werden, aber selbst dazu fehlte ihm alles. Insbesondere
Intelligenz und Charisma.
Wie so häufig bei lebenslang unterdrückter Homosexualität in
extrem gläubigem Umfeld, blieb ihm nur die Kompensation durch Übererfüllung der
Frömmigkeit gepaart mit radikaler öffentlicher Homophobie.
Er konvertierte zu der noch radikaleren und homophoben evangelikalen
Grace Evangelical Church, heiratete 1985 Karen Sue Batten und stritt fortan
gegen LGBTI-Rechte und für Konversionstherapien.
In einem ultrakonservativen Umfeld musste so ein Mann ohne
Charisma, aber mit handfester Hass-Agenda nur abwarten bis 2000 der bisherige GOP
Mandatsinhaber David M. McIntosh weiter aufstieg, um dessen Sitz im US-Repräsentantenhaus
zu erben.
Ebenso verfuhr der schwulenhassende Evangelikale beim
nächsten Karriereschritt im Jahr 2013: Er folgte seinem GOPer Buddy Mitch Daniels,
der nach zwei Amtsperioden nicht mehr kandidieren durfte.
Als Gouverneur konnte er weiterhin kein Charisma generieren,
sorgte aber immerhin weltweit für Aufsehen, als er den Erwartungen seiner
evangelikalen Basis entsprechend 2015 eins
der homophobsten Gesetze der USA, die „Religious Freedom Bill“ unterzeichnete,
mit dem Ladenbesitzer mit Verweis auf ihren Glauben Dienstleistungen an Homosexuellen
verweigern können.
So ein verklemmter Ultrakonservativer hat eigentlich kaum
Chancen auf ein ganz großes Amt auf nationaler Ebene. Er ist weder originell,
noch schlagfertig, noch verfügt er über irgendeine Qualifikation, außer daß er
wunschgemäß all die absurden Ansichten der ultraradikalen Evangelikalen
nachplappert. Da das hinlänglich bekannt ist, zitiere ich an dieser Stelle ausnahmsweise Wikipedia:
„Er fasste seine Überzeugung mit "Ich bin Christ, konservativ, Republikaner - In dieser Reihenfolge" zusammen.
Als Maßnahme gegen illegale Migration stellt Pence die Birthright
Citizenship in Frage, die bei einer Geburt innerhalb der Vereinigten Staaten
automatisch zur US-Staatsbürgerschaft berechtigt, da Einwanderer dadurch nicht
mehr berechtigt werden, durch die Geburt eines Kindes eine dauerhafte
Bleibemöglichkeit in den USA zu erhalten. Pence stimmte 2001 für den USA
Patriot Act. Außenpolitisch unterstützte er 2003 den Irakkrieg. Pence befürwortet
ein Flat Tax-System.
Sein Abstimmungsverhalten im Repräsentantenhaus weist ihn als
Abtreibungsgegner und Gegner von LGBT-Gleichberechtigung aus. Pence akzeptiert
den weitgehenden Konsens unter Wissenschaftlern nicht, dass die globale
Erwärmung durch menschliches Handeln verursacht wird. Er zweifelt
wissenschaftlich erwiesene Fakten wie die Gesundheitsschädlichkeit des Rauchens
an. Pence befürwortet, dass neben anerkannter Wissenschaft auch Kreationismus
in Schulen gelehrt wird und die Schüler selber entscheiden könnten, was richtig
ist. Er unterstützt Intelligent Design, das sich gegen die Evolutionstheorie
richtet.
Pence ist Anhänger des Prosperity Gospel und somit der Auffassung, dass
entsprechend der Vorstellungen zur Prädestination Gottes materieller Reichtum
und persönlicher Erfolg (oder aber Misserfolg) ein Beweis für die Gunst (oder
Ungunst) Gottes seien, eine bei Anhängern fundamentalistischer Freikirchen
verbreitete und gesamtgesellschaftlich umstrittene Ansicht.“
So einer konnte nach den acht vergleichsweise liberalen
Obama-Jahren mit bundesweit erlaubter gay
marriage keinen Blumentopf gewinnen.
Aber Pence hatte wieder einmal unverschämtes Glück: Die
GOP-Präsidentschaftskandidatur lief auf einen Typen hinaus, der in so ziemlich
jeder Hinsicht das Gegenteil des biederen, langweiligen, uncharismatischen, vom
Lande stammenden Partei- und Kirchen-Soldaten Klemmschwester Pence war:
Trump, der schillernde New Yorker ohne irgendeine Partei- und Regierungserfahrung, der Pornosternchen vögelte, Behinderte nachäffte, von 19 Frauen der sexuellen Belästigung beschuldigt wurde und damit prahlte Pussys zu grabben.
Trump, der schillernde New Yorker ohne irgendeine Partei- und Regierungserfahrung, der Pornosternchen vögelte, Behinderte nachäffte, von 19 Frauen der sexuellen Belästigung beschuldigt wurde und damit prahlte Pussys zu grabben.
Traditionell versuchen Parteien ein Ticket zu schaffen, bei
dem der VP das ausgleicht, was der Spitzenkandidat nicht hat, um so größere Wählerschichten
zu erreichen.
Also passte der biedere, ultrafromme GOP-Mann aus der
Provinz perfekt.
Die Show, den Wahlkampf, die Finanzierung würde Trump
liefern. Pence musste im Gegenzug nur still sein, durfte Trump niemals
kritisieren und so durch seine pure Anwesenheit die evangelikalen und
katholischen Wähler bei der Stange halten.
Und wer könnte besser durch öffentliches Schweigen und
Verschweigen als PR-Aushängeschild dienen als Mike Pence, der seit über 30
Jahren vorgibt so monogam und heterosexuell zu sein, daß er sich strikt an die
Graham-Regel hält, die nun auch Mike-Pence-Regel heißt: Niemals mit einer
anderen Frau als der Ehefrau in einem Raum sein.
[….] 2002 [….] erklärte der
Politiker, er hätte es sich zur Regel gemacht, niemals alleine mit einer Frau
außer Karen Pence in einem Raum zu sein oder essen zu gehen. Außerdem würde er
bei allen Veranstaltungen, bei denen Alkohol fließe, seine Ehefrau an seiner
Seite wissen wollen oder sonst daheim bleiben. [….]
Pence war also der geborene Meister-Hypocrit, der als christlich-evangelikales
Feigenblatt bis zur totalen Selbstaufgabe für den Kandidaten stritt, der sich
Jahrzehnten mit Miss-Wahlen beschäftigte, immer wieder Pornodarstellerinnen für
Sex und ihr späteres Schweigen bezahlte, mehrere Ehefrauen betrog.
Aus den glorreichen Tagen des 2016-Wahlkampfes und des
ersten Trump-Kabinetts aus dem Januar 2017 ist fast niemand mehr geblieben
außer den Fanatikern Kellyanne Conway und Stephen Miller hinter den Kulissen,
sowie des stets stoisch an Trumps Seite stehenden Pence.
Alle anderen Berater, Sprecher, Minister, Beauftragten sind inzwischen
schreiend weggelaufen.
Und zum Ende des Jahres 2019 scheinen sich endlich die drei
Jahre Schweigen, die totale Selbstverleugnung, die nie dagewesene Heuchelei,
das Lügen auszuzahlen: Trump gerät bei dem angedrohten Impeachment und durch
seine radikal verrückte und korrupte Außenpolitik derart unter Druck, daß es
nun doch nicht mehr ausgeschlossen scheint ihn vor dem Januar 2021 aus dem Amt
zu schieben.
Dann könnte das eigentlich Ungeheuerliche und maximal
Unwahrscheinliche passieren: Ein verklemmter, vollkommen ungeeigneter und radikal
evangelikaler Provinz-Depp, der immer noch behauptet nicht schwul zu sein,
könnte zum mächtigsten Mann der Welt werden.
Aus Pence‘ Sicht ist das nicht so abwegig. Alle anderen
Trump-Alliierten wie Scaramucci, Hicks, Sanders mussten das sinkende Schiff
verlassen, weil sie mutmaßlich noch viele weitere Jahre einen Job benötigen
werden und sich nicht erlauben können durch die Nähe zu Trump für den Rest
ihres Lebens so vergiftet zu sein, daß sie niemand mehr einstellen würde.
Pence aber hat nichts zu verlieren. Er ist schon 60,
EX-Gouverneur und EX-Abgeordneter aus der Provinz, der nichts kann außer
nachzurutschen, wenn der über ihm ausfällt.
Das ist seine Chance. Seine einzige. Wenn er Trump verließe
und sich damit den donnergrollenden Zorn des tobenden Orangs zuzöge, hätte er
keine Chance aus eigener Kraft noch irgendwo irgendetwas zu werden.
Also hält er weiter seinen Mund und leckt Trump artig dessen
Füße.
Aber die ultimativen Karrierepläne des VP könnten
zerplatzen, weil er immer noch die destruktive und bösartige Seite seines Chefs
unterschätzt. Trump erwartet bedingungslose Loyalität, ist aber selbst radikal
illoyal zu seinen Mitarbeitern. Gerät er unter Druck, wirft er mit Freude seine
Freunde in das gegnerische Waffenfeuer. Er wollte doch Selenskyj gar nicht
anrufen, tat das nur auf Wunsch von Rick Perry. Er wollte doch seinen Fixer
Rudy gar nicht nach Kiew schicken; das war Pompeo.
Trump ist schiebt immer die Schuld auf andere und so war es
auch sein erster Instinkt Pence mit Dreck zu bewerfen, als sich die
Impeachmentscheinwerfer auf ihn gerichtet wurden.
Gut möglich, daß es Nero-Trump aus purer Bosheit gelingt bei
einem Amtsenthebungsverfahren auch seinen VP mit in den Abgrund zu ziehen.
[….] Mike Pence ist dieser Tage eher selten in Washington. Der
US-Vizepräsident tingelt lieber durch die Provinz, um Wahlkampf zu machen.
Doch selbst 1600 Kilometer von Washington entfernt konnte Pence dem
Drama in der US-Hauptstadt nicht entkommen: Die Reporter fragten ihn nicht nach
Iowas Landwirtschaft, sondern sofort nach der Ukraineaffäre.
[….] Ob er gewusst habe, dass Donald
Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gedrängt habe, gegen
seinen demokratischen Rivalen Joe Biden zu ermitteln, wollte NBC-Korrespondent
Vaughn Hillyard wissen. "Das ist Ihre Frage" murrte Pence - ohne sie
zu beantworten. [….] Pence [spielt] weiter den unbedarften Loyalisten, eine Rolle, die er perfektioniert
hat, seit Trump ihn zum Vize gemacht hat. Doch die Ukraineaffäre bringt nun
auch ihn in die Zwickmühle: Entweder hat er tatsächlich keine Ahnung - oder er
ist ein Mitwisser. So oder so: Es scheint immer fraglicher, dass er einen Sturz
Trumps schadlos übersteht.
Pence ist tiefer in den Skandal verstrickt, als er zugeben will. Trump
wies ihn an, nicht an der Vereidigung des ukrainischen Präsidenten Selenskyj im
Mai teilzunehmen. Erst im September traf er sich mit Selenskyj, um Trumps
Forderungen an die Ukraine zu vertreten. Was genau besprochen wurde, bleibt
unklar. Unter Strafandrohung haben die Demokraten nun auch von Pence interne
Papiere angefordert, um seine Rolle in der Affäre aufzuklären.
[….] Bisher hielt sich Pence bei
allen Skandalen im Hintergrund, doch in der Ukraineaffäre fällt ihm das immer
schwerer. Schon wird gemunkelt, dass der Skandal auch ihn stürzen könnte, ob
durch Impeachment oder gerichtliche Anklage - ein Schicksal, das einst auch
Richard Nixons Vizepräsident Spiro Agnew drohte. [….]
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