Mittwoch, 16. Oktober 2019

Wenn wir den Kampf gegen rechts ernst nehmen…

Grundsätzlich finde ich Mannschaftssportarten abartiger als Individualsport, da immer eine nationalistische Komponente hineinspielt.
Der Fan kann sich bei Dutzenden verschiedenen Mitspielern nicht nach Sympathie orientieren, sondern feuert entlang der Staatsbürgerschaft an.
Widerlich und unsportlich.
Fußball interessiert mich so wenig wie die meisten anderen Sportarten, ist mir aber unsympathischer als die meisten, da er das Mediengeschehen so sehr dominiert. Von internationalen Newssender, über soziale Medien und renommierte überregionale Zeitungen bis zum trashigen Lokalblatt  - keiner verzichtet darauf Fußballmeldungen an prominenter Stelle zu bringen.

Damit wird mustergültig die Unfähigkeit des Menschen zum Gutsein demonstriert.
Statt sich auf wesentliches wie den Welthunger, Kriege, Massenflucht, Trump, Brexit und Klimakatastrophe zu konzentrieren, verschwendet Homo Demens seine Ratio damit einem eher primitiven Ballspiel zu folgen.

(…..) Besonders ärgerlich ist es für mich als TV-Gebührenzahler auch noch mit dafür zu sorgen, daß hochkorrupte rechtslastige Krakenorganisationen wie die Fifa jedes Jahr Milliarden Euro einnehmen.
Ich will verdammt noch mal nicht solche Funktionäre wie Mayer-Vorfelder oder Blatter mitfinanzieren, nur weil ich einen Fernseher besitze.
Da Christoph Schwennicke im April 2013 Fußball so wunderbar charakterisiert hat, muß ich das in einzelnen nicht selbst formulieren, sondern schließe mich dem an und lese seine Suada noch einmal genüsslich…

 […] Ich finde Fußball doof. Nein, ich finde Fußball grässlich – und ungemein langweilig. Ein Reigen alter Männer steht am Rand und schreit herum, viele mehr oder weniger junge Männer rennen auf einer Wiese herum, erst alle nach links, dann Ballverlust, dann wieder nach rechts, Ballverlust, wieder nach links.
[…] Fußballgucken finde ich, ist Ödnis in Vollendung, die überflüssigste Sache der Welt. Dann doch lieber Minigolfspielen, oder Monopoly, und das ist schon ganz schön schlimm öde.
Wer meine, wie ich finde, einzig vertretbare Grundeinstellung zum Fußball hat, bekommt ganz viel Lebenszeit geschenkt. Ganze Wochenenden verplempern Fußballbegeisterte an diese ungemein primitive Sportart. Dekaden an sinnlos verbrachter Lebenszeit kommen da zusammen.
[…] Dieses Spiel ist unästhetisch und ordinär. Schon der Klang, wenn der Ball getreten wird, macht mich übellaunig. Es ist ein zutiefst ordinäres Geräusch, es klingt so ähnlich wie die Schläge von Bud Spencer in den alten Prügelfilmen mit Terence Hill. Die Spieler haben keine Manieren, tun sich absichtlich weh, sind nicht nur furchtbar verschwitzt, sondern oft auch noch sehr verdreckt und vom Regen pitschenass und rotzen dauernd auf die Wiese. Manchmal sogar ins Nackenhaar eines Gegners. Das ist so unappetitlich. […]

Und gerade wenn man denkt, das Schlimmste sei vorbei, weil Deutschland das WM-Finale unter dem Böllergeknalle ganz Deutschlands gewonnen hat, schaltet man den Fernseher ein und schon wieder spielen Argentinien und Deutschland gegeneinander. (…..)

Da ich Laie bin, kann ich nicht selbst beurteilen, wieso ausgerechnet Fußball weltweit so viel populärer als Wasserball oder Polo ist, oder warum ausgerechnet die USA aus diesem Welttrend ausscheiden und sich stattdessen auf Base- und Basket- und Football konzentrieren.
Es gibt allerdings den Spruch von den „82 Millionen Bundestrainern“, der offenbar suggerieren soll Fußball wäre so primitiv, daß auch der Dümmste ohne irgendeine Vorbildung mitreden und „mitfiebern“ könne.
Das erscheint mir einleuchtend; schließlich ist Fußball sehr viel langsamer als die meisten anderen Ballsportarten; gewissermaßen eine vereinfachte Zeitlupenversion von Eishockey oder Handball. Zudem ist die Zählweise radikal primitiv; wer bis drei zählen kann, ist schon mit dabei. Kein Vergleich zu der Zählweise beim Tennis oder Basketball.

Fußball zieht daher solche Massen an, daß er sakrosankt wird. Keiner kann sich erlauben sich als Fußballbanause oder Desinteressierter zu outen.
Es gibt Menschen, die sich kein bißchen dafür interessieren, aber dennoch vor Schichtbeginn am Montagmorgen die Bundesligageschehnisse studieren, weil sie wissen es wird unter den Arbeitskollegen wieder tagesfüllendes Thema sein.
Wer nicht ausgegrenzt werden will, sollte sich mit den Grundbegriffen und wichtigsten Ergebnissen wappnen.

Nur die Macht der Masse erlaubt es dem Fußball weiterhin gesellschaftspolitisch hundert Jahre zurück zu hängen.
Frauen spielen de facto keine Rolle, es gibt nach wie vor weltweit keinen einzigen geouteten schwulen Spitzenspieler, weil das Fußballer-Milieu dumpf-intolerant ist, es wird dem Rassismus gefrönt und in jedem Stadion sind die Fanblocks von Nazis und Hooligans durchsetzt.

Während man nach den Morden und dem Anschlag auf die Synagoge in Halle wieder einmal „entschlossene Maßnahmen gegen rechts“ fordert, wird aber ein rechtspopulistischer Sumpf im Umfeld des Fußballs weiterhin geduldet.

Da darf man Schwule hassen, Schwarze mit Affenlauten diskriminieren, sexistisch rumgrölen, sich prügeln und natürlich auch antisemitisch poltern.

Klar, ab und an wird mal ein einzelner Spieler ausgeschlossen, der sich wie Daniel Frahn, der Kapitän des Chemnitzer FC für die „NS-Boys“ begeistert, oder wie der St. Paulianer Cenk Sahin, der sich angesichts des Völkermordes in Nordsyrien für den Völkermörder Erdogan engagiert, aber das sind natürlich nur Bauernopfer.
Kleine Symptome, die man schnell abstellen kann, damit die Diskussionen darüber erstickt werden, wieso eigentlich der Fußball weltweit so anziehend für Untermenschenideologien ist.

Es gibt gerade mal einen ernsthaften Film – „Mario“ - über einen schwulen Profifußballer, der aber von seinem Verein gezwungen wird die Peinlichkeit zu verschleiern und schließlich mit einer engagierten Alibifreundin nach Hamburg zieht, um beim FC St. Pauli als echter Hetero anzuheuern.
Der Regisseur hatte selbstverständlich so gut wie keine Möglichkeiten zur Recherche in der Szene.

[…..] Szene: Auf mich wirkt er tatsächlich sehr authentisch. Wie haben Sie recherchiert? Haben Sie mit betroffenen Spielern gesprochen?
Marcel Gisler: Nein, da herrscht ja eine große Mauer des Schweigens. Man kann nicht mit aktiv spielenden schwulen Profifußballern sprechen, weil die sich aus mir inzwischen nachvollziehbaren Gründen ja nicht zu erkennen geben. […..] Bislang war das Feedback aus Fuß­ballkreisen sehr spärlich, obwohl der Film bereits in mehreren Ländern im Kino lief. In der Schweiz kamen einige Funktionäre zu den Premieren in den jeweiligen Städten, aber von Spielern, auch von heterosexuellen, habe ich überhaupt nichts gehört, auch nicht, ob da intern irgendwie darüber geredet wird. Nur aus Deutschland habe ich inzwischen von einigen Insidern gehört, dass der Film innerhalb der Fußballszene sehr wohl bemerkt wird, allerdings in manchen Fällen nicht unbe­dingt auf positive Resonanz stößt. [….]

Wo die Spieler und Funktionäre schweigen, können die Fans ihren Schwulenhass laut und überdeutlich ausleben.
In Frankreich wird es gelegentlich so rabiat, daß Spiele unterbrochen werden müssen.
Aber selbstverständlich stellt niemand den Fußball, die offensichtliche Wurzel des Übels in Frage.

[….] Fußball in Frankreich:Homophob - oder einfach bloß dumm?
Homophobie auf den Rängen wird zum Problem in Frankreichs Fußball.
[….] Die größte Aufregung gab es um die Partie OGC Nizza gegen Olympique Marseille. Die Heimfans sangen "Die Marseiller sind Schwuchteln", was sich auf Französisch auch noch reimt, sowie einiges mehr. Dazu rollten sie auf der Tribüne Banner mit homophoben Beschimpfungen aus. In der 28. Minute unterbrach der Schiedsrichter die Begegnung deshalb und schickte die Spieler in die Kabine. Zuvor hatte er über den Stadionsprecher zwei Vorwarnungen an die Fans von Nizza richten lassen. Zwölf Minuten dauerte es, bis die Banner verschwunden und die diskriminierenden Gesänge verstummt waren. Das Spiel konnte weitergehen. Das war Ende August, und es ist nicht die einzige Spielunterbrechung wegen schwulenfeindlicher Fans in Frankreich: In der noch jungen Saison wurden schon sieben Spiele der ersten und zweiten Liga ausgesetzt. Auch in der deutschen Bundesliga treten homophobe Einstellungen immer wieder offen zutage - etwa, wenn Dortmund-Fans beim Revierderby Schalker Anhänger auf Bannern als Schwuchteln beschimpfen. Große Debatten darum bleiben bisher aber meist aus. [….]  Antoine Griezmann - der allerdings in der spanischen Liga beim FC Barcelona spielt - möchte sogar von sich aus auf Abfälligkeiten gegen Schwule reagieren: "Homophobie ist keine Meinung, sondern ein Vergehen. Wenn sich einer auf dem Platz schwulenfeindlich äußert, werde ich künftig mit dem Spielen aufhören", versprach Griezmann im Mai dem Schwulenmagazin Têtu.
Le Graët und einige Fan-Vereinigungen dagegen sehen das alles nicht so streng. Der 77-jährige FFF-Chef fürchtet die Stigmatisierung seines Sports: "Zu sagen, dass Fußball homophob ist und das einzige Symbol für Homophobie in Frankreich sein könnte, das akzeptiere ich nicht", sagt Le Graët. [….] Zusätzliche Brisanz erhält die Sache durch eine persönliche Fehde: Vor ein paar Monaten hatte sich Le Graët über Sportministerin Maracineanu mokiert, weil sie sich entsetzt gezeigt hatte über schwulenfeindliche Gesänge im Stadion. Maracineanu, eine Ex-Schwimmweltmeisterin, sei so etwas aus Schwimmbädern eben nicht gewohnt, ätzte Le Graët damals. Jetzt kontert sie. Le Graëts Position sei schlicht "falsch" und zeuge von "mangelhafter Vorbereitung", so die Ministerin. Im Klartext: Le Graët sei nicht auf der Höhe der Zeit. [….]

Wenn sich wie im Fußball schon menschenverachtenden Einstellungen wie Homophobie und Nationalismus treffen, sind die anderen ultrarechten Grundübel auch nicht weit.

Vor wenigen Tagen erlebte die englische Nationalmannschaft, deren Fans als besonders gewalttätige Proleten weltweit gefürchtet sind, in Bulgarien wie sich purer Rassismus anfühlt.

[…..] Rassismus im EM-Qualifikationsspiel England gegen Bulgarien
[….] Der englische Fußballverband FA fordert nach rassistischen Vorfällen beim EM-Qualifikationsspiel gegen Bulgarien Konsequenzen. [….] Die Partie war in der ersten Halbzeit zweimal wegen rassistischer Äußerungen von bulgarischen Fans unterbrochen worden. [….] Chelsea-Angreifer Tammy Abraham hatte vor der Begegnung angekündigt, dass das Team den Rasen bei rassistischen Vorfällen verlassen werde. Das taten sie nun aber nicht. [….] In einem Video, das bei Twitter veröffentlicht wurde, sieht man, wie Southgate während des Spiels den Vierten Offiziellen auf die Affenlaute von den Tribünen gegen seinen Spieler Tyrone Mings hinweist. Und man erkennt Fans, die den Hitlergruß zeigen. [….] Bereits in den Spielen gegen den Kosovo und Tschechien waren die bulgarischen Zuschauer durch rassistischen Anfeindungen aufgefallen. Deswegen blieben gegen England Teile der Tribüne geschlossen. [….]

Rasender Menschenhass, Myriadenfacher Rassismus. Konsequenzen de facto keine. Es wird weiter Fußball gespielt.
Die Klammer, die aber alle Fußballfans zusammenhält ist der Antisemitismus, der allgegenwärtig ist.

[….]  Antisemitismus: "Jude ist die größte Beleidigung im Fußball"
Nur in Stadien ist es großen Gruppen möglich, antisemitisch zu brüllen. Der Forscher Florian Schubert hat viele Entschuldigungstaktiken gefunden. Und zögerliche Verbände.


[….] ZEIT ONLINE: Herr Schubert, Sie haben in Deutschland einen Fußballantisemitismus diagnostiziert. Was ist das?
Florian Schubert: Es gibt kaum jüdische Profis, keine jüdischen Vereine in den obersten Ligen, aber es kommt vor, dass hunderte oder gar mehr Fans zusammen "Judenverein" brüllen. Das geschieht sonst nirgends, noch nicht mal auf Neonazidemos. Das gibt es nur im Fußball.
ZEIT ONLINE: Haben Sie dafür eine Erklärung?
Schubert: Ich sehe mehrere: Die meisten Fans fühlen sich nicht angesprochen, dementsprechend werden antisemitische Rufe oft nicht verurteilt. Die umstehenden reagieren nicht. Das Phänomen bleibt bestehen. [….]  Erstaunlich finde ich, dass sich auch Fanszenen beteiligen, die ein rechtes Image von sich weisen. Ich glaube, das liegt daran, dass Antisemitismus die stärkste Ausdrucksform ist, um den Gegner zu erniedrigen. 2005 malten Cottbuser Fans beim Spiel gegen Dynamo Dresden ein Transparent, auf dem stand: "Juden", das "d" war dem Dynamo-Wappen nachempfunden. Es war die Reaktion der Cottbuser Fans auf das Hinspiel, bei dem die Dresdner die Cottbuser "Zigeuner" nannten. Die Cottbuser mussten in ihrer Fanlogik nachlegen und haben den Begriff gewählt, von dem sie denken, dass er noch abwertender ist. Das wurde mir in meinen Interviews immer wieder bestätigt: "Jude" ist die höchstmögliche Abwertung im Fußball. [….]

Statt die „Gamerszene zu beobachten“ sollte Bundeshorstminister Seehofer als Sofortmaßnahme nach den weltweit für Empörung sorgenden Taten von Halle, lieber ein generelles Fußball-Verbot aussprechen, um den Sumpf trocken zu legen.

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