Donnerstag, 21. November 2019

Markenkerne

Natürlich können und müssen sich Parteien etwas verbiegen können.
Manchmal machen sie das auch etwas sehr stark, so daß man sich wundert wie die Wähler das akzeptieren können.
Man denke nur an die Hamburger Grünen, die sich mit der Post-Schill-CDU paarten, brutale Abschiebungen, Brechmitteleinsatz mit Todesfolge akzeptierten, die größte CO2-Dreckschleuder Moorburg genehmigten und sogar ohne Not den Vollhöfner Wald abholzen lassen wollten.

Und wie hat es eigentlich ausgerechnet das ehemalige NSdAP-Mitglied Strauß, der stramm rechte Kommunistenfresser geschafft mit einem Milliardenkredit zum Retter der SED-Diktatur zu werden, ohne Wählereinbußen zu erleiden?

Immerhin, die CDU führte unter Merkel die Abschaffung der Wehrpflicht und den Ausstieg aus der Atomenergie durch.

Es gibt aber Grenzen. Unverrückbare politische Überzeugungen, die eine Partei unter keinen auch noch so abstrusen Umständen verraten würde.

Niemals würde die FDP für die Abschaffung der privaten Krankenversicherungen plädieren;
niemals könnte die SPD akzeptieren höhere Bildung auf reiche Kinder in Privatschulen zu beschränken;
niemals gäbe es ein Ja der Links-Partei zur Steuerbefreiung für Superreiche à la Trump und garantiert
niemals würde die AfD alle Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen.

Die radikalste Kehrtwendung überhaupt durchlebte allerdings in den letzten drei Jahren die GOP. Die Partei des gegenwärtigen US-Präsidenten warf schon mehrere ihrer einst unverrückbaren Alleinstellungsmerkmale in den Orkus, um nach einer spektakulären Wende in die diametral entgegengesetzte Richtung zu rasen.
Extremes Lügen und Heucheln waren immer republikanischer Markenkern – so wie bei allen anderen rechtsextremen anti-intellektuellen Strömungen weltweit.

Für die amerikanische Grand Old Party gab es aber auch die ultrawichtigen Grundüberzeugungen der frömmelnden Prüderie, des Hasses auf Russland (und/oder den Kommunismus) und das Selbstverständnis als „Deficit Hawks“.
Man hatte unter allen Umständen fiscally conservative zu sein! Keine Staatsausgaben, das Defizit muss verkleinert werden, keine neuen Schulden.
Beim kleinsten Anzeichen von ehelicher Untreue galt man als untragbar. „Adultery“, schon das Wort war so schlimm, daß man es nicht aussprechen mochte.

 Als George W. Bush, potus #43 einst wagte auf seiner Ranch die Füße auf den Tisch zu legen, herrschte ihn seine Mutter Barbara, First Lady des potus #41 an.
Das zieme sich nicht für einen US-Präsidenten.
GWBs Nachfolger, potus #44 ging noch einen Schritt weiter; er betrat den Oval Office eines Tages ohne Krawatte.
Die verklemmten, prüden Republikaner schäumten.

[…..] At least one prominent former Bush official has the following message for President Obama: I don’t care if it’s warm enough to grow orchids in the Oval Office. Put your suit jacket on.
In an interview scheduled to run Wednesday night, Andrew H. Card Jr. told the syndicated news show Inside Edition that “there should be a dress code of respect” in the White House and that he wished Mr. Obama “would wear a suit coat and tie.”
Mr. Card, who was George W. Bush’s first chief of staff, becomes the first member of that famously buttoned-up administration to criticize the more relaxed Obama dress code.
[…..] Mr. Card also said:
“The Oval Office symbolizes…the Constitution, the hopes and dreams, and I’m going to say democracy. And when you have a dress code in the Supreme Court and a dress code on the floor of the Senate, floor of the House, I think it’s appropriate to have an expectation that there will be a dress code that respects the office of the President.” […..]

Aber dann kam 2016 und die frigiden Frömmler wählten einen zutiefst vulgären Proleten, der notorisch untreu ist, Dutzende Pornosternchen und sonstige Frauen der Subwelt begattete, zwei Ehefrauen verließ, von unzähligen Busen wegen sexueller Belästigung und/oder Vergewaltigung verklagt wurde, öffentlich damit prahlte verheirateten Frauen an die „Pussy zu grabschen“, die US-Verfassung verachtet, öffentlich erklärt kommunistische Diktatoren zu lieben, seine ostentative Bewunderung für Putin zelebriert und nebenher in Rekordzeit das US-Haushaltsdefizit um zwei Trillionen Dollar aufblähte.
Dieser 14.000-fache Lügner, der jeden Tag auf’s Neue mit seiner sagenhaften Vulgarität verblüfft.
Während der heutigen Zeugenanhörungen im Kongress bepöbelte der mächtigste Mann der Welt, US-Präsident Donald J. Trump Chairman Adam Schiff und die demokratischen Abgeordneten als „human scum“; dafür wäre „menschlicher Abschaum“ noch eine euphemistische Übersetzung.



Mike Pence, ein Mann so ultrafromm und streng moralisch, daß er mit keiner Frau außer seiner eigenen allein in einem Raum sein kann, stellt sich also voller Bewunderung hinter den Proleten, der lügt wie gedruckt und aus dem Oval Office, dem edelsten und ethisch höchst stehenden Raum der USA Tiraden über Scum ablässt in dritter Ehe mit einer Nacktmodel-Katalogbraut verheiratet ist, vom „grabb em by the pussy“ fabulierte und verächtlich Behinderte nachäfft.

Es gibt aber eine Sache, die Republikanern traditionell noch viel wichtiger ist als alle Vorhergenannten zusammen:
Die Bewunderung und bedingungslose Unterstützung für die US-Army.
Das gilt zwar für alle US-amerikanischen Politiker, aber insbesondere die GOP lässt sich niemals in ihrer Liebe zu den uniformierten Männern und Frauen übertreffen.
Flagge, Uniform, „serving the country“ sind die Apotheose des amerikanischen Konservatismus.

Ich fasse es immer noch nicht, daß Trump vermochte auch diese eiserne GOPer Regel zu pulverisieren.
Kein Trump hat jemals in der Armee gedient, der Präsident ließ sich während des Vietnamkriegs mehrfach wegen eines Fersensporns von der Wehrpflicht befreien, maßte sich aber dennoch schon als Präsidentschaftskandidat an alles Militärische besser als die Generäle zu verstehen.

[….] President Donald Trump said that he could have made “a good general” in a White House meeting, even as he maintained feuds with several retired generals. [….]

Reihenweise zerschmetterte IQ45 echte Sakrilege.

Er lästerte verächtlich über den Kriegshelden und republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain, den „POW“ (prisoner of War), der jahrelang vom Vietcong gefangen und gefoltert wurde: Er, Trump möge lieber Soldaten, die sich nicht gefangen nehmen ließen.

Er legte sich mit der Goldstar-Familie Kahn an; ein absolutes Tabu bisher. Die Eltern gefallener US-Offiziere erfahren sonst die höchste Achtung und Ehrerbietung.

Er hetzte gegen Oberstleutnant Alexander Semyon Vindman (*1975) Direktor für europäische Angelegenheiten beim National Security Council, der im Irakkrieg durch eine Sprengfalle schwer verwundet und mit dem „Purple Heart“ ausgezeichnet wurde.

Hätte ein demokratischer Politiker auch nur eine dieser antimilitärischen Beleidigungen losgelassen, würde die kollektive GOP ihn lynchen wollen.

Faszinierenderweise kommt Trump aber nicht nur damit durch, sondern schafft es, daß seine ganze Partei im Parlament über hochdekorierte Kriegshelden herfällt und offensiv russische Propaganda betreibt.

Wenn irgendein republikanischer Stratege der GWB-Zeit (2001-2009) mit einer Zeitmaschine ins Jahr 2019 springen könnte, würde ihm jetzt vor Entsetzen über seine Partei sofort der Kopf explodieren.

Fiona Hill, ehemalige Beraterin des Weißen Hauses, Mitarbeiterin des stramm-rechten republikanischen Falken und ehemaligen Nationalen Sicherheitsberaters John Bolton, sah sich heute vor dem Ausschuss gezwungen die Republikaner daran zu erinnern bitte nicht für Russland zu arbeiten.

Nun wäre es lustig Ronald Reagans Gesicht zu sehen, falls er mit einer Zeitmaschine aus dem Jahr 1984 zum Capitol reisen könnte und seiner Partei zuhörte.

[…..] Fiona Hill sagte, es sei eine "Fiktion", dass die Ukraine 2016 sich in den US-Wahlkampf eingemischt habe. Dieses Narrativ hatten unter anderem Trump und seine Unterstützer immer wieder befeuert.
Hill sagte weiter, bei der Theorie von der ukrainischen Wahleinmischung handele es sich um eine von russischen Geheimdiensten ersonnene Verschwörung, die "offenbar auch einige von ihnen in diesem Ausschuss glauben".
Diese "Erfindungen" seien ein Versuch, die politischen Lager in den USA gegeneinander auszuspielen, und zwar von Russland, einer "fremden Macht, die uns wirklich schaden will". Sie weigere sich, Teil des Versuchs zu sein, ein alternatives Narrativ zu legitimieren, wonach die Ukraine - und nicht Russland - die USA 2016 attackiert habe, sagte Hill.
Darum bitte sie, diese politisch motivierten Falschaussagen nicht zu verbreiten, "die so deutlich russischen Interessen dienen", sagte Hill. Die Aussage der US-Geheimdienste hingegen, dass Russland die Wahl beeinflusst habe, sei über jeden Zweifel erhaben. "Der Einfluss der erfolgreichen russischen Kampagne 2016 bleibt heute sichtbar. Unsere Nation wird auseinandergerissen." […..]
(SPON, 21.11.2019)

Die GOPer des Jahres 2019 verachten und verdammen aber die amerikanischen Geheimdienste, bepöbeln die Sicherheitsdienstexperten, plappern lieber die Propaganda aus dem Kreml nach.

Man würde sich dazu gern einen Kommentar des mit einer Zeitmaschine aus dem Jahr 1990 angereisten ehemaligen CIA-Chefs und republikanischen Potus #41 George H. Bush anhören.

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