Donnerstag, 14. November 2019

Unsere tägliche Schuld.

Wenn ich eins nicht leiden kann, dann sind es Hundehalter oder Katzenbesitzer, die sich öffentlich als die weltgrößten Tierfreunde inszenieren, sämtliche soziale Medien mit den Bildern ihrer vierbeinigen Lieblinge zuspammen, sich bei Demos gegen Leinenzwang und Hundesteuer echauffieren und gleichzeitig pausenlos zu Lidl und Aldi rennen, um sich mit Billigfleisch einzudecken.
Wer dreimal am Tag Fleisch isst, Currywurststände ansteuert, von März bis Oktober jeden Tag grillt, kann kein Tierfreund sein – egal wie sehr sein Herz an seiner Fußhupe hängt.

(….) Als in den 1980er Jahren weltweit die Empörung über das Totprügeln (das Fell sollte keine Einschusslöcher haben) von Robbenbabys hochkochte, konnte diese Form der Robbenjagd deswegen gestoppt werden, weil die niedlichen runden Babys mit dem weißen Fell und den Knopfaugen über das perfekte Kindchenschema verfügten. Vorher-Nachher-Bilder mit den blutigen abgezogenen Robbenkörpern waren ein so krasser Gegensatz, daß kaum ein Auge trocken blieb.

Gleichzeitig wurden viel mehr Haie brutal abschlachtet – 100 Millionen Exemplaren jährlich werden bei lebendigen Leib die Flossen abgeschnitten, um sie dann immer noch lebendig zum elenden Verrecken zurück in den Ozean zu werfen.
Haifleisch schmeckt nicht besonders gut.
Im Gegensatz zu Robben verfügen sie auch nicht über kuscheliges Fell.
Haie haben ein Mundwinkelproblem. Die Mundwinkel sind nach unten gerichtet, so daß sie für den Homo Sapiens grimmig aussehen, während Delphine mit ihren nach oben gebogenen Mundwinkeln immer zu lächeln scheinen und uns gleich sympathisch sind.
Dabei sind Delphine als Warmblüter gefährlichere Jäger als Haie, sie verbrauchen wesentlich mehr Nahrung pro Kg Eigengewicht.

Thunfische, höchst beeindruckende Jäger haben sogar eine noch viel schlechtere PR-Abteilung. Niemand stört es, wenn sie in riesigen Netzen umkommen, obwohl sie in vielen Meeren bereits vom Aussterben bedroht sind. Aber wehe, es befindet sich ein Delphin als „Beifang“ unter ihnen. Da drehen die Tierschützer durch. (….)

Es ist leicht sich über grausame Bilder aus Tierversuchslaboren zu echauffieren, empört auf widernatürlich gehaltene Zirkustiere zu reagieren und die Lebensbedingungen der armen Piepsis in Hühnermastbetrieben anzuprangern.
Die Mehrheit der Menschen möchte nicht, daß Kühe und Schweine übermäßig grausam tagelang bei Lebend-Tiertransporten zu den Großschlachtern leiden.
Sie sind glücklich über die wackeligen Handy-Videos, auf denen freiwillige Helfer arme süße Robben von alten Fischernetzen befreien, freundliche junge Touristen auf dem Rückenpanzer liegende Karettschildkröten umdrehen und zurück ins Meer schieben.
Es ist nahezu Mainstream sich über das Stiertreiben in Pamplona zu ärgern,  hämisch auf von Stieren verletzte Toreros zu reagieren oder Hobbyjäger auszulachen, die sich in ihrer tumben Doofheit gegenseitig über den Haufen schießen.

In den 1980er boykottierte jeder, den ich kannte Nizza-Salat; weigerte sich generell Thunfisch zu essen, weil wir alle die grausamen Bilder gesehen hatten wie beim Thunfisch-Killen Delphine als Beifang in die Netze gerieten und darin ertranken.
Erst als sichergestellt war, daß Thunfisch ohne tote Delphine zu bekommen war, aß man ihn wieder.
Und die armen Thunfische?
Ähnlich inkonsequent-dümmlich rollte damals eine Kampagne durch das Land, die es sich zum Ziel gemacht hatte das Essen von Hunden zu verbieten.
Der Hintergrund war, daß es in entlegenen Gegenden Süd- und Ostdeutschlands, Österreichs und der Schweiz durchaus üblich war einen alt gewordenen Hofhund irgendwann zu schlachten.
Katzen wurden als sogenannter Dachhase lange Zeit zubereitet.

[….] Allerdings gab es auch in Gebieten, in denen die Bevölkerungsmehrheit kein Hundefleisch aß, Regionen, in denen regelmäßig Hunde verspeist wurden. Beispiele dafür sind das Appenzeller- und das Bündnerland in der Schweiz oder einige sächsische Städte. Offiziellen Angaben zufolge wurden in den Jahren um 1900 in Chemnitz durchschnittlich 226, in Dresden 136 und in Zwickau 58 Hunde jährlich geschlachtet. […..]
(Wikipedia)

Tatsächlich wurde 1986 von der Kohl-Regierung ein Gesetz erlassen, das den Verzehr und Hunden und Katzen verbot.
Tierfreund war zufrieden. Der ekelhafte Brauch hatte ein Ende und man biß wieder herzhaft das Würstchen aus Schlachtabfällen.

  Diese Inkonsequenz ist für mich unerträglich.
Wie kann jemand, der dem Leben eines Hundes so viel Wert beimisst, daß generell verboten wird ihn zu essen gleichzeitig ein Schwein, eine Gans oder ein Kalb als ethisch wertlos ansehen?

Es wird doch eher umgekehrt ein Schuh draus. Das nur zum turboschnellen Mästen gezüchtete Schwein hat ein viel kläglicheres Leben, als der Hofhund, der zumindest neun, zehn, elf schöne Jahre, also ein ganzes Hundeleben hatte, bevor er altersschwach in den Kochtopf kam, um aus ihm dubiosen Salben zu gewinnen.

Ich bewundere meine vegane Friseurin für ihre Konsequenz.
Niemals würde sie einen Kaffee trinken, in dem eine Spur Kuhmilch ist, Gebäck anrühren, das womöglich Butter enthält oder gar Lederschuhe tragen.

Meine Essgewohnheiten zwinge ich niemanden auf und verlange keine radikale Umstellung.
In meiner Idealvorstellung halten kleine Biobauernhöfe ein paar Kühe, die glücklich und frei auf saftigen Almwiesen wie in der Werbung herumlaufen, vom Bauern liebevoll gekrault, gebürstet und umsorgt werden. Sie trotten ganz gemächlich selbst zum Melken, wenn sie Lust haben.
Ich würde den Käse aus der so gewonnenen Milch kaufen. Stirbt so eine völlig zufriedene Milchkuh eines Tages eines natürlichen Todes, wäre es unsinnig den Kadaver zu begraben.
Im Gegensatz zu Veganern würde ich in diesem Fall befürworten aus der Kuhhaut Lederschuhe anzufertigen und wer mag, soll auch das Fleisch essen dürfen.

In der Realität gibt es aber so gut wie keine solchen glücklichen Kühe, sondern grotesk getunte Turbo-Kühe.


Der Grund für das brutale Multimillionenfache Leid in Kuh- und Schweinestall ist aber nicht das Fleischessen an sich, sondern der enthirnte Billigwahn der Massen.
Wer dauernd im Discounter Fleisch kauft, aber so gut wie kein Geld ausgeben will, erzwingt die abartigen Methoden in der Tiermast, die inzwischen weltweit ein Viertel der Treibhausgas-Emissionen ausmachen.

[…..] 4,1 Millionen Milchkühe, 26 Milliarden Euro Umsatz: Deutschlands Milchindustrie ist die größte in der EU. […..] An die toten Kühe gewöhnt man sich. An aufgedunsene Bäuche, glasige Augen und rote Zungen, die quer aus dem Maul hängen, an das Wasser, das aus den Körperöffnungen läuft. Ja sogar an den Geruch, süßlich faul, so als hätte man einen Topf Gemüsesuppe wochenlang in der Sonne stehen lassen
Aber die toten Kälber, sagt Tadjana Lenhard, die vergisst man nicht so leicht. […..]
Lenhard, 50 Jahre alt, kastanienfarbenes Haar, grüner Blaumann, mag die Ruhe am Morgen. […..] Lenhard wirft nur selten einen Blick auf das Navigationsgerät. Seit mehr als zehn Jahren sammelt sie in der Gegend tote Kälber, Kühe, Schweine, Ferkel ein. Manchmal auch Pferde, Wildschweine, Schafe. Sie kennt die Wege, sie kennt die Bauern. Montags bis freitags fährt sie übers Land und lädt die Kadaver in der Tierkörperbeseitigungsanlage ab. Dort werden die Tiere verbrannt und zu Tiermehl verarbeitet. [….] [….]

Die deutsche und die europäische Landwirtschaft ist eine Killer-Wirtschaft. Sie macht krank, zerstört die Lebensgrundlagen in Afrika, vergiftet unsere Böden, ruiniert das Klima, schafft tödliche Antibiotika-Resistenzen.

[…..] Eine vorausschauende Politik hätte längst verhindert, dass zu viel Gülle auf den Feldern unser Grundwasser verseucht. Stattdessen musste erst die EU-Kommission mit hohen Strafzahlungen drohen. Dann passte Berlin die Düngeregeln zu halbherzig an und besserte deshalb noch mal nach. […..] Eine verantwortungsvolle Politik müsste sie jetzt auf die Herausforderungen der Klimakrise vorbereiten. Schließlich kommt aus der Landwirtschaft ein Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen – allein die Klimagase aus der Tierhaltung entsprechen den Emissionen des Verkehrssektors. Die Klimaziele sind nur mit weniger Fleischproduktion zu erreichen. […..]

Bauern sind in Deutschland so ziemlich die konservativste Bevölkerungsgruppe. Ob Cloppenburg-Vechta oder Niederbayern – wo es viel Landwirtschaft gibt, wählt man schwarz.
Bauern sind aber keine grundsätzlich schlechten Menschen und könnten auch nachhaltig und gesund produzieren.
Das tut gegenwärtig aber nur eine Minderheit der Bauern, weil zwei Faktoren dagegen sprechen:

1.) Die katastrophal verfehlte Agrarpolitik Brüssels und insbesondere der erbärmlichen Lobbypolitikerin Klöckner.

(….) Julia Klöckner entwickelte sich in atemberaubender Geschwindigkeit zur willigen Erfüllungsgehilfen der systematischen Tierquälerei.(….)

2.) Die völlig verdummten Verbraucher, die in ihrem Billigwahn Biobauern strafen und die gigantischen Tierleidbetriebe fördern.

(…..) Sicher, auch Fleischesser könnten mehr Druck auf die Mastbetriebe und Schlachthöfe ausüben, indem sie höherpreisiges Biofleisch kaufen würden.
Nie war Fleisch so billig und nie aßen Deutsche so viel Fleisch. Daran sind Verbraucher und Anbieter gleichermaßen beteiligt.
Würde das ganz billige Zeug nicht wie verrückt gekauft, könnten sich die Produzenten auch umstellen, um Kühen und Schweinen ein etwas artgerechteres Leben zu bieten.

Wenige Menschen haben viel Appetit auf ein Grillhuhn während sie die unfassbar grausamen Bilder aus den Hühnerfabriken sehen.

Aber man muss kein schlechter Mensch sein, um diese Schockbilder auch ganz schnell wieder zu vergessen und am nächsten Morgen doch wieder gegrillte Hähnchenbrust zum Frühstück zu bestellen.
Wir Menschen sind Verdränger; weltmeisterliche.

Ja, es gibt immer wieder die Horrorvideos aus der Schweinemast, aber nur wenige reagieren konsequent darauf.

Wenn auf die Vernunft der Verbraucher kein Verlass ist, kann man immerhin noch auf die Politik hoffen, die manchmal das Volk in die richtige Richtung zwingen muß. (….)

Wenn ich mich als Vegetarier in einen Fleischesser hineindenke, der nicht unendlich reich ist, stelle ich mir vor, es wäre viel schöner lediglich einmal in der Woche einen Braten zu essen, der dann aber besonders gut schmeckt, frei von Anabolika und Antibiotika ist, der nicht von Wasser aufgeschwemmt beim Braten um 2/3 schrumpft und für den die Kreatur nicht durch betäubungslose Kastration extra gequält wurde.
Da unterliege ich aber offenbar einem großen Irrtum. Der ganz großen Mehrheit der Fleischesser ist die Qualität völlig egal. Sie wollen nur Quantität, also billig. Sie nehmen in Kauf gammeliges Schimmelfleisch, Pferde-Schlachtabfälle oder Listerienwurst von Wilke zu fressen, wenn sie nur so preiswert ist, daß man sich auch dreimal am Tag den Magen damit vollschlagen kann.

[…..] Viele von uns greifen im Supermarkt zum günstigsten Gemüse und zum Billigfleisch, kritisieren aber gleichzeitig die Landwirte für ihren hohen Pestizideinsatz und die Massentierhaltung. […..] Aber: Die Verantwortung für Umwelt und Klima tragen wir gemeinsam, die Bauern sind ebenfalls in der Pflicht. Den Schwarzen Peter hin- und herzuschieben, hilft nicht weiter. Es ist Aufgabe der Politik, mit klaren Regeln eine zukunftsfähige Landwirtschaft zu organisieren. […..] Dazu gehört etwa, Verstöße gegen das Tierschutzgesetz nicht länger durchgehen zu lassen: Kükenschreddern oder das betäubungslose Kastrieren von Ferkeln müssten längst verboten sein. Und dazu gehört auch, mit einem verpflichtenden Fleisch-Siegel für Klarheit zu sorgen, ob das Kotelett im Supermarkt von einem Schwein stammt, das sein Leben auf einem Dreiviertelquadratmeter Stallfläche mit nackten Betonspaltenböden gefristet hat. Oder ob es Auslauf im Freien und Stroh zum Wühlen hatte.
Um eine verantwortungsvolle Entscheidung zu fällen, sollten Verbraucher wissen, dass sie tierquälerische Haltung in Kauf nehmen, wenn sie beim Fleisch sparen. Tatsächlich lässt Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) aber nichts unversucht, die Haltungsbedingungen zu verschleiern. Sie will ein weiteres freiwilliges Label in den Markt drücken. Das stiftet nur Siegel-Wirrwarr. […..]

Es ist wie in dem Gleichnis von dem Vater, der seinen Mercedes so liebt, daß er stundenlang im Internet nach dem besten Motoröl recherchiert, das er sich auch mal 100 Euro den Liter kosten lässt. Auf dem Weg nach Hause bei Kaufland stoppt, um das billigste Speiseöl für 79 Cent den Liter zu kaufen. Das landet ja nur in den Mägen seiner Kinder. Da ist Qualität irrelevant.

Mit solchen Verbrauchern haben es CDU-Landwirtschaftsministerinnen und Agrar-Großlobbyisten natürlich leicht.

[…..] Tatsächlich ist das Umdenken bei den Konsumenten bereits in vollem Gange. Viele essen weniger Fleisch, kaufen öfter regional und Bio ein. Auch die protestierenden Landwirte sollten erkennen, dass sie nicht weitermachen können wie bisher. Sie müssen sich auf veränderte Konsumgewohnheiten und mehr Klima- und Artenschutz einstellen. Dabei brauchen sie unsere Unterstützung an der Supermarktkasse – aber auch als Steuerzahler. Zum Beispiel, wenn sie auf Erträge verzichten, weil sie weniger Pestizide versprühen und damit einen Beitrag zum Schutz von Insekten leisten. […..]

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