Donnerstag, 27. Februar 2014

Im Kindergarten


Gestern erhielt ich ein Schreiben einer Hausverwaltungsfirma, mit der ich seit zehn Wochen den größten Ärger habe. Korrekterweise müßte ich sagen, mit der ich gerne wenigstens Ärger hätte.
Eigentlich ignorieren sie mich, weigern sich auf meine Anfragen via Fax, Telefon, Brief oder Email zu reagieren.
Umso mehr erstaunte mich gestern einen dicken Brief mit lauter Faltblättern, Visitenkarten und freundlichsten Anschreiben von eben dieser Firma vorzufinden.
Der Grund war aber nicht plötzliche Einsicht, sondern daß sie in einer anderen Angelegenheit unerwartet auf meine Hilfe und Mitarbeit angewiesen waren.
Ha!
Die Arschgeigen haben ja wohl gar kein Schamgefühl, wetterte ich.

Flugs setzte ich mich hin und formulierte ein geharnischtes Antwortschreiben. Ich empfände es als reichlich bizarr nun überaus freundlich an mich heran zu treten, als ob nie etwas gewesen wäre. Das mindeste, das ich erwartete bevor ich einen Finger für sie rührte, wäre meine in den letzten beiden Monaten monierten Angelegenheiten unverzüglich zu meiner Zufriedenheit in Ordnung zu bringen. Penibel listete ich auch wie ich mir bisher an ihnen die Zähne ausgebissen hätte.

Ich stellte mir vor, wie der Empfänger beim Lesen meines Briefes vor Scham rot anliefe und dann auf Knien zu mir gekrochen käme.

Schließlich fiel mir dann aber ein, daß ich erwachsen bin. Ich löschte meinen Text und formulierte neu. Diesmal kurz, sachlich und höflich.
Rache und Rumzicken sind keine Optionen in einer professionellen Arbeitsbeziehung. Insbesondere dann nicht, wenn man in einer Angelegenheit ein gemeinsames Interesse verfolgt. Geht es um das Wohl Dritter, hat man hinunter zu schlucken, daß man den Menschen, mit dem man zusammen arbeitet nicht ausstehen kann.
Deswegen ging Bono einst ins Weiße Haus und sprach mit George W. Bush.
Was der friedensbewegte Ire von dem Texaner mit Mikro-Intellekt hielt, können wir uns alle sehr gut vorstellen. Außerdem wird ihn mit Sicherheit gestört haben, daß GWB die Bilder mit Bono zur Imagepflege missbrauchte.
Aber der U2-Chef leierte dem potus erfolgreich mehrere Milliarden Dollar für den Kampf gegen Aids in Afrika aus dem Kreuz.
Damit konnten viele Leben gerettet werden. Was bedeutet dagegen schon einmal in die Kamera grinsen/posieren/Schulter klopfen?

Wenn einem im Sandkasten der Sandkuchen zerkloppt wird, tritt man auch auf den Sandkasten des Hosenscheißers nebenan.
Wenn einem in der Schule das Pausenbrot geklaut wird, spannt man dem Dieb aus Rache seine Freundin aus.
Aber dann sollte das wie du mir-so ich dir-Verhalten auch langsam auslaufen.
Wenn mir heute auf einer großen Kreuzung die Vorfahrt genommen wird, rase ich dem Übeltäter eben nicht hupend mit Bleifuß hinterher.
Das würde niemanden helfen und die Verkehrssicherheit insgesamt klar herabsetzen, wenn zwei Irre aus Wut zwischen Omen und Open umherrasen.

Wenn man erwachsen ist, lernt man spontane Wutreaktionen zu unterdrücken, Ärger gar nicht erst im Hirn die Synapsen stimulieren zu lassen. Man blickt weiter und erkennt die übergeordneten Prioritäten.
Reife Menschen lassen sich nicht von ihren persönlichen Eitelkeiten treiben und wenn sie die Verantwortung für andere, Schwächere tragen, schon gar nicht. Zu Gunsten seiner Haustiere, seiner Kinder, oder des bettlägerigen Opas, stellt man seine aufschaukelnden Emotionen hintan.

Das gilt allerdings nicht, wenn man CSU-Mitglied ist.
CSU-Hirne erreichen nie das Niveau eines ausgeglichenen  Kindes.
Ihnen ist ihr Ego wichtiger als die 81 Millionen Menschen, für die da zu sein, sie geschworen hatten. Sie sind nie über die Sandkuchenebene heraus gewachsen.

CSU sinnt auf Rache
[….]  Die Linie der CSU ist in etwa diese: Friedrich hat sich mit seinem Verhalten loyal gegenüber dem sozialdemokratischen Partner verhalten. Die SPD müsse nun Aufklärungsarbeit leisten. [….] Man muss nicht viel zwischen den Zeilen lesen, um die Erwartung der CSU an den sozialdemokratischen Koalitionspartner zu deuten: Sie wollen den Rücktritt von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann.
[….] CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer zeigt, wie das geht: Oppermann trage aus Sicht der CSU die "politische Verantwortung", sagt er vor Journalisten. Der SPD-Mann habe "durch seine Widersprüche, durch seine Wichtigtuerei, durch seinen Vertrauensmissbrauch und seine verschiedenen Varianten der Darstellung die Große Koalition in eine schwere Krise gestürzt." Es könnte nicht sein, dass Friedrich die alleinige Verantwortung übernehme und dass "auf der anderen Seite sich andere einen schlanken Fuß machen".
[….] Auch Alexander Dobrindt ist empört. Der Verkehrsminister klingt an diesem Montag mehr wie in seiner Zeit als CSU-Generalsekretär: Dobrindt spricht von einem "erheblichen Vertrauensmissbrauch". [….]

Seehofer und seine CSU-Epigonen haben noch lange nicht das politische Erwachsenenalter erreicht, Sie befinden sich noch in der fötalen Phase des Berufsstandes und taugen kaum für ernsthafte Angelegenheiten wie eine Bundesregierung. Ihre nicht zweckdienlichen Privatempfindungen hintan zu stellen, käme ihnen gar nicht in den Sinn.

Merkwürdige Rachegelüste der Union
Ginge es jetzt nach manchen in CDU und CSU, in der SPD dürfte ab sofort niemand mehr auch nur den Mund aufmachen. Jedes kritisches Wort über die Politik der großen Koalition würde als Vertrags- und Vertrauensbruch ausgelegt. So ist das, seit einer der ihren, nämlich Hans-Peter Friedrich von der CSU, vor eineinhalb Wochen als Minister zurücktreten musste.
Wegen eines offenbar pädophilen Ex-SPD-Bundestagsabgeordneten in der SPD hatte ein CSU-Mann seinen Hut zu nehmen. So denken sie in der Union. Und fordern nun reihum alle möglichen Arten von Vertrauensbeweisen von der SPD.
Am liebsten hätten sie, wenn auch auf SPD-Seite jemand zurücktreten würde. Fraktionschef Thomas Oppermann zum Beispiel. Der sei schließlich Schuld am ganzen Schlamassel. Weil er - mit Friedrichs Einverständnis übrigens - öffentlich gemacht hat, dass dieser womöglich Amtsgeheimnisse über den Fall Edathy an die SPD-Spitze ausgeplaudert hat. [….] CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer etwa, selbst wegen seines seltsamen Doktortitels in der Kritik, wirft der SPD jetzt "Vertragsuntreue" vor, weil es dort andere Meinungen gibt als die im Koalitionsvertrag festgeschriebenen. Damit "schafft man kein neues Vertrauen", sagt Scheuer. Was jetzt gelte, will er wissen. "Ihre Unterschrift unter den Koalitionsvertrag oder die Trickserei Ihrer SPD-Ministerpräsidenten über die Hintertür bei der doppelten Staatsbürgerschaft?" Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Thomas Strobl wirft der SPD sogar "klaren Vertragsbruch" vor.
Was Scheuer und Strobl vergessen: Den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD haben die Parteien ausschließlich für die Zusammenarbeit in der Bundesregierung beschlossen. Die Länder waren zwar eingebunden in die Verhandlungen. Aber sie müssen sich nicht gebunden fühlen.
[….]  Was die CSU will, ist schlicht: Rache für Friedrich. [….] Oppermann mag die Angelegenheit ans Licht gebracht haben. Verursacht aber hat sie Friedrich, rausgeschmissen haben ihn die Parteichefs von CDU und CSU. Und bluten soll dafür die SPD? Das verstehe wer will.



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