Gästin Franziska Augstein, eine der intelligentesten
Journalisten Deutschlands, brachte mich dazu die glühenden Strauß-Fans
Gauweiler, Hohlmeier und Gottlieb zu ertragen. Über die Politikerin Monika
Hohlmeier habe ich in meinem ganzen Leben nur Schlechtes gehört, aber als Privatperson
tut sie mir irgendwie Leid, weil sie mit ihren inzwischen 53 Jahren ihrem Vater
wie aus dem Gesicht geschnitten aussieht – und das in dem Fall kein Kompliment.
Aber das nur am Rande.
Pseudo-Moderator Gottlieb, der es nach wie vor nicht
versteht auch nur den Hauch von Neutralität zu erwecken, sondern immer völlig
ungeniert und sabbernd die CSU lobpreist, wollte einmal ganz forsch sein und
bat Augstein, die er sichtlich empört als Strauß-Kritikerin empfand,
aufzulisten was sie an FJS schätze.
Sie entgegnete, FJS sei es vermutlich zu verdanken, „uns
die Nazis vom Hals gehalten zu haben“. Ende der 1960er hätte die NPD kurz vor dem
Einzug in den Bundestag gestanden, aber da Strauß dermaßen offensiv selbst
rechte Themen ausposaunte, hätten viele NDP-Sympathisanten gleich CDU/CSU
gewählt.
Allerdings habe er sich damit gleichzeitig die
Kanzlerschaft 1980 versaut. Denn so einer sei bundesweit eben nicht
mehrheitsfähig gewesen.
Bis heute gibt es bei CDU/CSUlern den Impetus immer
mal wieder etwas nicht nur schwarzes, sondern braunschwarzes zu sagen, weil das
den Wählern gefiele.
Das bliebe in Erinnerung, das nähme den ganz Braunen
die Themen weg und zahle sich an der Wahlurne aus.
Eine nicht unbedingt moralische, aber doch funktionierende
Strategie. Immerhin schafft die CSU fast immer die absolute
Mehrheit wegen ihrer rassistisch daher plappernden Führer wie Innenminister
Herrmann.
Edmund Stoiber, der angesichts der Asylanten vor einer
„durchmischten und durchrassten Gesellschaft“ warnte, mußte nicht etwa sofort
zurück treten, sondern erhielt sogar eine Zweidrittel-Mehrheit der Sitze im
Bayerischen Landtag.
[…] Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer
kann, 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, öffentlich über Lager für
bestimmte Volksgruppen auf deutschem Boden nachdenken, ohne sofort zurücktreten
zu müssen. […]
Mit einer dezidiert ausländerfeindlichen Politik wurde Roland Koch vier Mal
zum Ministerpräsidenten gewählt, obwohl er durch seine schlimmen Lügen
(Stichwort „jüdische Vermächtnisse“) bei einem moralisch funktionierendem Volk
eigentlich unwählbar gewesen sein müßte.
Ähnliches gilt für die Sachsen-CDU, die immer wieder klar NPD-Positionen übernahm
und damit große Mehrheiten errang. Im bräunlichen Sachsen klappt das.
Möglicherweise gibt es aber doch Grenzen dieser strategischen
Rechtslastigkeit der Unionisten.
So sind die Anwohner vieler Heimatvertriebenen-Unterkünfte weit freundlicher und hilfsbereiter, als
die alarmistischen de Maizière und Co, die immer von den „Grenzen der
Aufnahmefähigkeit“ schwadronieren, glauben machen wollen.
Es stößt doch eher ab, wenn Merkel eiskalt ein Flüchtlingsmädchen zum
Weinen bringt, indem sie ihr an den Kopf schleudert, Deutschland könne halt
nicht alle Flüchtlinge aufnehmen - als
ob das irgendwer vorgeschlagen hätte.
Sogar mitten in Bayern, in der Hauptstadt München, erleben wir gerade eine
große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung.
Die Züge aus Ungarn mit Tausenden Flüchtlingen haben
in München eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst. Hunderte Spender
brachten Lebensmittel, Kleidung, Zahnbürsten, Windeln und andere Geschenke für
die Asylbewerber zum Hauptbahnhof. «Wir danken sehr herzlich dafür, können das
alles aber gar nicht mehr verarbeiten», sagte ein Polizeisprecher am Abend. Wer
weiter helfen wolle, solle die Sachspenden zu den Erstaufnahmeeinrichtungen
bringen.
(STERN
01.09.2015)
Man glaubt es kaum, aber wenn man sich nicht gerade in der Sächsischen
Schweiz befindet, sind die Normalo-Deutschen weit weniger antihumanistisch, als
es ihre Führer erahnen lassen.
Das gilt sogar für das seit einigen Jahren stramm rechts, antizigan,
homophob und antisemitisch tickende Ungarn.
"Infektionsgefahr", "aggressive Belagerer",
"Tsunami": So hetzt die ungarische Regierung gegen Flüchtlinge.
Staatliche Hilfe? Fehlanzeige. Doch viele Bürger engagieren sich gegen
Fremdenhass und für Mitmenschlichkeit.
Es war ein eisiger Abend Ende Januar, als Balázs Szalai heißen Tee in
Thermoskannen füllte, Kekspackungen im Dutzend kaufte und zusammen mit Freunden
an die Grenze fuhr. Sie verteilten die Lebensmittel an Flüchtlinge, die dort in
der Kälte ausharrten, von der Polizei festgehalten. Szalai hatte die Bilder im
Internet gesehen, verzweifelte Familien mit frierenden Kindern. "Da dachte
ich, dass ich etwas tun muss", sagt Szalai. Seit damals verbringt er einen
Großteil seiner Freizeit damit, Flüchtlingen zu helfen.
Der 34-Jährige lebt im südungarischen Szeged, ist Programmierer und hat
eine kleine IT-Firma. Von seiner Heimatstadt aus sind es nur wenige Kilometer
bis zur serbischen Grenze. Dort kommen seit Monaten immer mehr Flüchtlinge an,
ihre nächste Station ist meistens der Bahnhof in Szeged.
Balázs Szalai kauft für sie Fahrkarten, übersetzt Formulare von Behörden oder
organisiert medizinische Versorgung - ehrenamtlich. Im Juni gründete er
zusammen mit Freunden die Initiative MigSzol, zu Deutsch Migranten-Solidarität,
nachdem Szegeds Bahnhofsverwaltung Flüchtlinge abends aus dem Wartesaal des
Bahnhofs herausgeworfen hatte. MigSzol betreibt seitdem vor dem Gebäude eine
Anlaufstelle für Flüchtlinge. Es gibt Verpflegung, Decken, einen
Internetzugang, Rechtsberatung und mobile Toiletten - finanziert großteils aus
privaten Spenden.
Das Verhalten der Bahnhofsverwaltung in Szeged sei nur eines von
zahlreichen Beispielen dafür, wie Regierung, Behörden und viele öffentliche
Einrichtungen in Ungarn mit Flüchtlingen umgingen. "Es ist eine
Schande", sagt Balázs Szalai.[…]
Richtig übel verhalten sich gegenüber den Vertriebenen
außer den konservativen Politikern vor allem die Kirchen, die mit
Abschiebe-Forderungen gegen Menschen agitieren.
Dietmar Metzner bot dem Freistaat Sachsen eine Halle in Großröhrsdorf als
Asylbewerberheim an. Doch nach Widerstand aus Rathaus und Kirche machte er einen Rückzieher.
Bis zu 700 Asylbewerber hätten hier nach Auskunft der Landesdirektion
unterkommen können: Eine Halle der Firma MB-Portatec im sächsischen Großröhrsdorf
sollte in diesen Tagen zur Erstunterkunft umgebaut werden. Viele im Ort wehrten
sich dagegen. Für Mittwochabend ist eine Einwohnerversammlung geplant, für
Donnerstag eine Demonstration vor der Halle. Selbst der Pfarrer und die Bürgermeisterin waren mit der neuen
Unterkunft nicht einverstanden. Nun hat die Firma, der das Gebäude gehört, ihr
Angebot zurückgezogen.
In die
abscheuliche Ecke stellte sich heute auch Bayerns Sozialministerin, die aus Merkels peinlicher Reem Sahwil-Affäre
nichts gelernt hat.
Unbelehrbar,
wie ihr nahezu offen rassistischer Kabinettskollege Herrmann.
Die
Mitglieder der Hamburger Landesregierung – insbesondere Bürgermeister, Zweite Bürgermeisterin und
Sozialsenator – haben schon viele Flüchtlingsunterkünfte besucht.
Sie tun
das hier aber grundsätzlich unangekündigt und ohne Presse, weil sie sich
wirklich ein Bild verschaffen und helfen wollen; weil sie es mit der
Menschenwürde nicht vereinbar finden das Schicksal einzelner auszunutzen, sie
vor die Kamera zu zerren, um sich als Politiker zu inszenieren.
BRAVO.
Das
Gegenteil in Bayern. Emilia Müller schert sich einen Dreck um den einzelnen Flüchtling,
sieht in ihm nicht den Menschen, sondern nutzt den Termin nur zur billigen Eigenwerbung,
um den vermeidlich rechten Wählern zu zeigen, wie hart sie rangeht.
"Sie wissen aber,
dass Sie zurück müssen?"
Bayerns
Sozialministerin Emilia Müller spricht mit einem Mann aus dem Kosovo - mit dem
Einfühlungsvermögen eines Eisklotzes. Sie bleibt damit der Parteilinie treu.
Der verbale
Ausrutscher des bayerischen Innenministers ist noch keine 24 Stunden her, als
eine andere CSU-Ministerin vor die Kameras tritt und mit ihren Äußerungen für
Frösteln sorgt. Anders als Joachim Herrmann, dessen Lob für "den
wunderbaren Neger" Roberto Blanco man durchaus als Affäre betrachten darf,
leistet sich Emilia Müller eigentlich nichts Ungewöhnliches. Eher etwas sehr
CSU-Typisches: völlige Empathielosigkeit gegenüber flüchtenden Menschen. […]
"Sie sind gut
untergebracht? Gut. Sie wissen aber, dass Sie zurück müssen?", fragt
Müller einen Mann im Abschiebezentrum. Das Gespräch vor laufender Kamera dauert
zwar nur wenige Sekunden, aber Müller schafft es, dabei wie ein Eisklotz
rüberzukommen. "Die Situation im Kosovo ist schwierig", sagt sie zu
ihrem Gegenüber - einem Mann, der aus Kosovo stammt. […]
Die CSU ist und bleibt eine abscheuliche Partei, die völlig herzlos agiert.
Bitte
nicht wiederwählen!
[…] 2015 = 1992 + Internet? Die
Situation von heute gemahnt an die vor 23 Jahren, an Hoyerswerda,
Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Solingen, als sich die Nachrichten anhörten wie
ein Bericht vom Krieg des Mobs gegen Flüchtlinge. Damals wurden in Hoyerswerda
die Asylbewerber unter Gejohle aus der Stadt gekarrt. Der Terror gegen
Ausländer müsse sein, sagte ein Bewohner dem TV-Reporter, "bis wir frei
sind von dem Viehzeug". […] Die
Zahl der Flüchtlinge in Deutschland lag damals bei einem Viertel der Zahl, die
für 2015 erwartet wird.
[…] Damals hat die Politik dem Druck der
Straße, den sie selbst miterzeugt hatte, nachgegeben: Das alte Asylgrundrecht
wurde abgeschaltet; man meinte, man könne so auch das Flüchtlingsproblem
ausschalten. Es war der untaugliche Versuch einer paragrafengestützten
Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn-Politik. Deren Untauglichkeit zeigt sich heute im
Mittelmeer und in Lastwagen.
[…] Die überfallenen Flüchtlinge wurden
nicht als Opfer, sondern als Störer betrachtet; die Offensive gegen das
Asylrecht wurde als Offensive gegen ausländerfeindliche Gewalt ausgegeben. Das
ist lange her, muss aber Lehre sein. Damals meinte man, man könne mit einem
zerknüllten Grundrechtsartikel den Rechtsextremen den Mund stopfen. Es war der
wohl folgenschwerste Irrtum in der politischen Geschichte der Bundesrepublik.
Damals begannen braune
Kameradschaften, sich zu radikalisieren. Eine davon ist der NSU, die Bande, die
zehn Menschen ermordet hat. Es ist bitter, dass der alltägliche, gewaltbereite
Rassismus seit der Aufdeckung dieser Morde kein großes Thema geworden ist.
Bürger, die sich Neonazis entgegenstellen, erhalten nach wie vor wenig Hilfe.
[…] Und: Man sollte die Asylpolitik
nicht, wie bei den Roma, zur Diskriminierungspolitik machen; die Debatte über
sichere Herkunftsländer erinnert ein wenig an die über die Änderung des Asylgrundrechts.
Per Definition werden
Probleme nicht bewältigt. Es braucht eine gewaltige Anstrengung, die Humanität
und Ökonomie verbindet und die Kraft des Guten weckt. Das ist nicht nur Gutmenschentum,
das ist praktische Vernunft. Und das ist zugleich der Aufstand der Anständigen.
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