In Hamburg werden 50% der Wohnungen von Singles
okkupiert.
So ein typischer Häuserblock, wie der in dem ich hause
– zentral gelegen, aber die Wohnungen haben maximal drei Zimmer - beinhaltet sogar ausschließlich Singles. Wer
sich paart und/oder vermehrt zieht üblicherweise weiter an den Rand von
Hamburg, wo man sich mehr Quadratmeter und/oder Gärten dazu leisten kann.
Diejenigen, die trotz beschränktester finanzieller Mittel Leibesfrüchte
produzieren, können es sich ohnehin nicht leisten so zentral zu wohnen. Dafür
gibt es die Problemstadtteile Neuwiedenthal, Steilshoop, Billstedt und so
weiter.
Ich denke, die Verhältnisse sind in den anderen
deutschen Großstädten entsprechend.
Untersuchungen zeigen, daß der Wohnraum jetzt nicht
nur deswegen so knapp ist, weil zu wenige Sozialwohnungen gebaut wurden,
sondern weil wir so wohlhabend sind, daß wir pro Person sehr viel mehr
Quadratmeter beanspruchen.
Laut Statistischem Bundesamt verfügten die Deutschen 2010 im Durchschnitt
über 42,8 Quadratmeter und 2,2 Wohnräume. Unterversorgung herrscht dort, wo
weniger als ein Zimmer pro Kopf zur Verfügung steht. Dies ist nur noch in 3,5
Prozent der Haushalte der Fall, oft bei Paaren mit Kindern bis 16 Jahren.
Seit 1965 hat sich die Wohnfläche pro Kopf verdoppelt. Dabei verfügen
ältere Menschen über mehr Raum als junge (abgesehen von Altersheim-Bewohnern
mit oft kleinen Zimmern), Eigenheimbesitzer und Landbewohner dagegen über mehr
als Großstädter. Die durchschnittliche Wohnfläche für einen Hamburger lag 2010
laut Statistikamt Nord bei 37 Quadratmetern, laut Statistischem Bundesamt bei
36,2 Quadratmetern. [...] Den wenigsten Platz
pro Kopf hat man in Billbrook (25,2 m²) und auf der Veddel (25,4 m²), am
anderen Ende der Messlatte liegen die HafenCity (80,9 m²) und Wohldorf-Ohlstedt
(57,4 m²).
Offensichtlich strebt der Mensch des 20. und 21. Jahrhunderts
danach sich auszubreiten und unabhängig zu machen.
Eine Menge Ratgeberbücher unterscheiden sorgfältig
zwischen „Alleinsein“ (=gut) und „Einsamkeit“ (=schlecht).
Diesen Trend bestätigen auch Spanien, die USA und Griechenland,
wo aufgrund der gewaltigen Wirtschaftskrise viele Menschen dazu gezwungen
werden ihre zu teuer gewordenen Häuser/Wohnungen aufzugeben und zurück zu den
Eltern zu ziehen:
Solange es ihnen finanziell möglich war, bevorzugten sie offenbar eine räumliche Trennung. Erst durch Armut gezwungen, bilden sich wieder die alten Familienverbände.
Solange es ihnen finanziell möglich war, bevorzugten sie offenbar eine räumliche Trennung. Erst durch Armut gezwungen, bilden sich wieder die alten Familienverbände.
Ähnlich wie Religiosität, korrelieren Kinder und Ehe
mit Bildung und Wohlstand.
Je gebildeter die Menschen, desto kirchenferner. Je besser
die Karriere läuft, desto weniger Kinder.
Ursula von der Leyen ist mir ihren sieben Kindern nur
scheinbar eine Ausnahme. Sie gehört zu den Frauen, die sich mehrere Kinder UND
Promotion leisten können, weil sie von Haus aus schwerreich ist.
Mit genügend Personal – von der Putzfrau über Gärtner,
das Kindermädchen bis zum Therapeuten – kann man auch überdurchschnittlich
viele Kinder „bewältigen“.
Aber um in dem Bild zu bleiben: Wenn man wie von der
Leyens Kommilitonen „nur“ das Medizinstudium hat und (zumindest anfangs) von
einem sehr mäßigen Assistenzarztgehalt im Krankenhaus leben muß, kann man damit
natürlich nicht sieben Kinder durchbringen. Dafür bietet Deutschland keine
Strukturen.
Die Folge ist, daß wir in Deutschland zwar nicht
unbedingt zu wenig Kinder haben, daß aber ökonomisch betrachtet die falschen Leute
Kinder bekommen.
Die erfolgreichen Akademikerinnen über 40 Jahre, die
Kindern perfekte Voraussetzungen bieten könnten, sind zu über 50% kinderlos,
während in prekären Stadtteilen mit hoher Arbeitslosigkeit und HartzIV als
Haupteinnahmequelle fast alle Frauen mit 40 mindestens ein Kind haben.
Thirty-somethings halten die Berufswelt für zu
fordernd und komplex, um sich Partner und Kinder überhaupt zeitlich leisten zu
können.
Man optimiere sich kontinuierlich selbst, meint der
Autor und Blogger Michael Nast, da passten stetigere Lebensentwürfe nicht dazu.
[…..] Man muss dazu sagen, was der Begriff „Job“
heutzutage eigentlich bedeutet. Die Generation unserer Eltern hatte einen Beruf
UND ein Leben. Es gab eine Trennung. Nach der Arbeit pflegten sie ihr
Privatleben. Heute ist das verschmolzen. Ein Job ist heutzutage mehr als nur
ein Job, ein Beruf hat den Anspruch einer Berufung.
[…..] Arbeit
gilt als Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, der eigenen Wünsche und Träume.
Man trennt nicht mehr zwischen Arbeit und Leben. Wenn man seine Träume
verwirklicht, empfindet man seine Arbeit nicht als Arbeit, sondern als
Leidenschaft. Man unterscheidet nicht mehr zwischen Arbeit und Privatleben, sie
sind miteinander verwoben. Die Grenze löst sich auf, auch durch unsere ständige
Erreichbarkeit. Mit unseren Smartphones haben wir das Büro ja praktisch immer
dabei. Der Mittelpunkt des Lebens sich hat auf den beruflichen Erfolg
verlagert, ganz unbemerkt.
[…..] Die
Beziehungs- und Bindungsunfähigkeit, von der heutzutage so viel geredet wird,
ist nichts anderes als das Streben nach universeller Selbstverwirklichung, nach
vermeintlicher Perfektion. Man weiß einfach, dass es irgendwo noch jemanden
gibt, der besser zu einem passt, der das eigene Leben sinnvoller ergänzt. […..]
Das ist jetzt der Zeitpunkt, an dem Kulturpessimisten
anfangen zu weinen.
Deutschland stirbt aus.
Die Menschen werden immer bindungsloser.
Niemand will mehr Verantwortung übernehmen.
Viel zu viele Ehen scheitern.
Geradezu zwanghaft käuen Politiker altbackene Begriffe
aus dem Familienverständnis der 1950er Jahre wieder.
Man merkt es auch beim Thema gleichgeschlechtliche
Ehe, das wieder einmal hochkocht.
Der Bundesrat will die Ehe für alle. Die rot-grün dominierte Länderkammer
hat für eine völlige Gleichstellung der Homo-Partnerschaften gestimmt. Jetzt ist
der Bundestag am Zug - doch die Union sträubt sich.
Weite Teile von CDU und CSU wehren sich noch gegen eine Öffnung der
Homo-Ehe - jetzt hat der Bundesrat den Druck auf die Union erhöht. Die rot-grün
dominierte Länderkammer beschloss am Freitag einen Gesetzesentwurf, nachdem
künftig mit gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften dieselben Rechte wie
in der traditionellen Ehe verbunden sein sollen. Neun der 16 Bundesländer
hatten den Antrag eingebracht. Nun muss sich der Bundestag damit befassen.
Die rheinland-pfälzische Familienministerin Irene Alt (Grüne) sagte, die
Länderkammer gebe dem Bundestag damit eine "gute Chance, die rechtliche
Diskriminierung zu beenden". Gleichgeschlechtliche Paare empfänden es als
"Schikane", dass sie nach wie vor kein Kind adoptieren könnten, sagte
Alt. CDU und CSU lehnen besonders das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare ab
und halten an der Institution Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau fest.
Ich habe eine gewisse Sympathie für Unions-Politiker
wie Geis, Steinbach, Uhl, Singhammer oder Reiche, die immerhin so ehrlich sind
auszusprechen, daß sie strikt dagegen sind, weil sie Lesben und Schwule für
minderwertig erachten und diese daher auch keine Kinder erziehen könnten.
Da weiß man wenigstens woher der Wind weht.
Schlimmer finde ich die aufgeschlossenere Gruppe der
CDU’ler, die mit aus 1950 entsprungenen adretten Schwulenpärchen zusammensitzen
und demonstrieren, daß diese auch ganz ordentlich und gutangezogen und spießig
sind.
Wenn sie sich nur möglichst stark an das altbackene
CDU-Familienideal anpassen – Kirche, Küche, Kind, Reihenhaus und natürlich
strikte Monogamie und Treue – dann könnte man ihnen doch womöglich doch Rechte
zugestehen, denn sie lebten doch konservative Werte, indem sie Verantwortung
für einander übernähmen.
Der Spießer der frühen 21. Jahrhunderts fürchtet sich
offenbar nicht mehr so sehr vor Analverkehr und Fellatio im Schlafzimmer des
Nachbarn, sondern zittert davor, daß sein eigenes simples Lebensmodell durch
etwas Besseres oder Aufregenderes in Frage gestellt wird.
Dieses vermeidliche Wilde, das Unstete, das Promiske
wird folgerichtig als „verantwortungslos“ oder eben als im wahrsten Sinne des
Wortes „wert-los“ diffamiert.
Das ist aber Bullshit.
Singles können sehr viel verantwortungsvoller agieren
als Menschen, die zufälligerweise in einer Beziehung gefangen sind.
Ich sehe jeden Tag Mütter, die intensiv auf ihr
Smartphone tippend ihre Blagen im Kinderwagen umherschieben.
In Krankenhäusern und Pflegeheimen habe ich über
Jahrzehnte völlig vereinsamte Menschen erlebt, die sehr wohl Kinder hatten, die
sich aber nie sehen ließen.
Glücklich sind diejenigen, die echte Freunde haben.
Freunde, die sich gerne um jemand kümmern. Die dies nicht nur widerwillig tun,
weil sie durch wie auch immer geartete Familienbande dazu gezwungen sind.
Möglicherweise schaffen sich Singles gesündere und
gefestigtere Strukturen als diejenigen, die sich ihre sozialen Partner nicht selbst
aussuchen, sondern lediglich durch genetischen Zufall an sie gebunden sind.
Was semimoderne CDU-Politiker wie Frau Klöckner
meinen, wenn sie „Homosexuelle“ loben, die „Verantwortung übernähmen“ und „Werte
lebten“ ist ein Code für „die poppen auch gar nicht sooo viel wie man immer
befürchtet!“.
Da wird es völlig absurd. Denn die Frequenz des Geschlechtsverkehrs
hat rein gar nichts mit „Verantwortung“ zu tun.
Das ist eine rein persönliche Entscheidung, die sich
der Bewertung durch andere entzieht.
Ich finde, daß Zölibatäre, Monogame oder Menschen mit
gelegentlich bis dauernd wechselnden Sexualpartnern prinzipiell gleich
verantwortungsvoll und moralisch sind – und zwar gilt das für Heteros, Bis und
Homos gleichermaßen.
VerantwortungsLOS ist man nur dann, wenn man andere
damit verletzt und oder gewissen Konsequenzen nicht vorbeugt.
Da man aber sehr leicht ungewollte Schwangerschaften
und Sexualkrankheiten verhindern kann, ist eine Frau, die dies alles bedenkt
und wöchentlich mit 20 Männern schläft, moralischer als ein beispielsweise ein
Mann, der in 20 Jahren einmal ein Kinder zeugt und sich nicht um dieses kümmert.
Ein Paar in einer monogamen oder offenen glücklichen Beziehung,
die nur drei Monate hält, lebt meiner Ansicht nach moralischer als ein das
Vorzeigeehepaar am Tage seiner goldenen Hochzeit, wenn die Frau
möglicherweise zur Heirat gezwungen wurde.
Die Ehe an sich hat gar keinen Wert – auch wenn
Politiker aller Parteien, das Grundgesetz und unser Steuersystem uns das
glauben machen wollen.
Heute wird von rechts bis links, quer durch alle
Schichten die Scheidungsrate beklagt. Eine geschiedene Ehe gilt als
"gescheitert" und wenn irgendein Politiker, Talkshowgast oder
zufälliger Passant einer Straßenumfrage erzählt, er wäre „schon“ 30 oder 40
Jahre verheiratet, hagelt es anerkennenden Applaus.
Dabei wird doch umgekehrt ein Schuh draus.
Es ist GUT, daß es Scheidungen gibt, weil dadurch
Beziehungen nicht unter Zwang fortgeführt werden müssen.
Wenn eine Ehe/Partnerschaft nach 2 oder 7 oder 15
Jahren endet, ist sie deswegen ja nicht gescheitert, sondern es können tolle 2
oder 7 oder 15 Jahre gewesen sein.
Eine 50-Jährige Ehe kann andererseits die reine Hölle
sein – für die Frau, für den Mann oder die Kinder.
Die „gute alte Zeit“, als es noch kaum Scheidungen
gab, war die Zeit, als Frauen in der Ehe vergewaltigt, geschlagen und dominiert
wurden, in der sie gar keine finanzielle Alternative gehabt haben, weil sie
anderenfalls geächtet worden wären oder hätten hungern müssen.
Oder sie waren lesbisch, oder der Mann war schwul –
Ehe mußte trotzdem sein.
Das ist doch alles Dreck, dieses Konzept der
Verherrlichung der heterosexuellen Zweierpartnerschaft, deren „Erfolg“ sich an
der Zahl der ausgebrüteten Uterus-Produkte misst.
Man kann es überall in der Weltliteratur finden was es
für Frauen in den letzten Jahrhunderten bedeutete in totaler Abhängigkeit ihres
Mannes zu leben.
Das waren sklavenartige Familienstrukturen mit
Sexpflicht und Prügelstrafe, aus denen die Frauen eigentlich nur durch ihren Tod
erlöst wurden.
Noch bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts
wurden in Deutschland geschiedene Frauen stigmatisiert.
Sie galten als „gefallen“ und Hunderttausende ihrer
Kinder wurden ihnen einfach weggenommen und in christliche Heime gesteckt, in
denen Prügel, Zwangsarbeit und sexueller Missbrauch an der Tagesordnung waren.
Daß es
diese grauenhaften Verhältnisse nicht mehr in der Form gibt, zeigt den Segen
der modernen Scheidungskultur.
Scheidungen
und gleichgeschlechtliche Partnerschaften bedeuten Wahlfreiheit – und alles
wovon Frau Steinbach und Frau Klöckner träumen ist letztendlich Zwang und
widernatürlich.
Ich
bewerte dabei Kinderwunsch und Form der Partnerschaft gar nicht.
Jeder
wie er möchte.
Aber die
Tatsache an sich, daß man also ein Kind hat oder 70 Jahre monogam verheiratet
ist, verdient ebenso viel Respekt wie jede andere Lebensentscheidung.
Ich wünsche
mir eine Gesellschaft, in der alles sein kann und nichts muß.
Binationale,
multireligiöse, asexuelle, polygame, patchworkige, polyamouröse, heterogame Beziehungen –
all das hat nur dann einen Wert, wenn es die anderen Formen daneben
gleichberechtigt und gleichakzeptiert gibt.
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