Wochenend
und Zeitungspein.
Nachdem
ich nun noch mal Dutzende Artikel zur US-Wahl gelesen habe, langweilt es mich
ein weinig immer den gleichen Tenor vorzufinden.
Etwas
lustlos werden jeweils Trumps neueste Ungeheuerlichkeiten referiert und
allwissend geraunt was für ein Glück der GOPer Orang für die Clinton-Kampagne
wäre.
So geht
das allgemeine Narrativ: Amerika pickte aus 330 Millionen Menschen ausgerechnet
die beiden Unbeliebtesten als Präsidentschaftskandidaten und nun fiele den
armen Wählern die undankbare Aufgabe zu das kleinere Übel zu wählen. Was für
ein Elend.
Dazu
habe ich heute ein paar persönliche Anmerkungen.
1.)
Mein
Mitleid mit den Wählern hält sich in Grenzen. Republikaner-Fans und die
wahlmüden Demokraten-Anhänger haben bei den Zwischenwahlen von 2010 und 2014,
sowie den Kongresswahlen von 2012 selbst für den allgemein beklagten Gridlock
gesorgt, der Extremisten wie Trump und Cruz erst möglich machte.
Bei den
Kongresswahlen vom am 4. November 2014 gaben nur 36 Prozent der
Wahlberechtigten ihre Stimme ab.
Wenn die
Wähler so sagenhaft unzufrieden mit dem House sind, aber alle zwei Jahre
mindestens 95% der Sitze-Inhaber wieder ins Parlament schicken, weil sie zu
faul sind zur Wahlurne zu gehen, haben sie kein Recht sich anschließend zu
beklagen.
2.)
Hillary
Clintons Alter und Erfahrung, ihre Nerd-Persönlichkeit, das Aktenfressen, die
wenig schillernde Persönlichkeit wird immer seufzend als „naja, wenigstens ist
die qualifiziert“ abgetan.
Qualifikation
für das mächtigste Amt der Erde ist aber keine Nebensächlichkeit, sondern
sollte das wichtigste Kriterium überhaupt sein. Beliebtheit, Humor, Schönheit
rangieren meilenweit dahinter.
3.)
Ja, ich
empfinde auch eine gewisse Clinton-Müdigkeit. Es liegt wohl im menschlichen
Charakter, daß man sich hin und wieder etwas neueres Frisches wünscht. Aber
wieso schlägt ihr eigentlich auch von Liberalen und Linken dieser blanke Hass
entgegen?
Gerade
in der dritten presidential debate gab die Demokratin beeindruckende gesellschaftspolitische
Statements ab, die ich nur unterschreiben kann:
Ein
klipp- und klares Roe-v-Wade-Ja, das ausdrückliche Bekenntnis
dazu, daß Strafrecht beim Thema Abtreibung nichts zu suchen hat. Sie bekannte
außerdem felsenfest bei der Besetzung des Supreme Courts darauf zu achten, daß
equal pay, LGBTI-rights etc gewährleistet bleiben, daß das Citizen-United-Skandalurteil, nach
dem Konzerne direkt den Wahlkampf finanzieren dürfen, abgeschafft gehört, daß
sie Background-checks bei Waffenverkäufen möchte. Evangelikale regt das natürlich
ganz fürchterlich auf, aber ich habe das noch von keinem Major-Party-Kandidaten
so klar gehört vor einer Präsidentschaftswahl. Recht sie hat!
4.)
Es
stimmt natürlich auch nicht, daß Clinton und Trump im ganzen Land verhasst
sind.
Beide
haben durchaus ihre Fan-base. Eine zweistellige Millionenzahl bejubelt Trump
völlig uneingeschränkt – egal ob er lügt, betrügt, vergewaltigt, rassistisch
hetzt oder durch sagenhafte Ignoranz schockiert.
Selbstverständlich
hat auch Hillary breite Unterstützung in ihrer Partei. Sehr viele verdanken ihr
Vieles. Ohne Unterstützung von der Basis hätte sie auch mit 300 Jahren
Erfahrung nicht nominiert werden können.
5.)
Clinton
verfügt nicht über die Strahlemann-Natur eines Justin Trudeaus, den jeder an
sich drücken, herzen und küssen möchte.
Fliegen einem
die Herzen so zu, hilft das enorm bei Wahlen.
Wer nicht über diesen Sonnenschein-Charakter verfügt,
kann wie Angela Merkel manisch alle zwei Tage Umfragen erstellen lassen und
fanatisch auf die eigenen Zustimmungswerte fixiert immer dahin mäandern, wo
Volkes Meinung ist.
Echte
Beliebtheit wie sie Barack Obama 2008 erfuhr, der in der ganzen Welt frenetisch
bejubelt wurde, dem 200.000 Menschen in Berlin enthusiasmiert applaudierten und
der auch gleich den Friedensnobelpreis als Kirsche auf der Torte erhielt, wird
Hillary Clinton nie erleben.
Sehen
wir es doch positiv.
Obama wurde durch die grenzenlose Begeisterung, die er 2008 überall auslöste vermutlich zu dem Gedanken verführt, er könne im Weißen Haus alles im Konsens erreichen, mit den Republikanern zusammenarbeiten, die arabische Welt proamerikanisieren, Kriege beenden.
Obama wurde durch die grenzenlose Begeisterung, die er 2008 überall auslöste vermutlich zu dem Gedanken verführt, er könne im Weißen Haus alles im Konsens erreichen, mit den Republikanern zusammenarbeiten, die arabische Welt proamerikanisieren, Kriege beenden.
Das
wurde zu einer gigantischen Bauchlandung.
Obama war so lange der nette Obama, bis er die
Mehrheit in beiden Häusern verloren hatte und unter die GWB-Beliebtheitswerte
sackte. Obama gab Geld für Infrastrukturmaßnahmen in den Bundesstaaten, welches
von den Gouverneuren abgelehnt wurde, um den Demokraten zu schaden. Er mußte
erst bitter lernen, daß GOPer eben NICHT das tun, was für ihr Land am besten
ist.
Obama
ist nach der Erfahrung in seiner vermeidlichen Lame-Duck-Phase aber ein
besserer Präsident denn je. Erst jetzt traut er sich den Republikanern richtig
Kontra zu geben und mit seiner ganzen potus-Macht zuzuschlagen.
Es
könnte sich noch als Glücksfall erweisen, daß Hillary Clinton seit Jahrzehnten
gewöhnt ist von vielen Menschen radikal abgelehnt zu werden.
Sie wird
sich keine Illusionen darüber machen, daß man mit konsensorientierten GOPern
nur vernünftig reden müsse, um gemeinsam voran zu kommen.
Sie wird
nicht danach streben überall Liebkind zu sein.
Sie will
verdammt noch mal Macht.
Ich
hoffe, daß es genauso kommt, daß sie innenpolitisch brutal und skrupellos
vorgehen wird. Sie soll vom ersten Tag an soziale Dinge durchprügeln, in der
SCOTUS-Frage so linksliberale Personen nominieren, daß Ryan und McConnell der
Kopf platzt.
Vermutlich
kann niemand so heftig gegen die Rechten durchgreifen wie eine Frau, die
erstens ohnehin unbeliebt bei ihnen ist und nichts zu verlieren hat und die
zweitens auch in einem Alter ist, daß sie weiß keine Jahrzehnte mehr Zeit zu
haben, um dicke Bretter zu bohren.
Go, Hillary!
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