Sex
finde ich aus zwei Gründen ganz schlecht.
·
Einerseits
ist er die Ursache für die gräßliche Überbevölkerung – und wir sind schon viel zu viele Menschen auf dem Planeten.
·
Andererseits
geht der Sexualtrieb oft mit Machtgefühlen einher, so daß eine in irgendeiner
Weise übergeordnete Person aus einer Machtposition heraus die Andere zum Sex nötigen
kann. Das beste Beispiel dafür ist Donald Trump, der ganz offensichtlich denkt
aufgrund seiner Berühmtheit und seines Reichtums auch 50 Jahre jüngere Frauen
beliebig an die „Pussy“ grabschen zu können. Wie ekelhaft von ihm.
Schließt
man aber diese beiden Problempunkte aus, indem man a) verhütet und b) streng
einvernehmlich Geschlechtsverkehr praktiziert, finde ich Sex gar nicht.
Sex
entzieht sich der moralischen und allgemeinen Bewertbarkeit.
Es ist absurd
eine so private und intime Angelegenheit zu preisen oder auf einer Skala zu
raten. Kein Mann und keine Frau steigt in meiner Achtung, weil er/sie besonders
viel Sex praktiziert.
Angesichts der extrem breiten Fächerung von
sexuellen Vorlieben erscheint es mir auch grotesk mit der Gestalt seiner
eigenen Primären, Sekundären oder Tertiären Geschlechtsmerkmalen zu prahlen.
Diminuiert
es nicht die menschliche Kultur, wenn den Werbern weltweit immer wieder nur
Anspielungen auf Busen und Penis als selling-arguments einfallen?
Es ist
selbstverständlich genauso absurd sexuelle Aktivität zu verdammen, wie es nach
wie vor in den allermeisten Kulturen und Religionen geschieht.
Aus
religiöser Sicht ist es sinnvoll die totale Enthaltsamkeit zu verlangen, da
sich so gut wie niemand daran halten kann und nur durch das daraus
resultierende schlechte Gewissen die Gläubigen ihren religiösen Führern
gegenüber hinreichend hörig und spendabel bleiben.
Darüber
hinaus macht der kulturelle Jungfrauenwahn aber keinen Sinn.
Es ist
erstens unfair, weil nicht jungfräulichen Männern frühere sexuelle Aktivitäten
nicht zu beweisen sind, während Frauen das Hymen-Problem haben.
Es ist
zweitens kontraproduktiv, da Geschlechtsverkehr wie die allermeisten
Tätigkeiten Übung erfordert. Glücklicherweise wird es also üblicherweise im
Laufe der Zeit besser als beim „Ersten Mal“.
Insofern
sind djihadische Märtyrer eher gestraft, wenn sie im Himmel bei Allah 72 mal
mit einer Jungfrau schlafen sollen.
Verblüffenderweise
sind die meisten Menschen im 21. Jahrhundert immer noch nicht in der Lage ein
neutrales Verhältnis zum Sex zu generieren.
In der
Pubertät kichert und geniert man sich, man verheimlicht vor den einen, um vor
den anderen umso mehr anzugeben.
In der
Öffentlichkeit, auch das zeigt der amerikanische Wahlkampf mustergültig, wird
schon das Sprechen über Sex als schockierend empfunden.
Verschämt
sprechen US-Anchors vom „P-Word“, als ob einen beim Aussprechen von „Pussy“
oder „Penis“ sofort der tödliche Blitzstrahl Gottes treffe.
Konterkariert
wird diese bizarre öffentliche Scham aber durch das immerwährende Faszinosum,
welches die sexuelle Aktivität von Celebritys aller Art darstellt.
Scottie
Nell Hughes kreischte noch vor einigen Tagen bei Erin Burnett hysterisch wie
sehr sie immer noch offended davon wäre, daß ihr kleiner Sohn vor 20 Jahren
fragte, was ein „Oral Office“ wäre, daß Bill Clinton das Amt wie kein anderer
beschmutzt habe.
Nun,
ganz offensichtlich war das was zwischen Bill Clinton und einer Praktikantin
vorging, einvernehmlich, bzw sogar aufgrund der enormen Schwärmerei Lewinskis
für ihren Chef entstanden. Clinton tat auch sicher nichts dafür dieses
Vorkommnis öffentlich zu machen. Es waren eindeutig Nell Huges‘ Republikaner,
die jahrelang über nichts anderes sprachen.
Ich
finde es irrelevant und unpeinlich, wenn ein Präsident oder Kanzler Oralsex mit
einer Person praktiziert, mit der er/sie nicht verheiratet ist.
Relevant
und peinlich ist aber, wenn sich Parteien und Kirchen auch 20 Jahre später so
brennend dafür interessieren, daß sie nicht aufhören können im maximalen
Hypocritenmodus darüber zu sprechen.
Ob
Angela Merkel im Bundeskanzleramt (einvernehmlichen) Sex mit anderen Menschen
als Prof Sauer hat, ist politisch und moralisch so uninteressant, daß ich nicht
sagen könnte, ob ich gut oder schlecht darüber denke.
Die
Deutschen und ihre Medien sind hingegen schon auf die Gegenfahrbahn geraten.
Nach der
großen Sorge, sie könnten aussterben, folgt nun das
Lamento darüber, daß hierzulange zu
wenig gepoppt werde.
Neue Studie zeigt:
Immer weniger Deutsche sind sexuell aktiv. Vor allem die Jungen hängen durch. [Brüllwitz-Wortspiel – T.]
Bei vielen jungen
Paaren herrscht heute Smog im Schlafzimmer: dicke Luft und kein Verkehr. Das
ergab eine Langzeitstudie der Universität Leipzig. Heute sind demnach nur noch
67 Prozent der Deutschen sexuell aktiv; im Jahre 2005 waren es noch fast 74
Prozent. Das liegt vor allem an der jungen Generation, die offenbar etwas
durchhängt. Hatte die US-Popsirene Madonna noch vor Jahren über die
einschlägigen Qualitäten junger Männer gejauchzt: "Sie wissen zwar nicht,
was sie da tun, aber sie tun es die ganze Nacht", so muss nun festgestellt
werden, dass fast 30 Prozent der jungen Menschen zwischen 18 und 30 Jahren nur
noch ausgefallenen Sex praktizieren. Montag ausgefallen, Dienstag ausgefallen … [….]
Was für
ein sagenhafter Unsinn.
Viel Sex
ist genau gut oder schlecht, wie wenig Sex.
Schuld
ist natürlich wieder einmal das böse Internet. Da der gemeine Millenial jederzeit unkompliziert mit Youporn eine
Masturbation einlegen kann, erspart er sich womöglich die zeitraubende Suche
nach realen Kopulations-Kumpanen.
So what?
Die
meiste Zeit in der Geschichte der menschlichen Zivilisation wurde Ersatz-Sex auf
einseitiger Basis vollzogen.
Prostitution gab es immer. Im 19. Jahrhundert
stellten bürgerliche Familien aus Angst vor der Syphilis ein „Hausmädchen“ an,
wenn sie einen pubertierenden Sohn hatten. (Stichwort Stefan Zweig: „Die Welt
von gestern“). Es gab das „Ius Prima Noctis“ und wie man aus dem Kinsey-Report
weiß, poppten Teenager in ländlichen Gebieten der USA in den prüden 50er Jahren
mit großer Selbstverständlichkeit Kühe und Schweine.
Schließlich
gab es gerade mal zwei Dekaden vor der AIDS-Krise, in denen Hippies und
Kommunarden tatsächlich mehr Sex unter erwachsenen Menschen auf freiwilliger
Basis hatten, aber das war den konservativen Schreiberlingen im „Hamburger
Abendblatt“ schon gar nicht recht.
Kaum zu
glauben; kaum poppen die Deutschen aber etwas weniger, wird das auch wieder
beklagt.
WARUM INTERESSIERT DAS JEMAND???
Die
Kollegen von der Süddeutschen Zeitung grübeln unterdessen wie zukünftig die „kulturelle
Leistung“ der Privatpornos zu bewerten sei.
Nach Erkenntnissen
einer Datenanalyse im Auftrag der Firma Vexcash hat jeder sechste Deutsche
schon einen »Privatporno« gedreht. Obwohl leicht rätselhaft bleibt, was um
Himmelswillen die übrigen fünf Sechstel mit ihren hochleistungsfähigen
Smartphonekameras anfangen, entsteht hier eine beeindruckende Datenmenge.
Selbst, wenn wir konservativ annehmen, dass also rund 10 Millionen Deutsche
jeweils einen etwa fünfminütigen »Privatporno gedreht« haben, ergibt dies eine
akkumulierte Privatporno-Laufzeit von fast hundert Jahren. Ist dies der wahre
Datenschatz, den die Cyberarchäologinnen der Zukunft heben werden, und mit
Hilfe dessen sie analysieren werden, wer wir waren? Ist es das, was am Ende von
uns und unserem Zeitalter bleiben wird? [….]
WIESO
INTERESSIERT DAS JEMAND???
Wir
wissen von Höhlenmalereien, daß auch Onkel Neandertaler poppte.
Was für
eine Überraschung.
Sofern
in 1000 Jahren noch Menschen existieren und dann Speichermedien mit sexuellen
Aufzeichnungen aus dem frühen Internetzeitalter auftauchen sollten, wird es
ebenso wenig überraschend sein, daß schon im 21. Jahrhundert gepoppt wurde.
Im „Jetzt“,
dem Jugend-Ableger der SZ, befürchtet man hingegen, die Liebe käme zu kurz.
Die Vereinbarkeit von
Liebe und Leben scheint 2016 keineswegs sichergestellt. „Wenn es mehr als ein
Jahr dauert, ohne Garantie, wie sollen wir uns dann bitteschön verlieben?"
Und leise, aber durchdringend höre ich das Schleifen der Verantwortung auf dem
Boden der Tatsachen, wie sie gerade wieder einmal von jedem einzelnen von sich
weggeschoben wird. Dass es an sich legitim ist, die Knappheit der Ressource
Zeit zu beklagen, dass in der Entschuldigung „keine Zeit für die Liebe“ ein
Viertelkörnchen Wahrheit steckt, weil man für viele Sachen wirklich keine Zeit
hat, macht diese Verteidigung nicht besser. [….]
Natürlich,
Herr Karig, war es in den meisten Jahrhunderten viel einfacher, als man Liebe
und Ehe synonym verwendete, als jemand anders die Auswahl des Partners
übernahm.
Onkel
Neandertaler schlug Tante Neandertaler aus dem Nachbarstamm vermutlich einfach
mit einer Keule bewußtlos und schleppte sie dann mit in seine Höhle.
Hat auch
funktioniert.
Durch
das Internet ist die Auswahl bei Sex und Liebe sehr viel größer. Das macht es
komplizierter als vor 300 Jahren, als für die Bauernmagd ohnehin nur der hinkende
Bauernjunge vom Nachbarhof blieb.
In der
Regel lebt man auch nicht mehr zusammen mit fünf Schweinen, drei Kühen und 12
Geschwistern in einem Schuppen, so daß nachts coram publico einmal über die
Angetraute rübergerollt wird – egal, ob sie will oder nicht.
So
einfach ist es nicht mehr.
Aber
will man solche Zeiten zurück?
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