Die ZEIT
bestätigte mir den Eingang des Schreibens, reagierte aber dann die nächsten
vier Wochen nicht.
…… Als Textchefin und Leserbriefbeauftragte der
ZEIT freue ich mich, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, sich mit unserer
Arbeit auseinanderzusetzen. Kritik und Lob sind uns gleichermaßen willkommen –
denn nur so können wir für Sie das bestmögliche Blatt machen.
Sie können versichert
sein, dass wir Ihre Zeilen aufmerksam lesen werden. Geben Sie uns dazu nur
bitte ein wenig Zeit, denn inzwischen erreichen uns – online, per Mail oder
ganz klassisch – per Brief monatlich mehrere Tausend Leserbotschaften. Und in
der Regel arbeiten all die, die am Entstehen einer Ausgabe beteiligt gewesen
sind, längst an der nächsten, wenn die ersten Reaktionen bei mir eintreffen ...
Es grüßt Sie derweil
herzlich aus Hamburg
Anna von Münchhausen
Textchefin/Redaktion
(ZEIT
12.05.14)
Daß die
gute Frau „von Münchhausen“ heißt, passt gut mit meiner Erwartungshaltung
bezüglich einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit meinen Anmerkungen
zusammen.
(Und da
Ironie ohne große Warnschilder manchmal nicht erkannt wird:
Nein, ich rechne NICHT damit, daß der Chefredakteur einer großen Wochenzeitung mit über 500.000 Auflage persönlich meinen Brief liest und womöglich gar die Ausrichtung seines Blattes deswegen ändert!)
Nein, ich rechne NICHT damit, daß der Chefredakteur einer großen Wochenzeitung mit über 500.000 Auflage persönlich meinen Brief liest und womöglich gar die Ausrichtung seines Blattes deswegen ändert!)
Betrachtet
man DIE ZEIT unter religiotischen Gesichtspunkten, ist sie in den letzten
Wochen sogar noch extremer geworden.
In der
aktuellsten ZEIT-Ausgabe ist die Rubrik „Glauben und Zweifeln“ übrigens mal
wieder auf den doppelten Umfang ausgedehnt worden. Nur das „Zweifeln“ hat di
Lorenzo - wie üblich – vergessen.
Zunächst gibt
es ein Interview mit Leonardo Kardinal Sandri, der aber nicht etwa korrekt in
der Form „(Vorname) Kardinal (Nachname)“ beschrieben wird, sondern tumb
Kardinal Leonardo Sandri genannt wird.
Aber das kennen
wir ja vom „klugen“ die Lorenzo – seine Kirchenbejublungsseiten strotzen vor
Fehlern.
Außer dem
äußerst untertänig geführten Kardinal-Interview gibt es noch einen Aufsatz von
stramm Papst-treuen Chef der Katholischen Nachrichten Agentur (KNO) Ludwig
Ring-Eifel und schließlich eine ganze weitere Seite voll des Lobes über Papst
Franzens Nahost-Reise.
Die
Pfingstausgabe titelte sogar durch und durch fromm und widmete gleich drei
ganze Seiten dem Katholizismus.
Verpackt
in die scheinbar kritische Überschrift „Suche Segen ohne Gott“ berichten am
05.06.14 die stramm christliche Chefin Evelyn Finger und ihre Kollegen über die
segensreiche Wirkung von christlichen Ritualen, nach denen sich angeblich auch
Atheisten vor Sehnsucht gieren.
Der
fromme Giovanni di Lorenzo bejubelt die Renaissance der religiösen Rituale.
Suche Segen ohne Gott:
Immer mehr Menschen feiern Taufen Hochzeiten und Begräbnisse jenseits der
Kirche. Manchmal helfen sogar Pfarrer mit. Ein Blick in die neue ZEIT-Ausgabe….
Nur zwei
Tage später am Samstag, den 07.06.14 erschien,
vorgezogen durch Pfingsten der neue SPIEGEL mit der Titelgeschichte „Ist da
jemand? Die Zukunft der Religion: Glaube ohne Gott.“
Wenn
plötzlich mehrere große Periodika mit derselben Geschichte titeln, haben sie in
der Regel einen gemeinsamen Anlass.
Diesmal
war es aber nicht das Datum der Ausgeißung des HeiGei (08.06.2014 &
09.06.2014), sondern das posthum erschienene Buch des Philosophen Ronald
Dworkin, der sich an eine Art Synthese zwischen Atheismus und Religiotismus
macht.
Natürlich
sind alle Religioten, die sich gar fürchterlich über das Schrumpfen des
deutschen Kirchismus grämen, schwer begeistert von der These. Atheisten sind in
Wahrheit eigentlich auch religiös. Ätschi!
Badde, Englisch, Keller, Finger, Kässmann,
Spaemann, Mosebach, Lohmann, Matussek, Hahne und Co, die seit vielen Jahren
trotz des pausenlosen Schlagens der Werbetrommel hilflos der Abkehr vom Christentum
zusehen mußten, haben endlich einen Ausweg.
Die
naheliegenden Gründe für die Abkehr vom Christentum kommt den Frommen leider
nicht in den Sinn:
1.) Ihr Ideologie ist antihumanistischer
Mist
2.) Sie schreiben lahm und langweilig.
Deutsches
Christentum 2014 ist leider weitgehend unerträglich,
wenn man sein Hirn nicht komplett abgeschaltet hat.
Buchbesprechung
Andreas Englisch: "Franziskus. Zeichen der Hoffnung"
Auch in seinem neuen,
bestenfalls eine wirre Anekdotensammlung zu nennenden Machwerk verwechselt der
Boulevardschreiber Andreas Englisch sein unappetitliches Schnüffeln am Rock des
neuen und des alten Papstes mit Journalismus.
Andreas
Englisch: "Franziskus – Zeichen der Hoffnung"
Wie schwer es ist zu
lügen, wenn man die Wahrheit nicht kennt, lässt sich aus diesem sagenhaft zusammengestoppelten
Machwerk des gläubigen Vatikan-Hofberichterstatters Andreas Englisch erkennen.
"'Wisst ihr denn auch, warum kein Mensch einen Reporter braucht'",
lässt er darin Papst Benedikt 16. einen ihn begleitenden Journalistentross fragen
und auch sogleich die Antwort geben: "'Weil vor 2000 Jahren genau hier am
Berg der Seligpreisungen ein Mann stand, der gesagt hat, Selig sind die
Barmherzigen … Kein Reporter hat damals mitgeschrieben, und doch hat die Zeit
dieses Wort nicht auslöschen können.' … Als er das sagte, dachte ich, er hat
recht." Leider hat Andreas Englisch daraus die Konsequenz gezogen und hat
von Reporter auf Apostel umgesattelt.
Üblicherweise
schreibt der SPIEGEL wesentlich bessere Artikel über Religion als die ZEIT. Das
kann sehr kurzweilig zu lesen sein, wenn beispielsweise Peter Wensierski der
Autor ist.
Zumal
Matthias Matussek nun zu seinen Freunden von der stramm rechten WELT gewechselt
ist.
Um es
vorweg zu nehmen: Diesmal ist das leider überhaupt nicht gelungen.
Man
hätte schon allein deswegen skeptisch sein müssen, weil zur Titelgeschichte ein
zweiseitiges Interview mit den ultrafundamentalistischen Topreligioten Robert
Spaemann gehört, der sich spätestens mit seinen blind hetzenden Hassattacken
gegen Konfessionslose während der Beschneidungsdebatte als ernstzunehmender
Philosoph endgültig disqualifizierte.
Als Christ des Tages Nummer 64 ist Spaemann
immer wieder durch groteske Verwünschungen aufgefallen.
Wieso
Spiegel-Autor Roman Leick ein devotes Interview mit ihm im Zusammenhang mit der
Titelgeschichte führen durfte wird wohl das ewige Geheimnis des neuen
Chefredakteurs Wolfgang Büchner sein.
Roman
Leick ist zusammen mit Susanne Beyer auch der Autor der Titelstory, die sich
wesentlich am Pastor Johann Hinrich Claussen aus Hamburg Harvestehude und eben Ronald
Dworkins Buch „Religion ohne Gott“ orientiert.
Für
diejenigen, die sich noch nicht mit Dworkin beschäftigt haben, sei auf die
Buchkritik von Thomas Assheuer verwiesen. Assheuer
berichtet wohlwollend über Dworkin, zeigt aber auch die eklatanten Schwächen
des Buches auf.
Hauptkritikpunkt
ist die mangelnde Allgemeingültigkeit des Dworkin-Ansatzes. Er argumentiert aus
einer sehr amerikanischen Perspektive und hat die dortigen Ausprägungen der
alltäglichen Volksfrömmigkeit vor Augen.
Hätte George W. Bush
die Al-Kaida-Terroristen nicht foltern lassen, wenn er zuvor Religion ohne Gott gelesen hätte?
Würden Islamisten, die ihre Religion zur Waffe machen, sich beim Blick in den
Sternenhimmel mit Andersgläubigen verständigen können? Natürlich nicht, aber
vermutlich hatte Dworkin eher jenen geistigen Bürgerkrieg in den USA im Blick,
in dem liberale Atheisten und konservative Evangelikale sich wechselseitig den
Teufel an den Hals wünschen. Dworkin ist jedenfalls die Bestürzung über den
heillosen Streit um das Heil anzumerken, dieser scheint sogar seine Theorie des
Liberalismus zu verdunkeln.
Leick
und Beyer haben offensichtlich auch Assheuer gelesen. Aber ob sie Dworkin
richtig verstanden haben, ist mehr als fraglich.
Dessen
Thesen be- oder widerlegen sie nicht, sondern setzen sie einfach voraus.
Ein
Atheist muß ja, laut SPIEGEL-Titelgeschichte frustriert davon sein, daß seine
Weltsicht so gar keinen Platz für Schönheit und „Erhabenes“ hat. Deswegen sehnt
er sich nach Metaphysik.
So
einfach ist das.
Als
Beleg wird die seit Jahren immer wieder zitierte Bertelsmannstudie
herangezogen, nach der große Teile der Gesellschaft religiös sind – auch wenn
sie aus der Kirche ausgetreten sind.
Es handelt
sich um jene methodisch fragwürdige Studie, in der Interesse am Phänomen
Religion mit Religiosität verwechselt wird. Schon Michael Schmidt-Salomon
beklagte sich, daß er nach Ausfüllen des Bertelsmann-Fragebogens als
hochreligiös gezählt wurde.
Leick
und Beyer nehmen es aber nicht so genau mit der Wissenschaft und versteigen
sich sogar zu der abstrusen Aussage die Naturwissenschaften wendeten sich von
der reinen Vernunft ab, da sie erkannt hätten wie viele „Irrationalismen“ (Laut
Dworkin also letztendlich auch „religiöse Phänomene“) die Rationalität
bestimmten.
Das, Entschuldigung
lieber SPIEGEL, ist natürlich blanker Unsinn.
Vollends
grotesk werden Leick und Beyer aber erst, wenn sie Nichtgläubigen ohne
überzeugende Herleitung einfach als „religiös“ abstempeln, indem sie ihnen
andichten sich unerfüllt zu fühlen. Sie hätten „ein Problem.“
So haben nicht nur die
Christen zu kämpfen mit den Zumutungen ihres Glaubens, auch Atheisten haben ein
Problem: Die Ratio absolut zu setzen, das funktioniert nicht mehr. [….] Die Rationalität fordert ihr Recht, aber eben auch das Gefühl. Niemand
will in einer total entzauberten Welt leben. Außerdem lauert in der
Gottlosigkeit, so haben es schon viele Dichter und Denker gesehen, allen voran
Friedrich Nietzsche und Fjodor Dostojewski, der Nihilismus, die totale
Verneinung. Eine Gesellschaft aber kann nicht auf Nihilismus bauen, sie braucht
verbindliche Werte, Menschen, die eine Einsicht haben in die Notwendigkeit
ethischen Verhaltens. Wenn also Gläubige Schwierigkeiten haben mit der
überkommenen Bilderwelt und Atheisten den drohenden Nihilismus fürchten, könnte
eine „Religion ohne Gott“, über die Claussen in seiner Predigt nachdenken will,
ein gemeinsamer Nenner sein, auf den sich Theisten und Atheisten einigen. […]
Fordern nicht der Glaube und der Unglaube
ein Bekenntnis und auch die gegenseitige Konfrontation, damit sich die jeweiligen
Positionen schärfen und weiterentwickeln können?
(DER
SPIEGEL 24/2014 s.61)
Was für
ein Unsinn. Hier sprechen Religiöse, die sich nicht aus ihrer eingeschränkten
Weltsicht lösen können.
Wer
nicht metaphysisch tickt, fürchtet sich vor Nihilismus und betreibt totale
Verneinung.
Geradezu
absurd, daß dem Unglauben „ein Bekenntnis“ abverlangt wird.
Hier
dringt die uralte Mär von den Atheisten ohne Werte durch.
Dabei
ist es genau umgekehrt.
Unsere
Menschenrechte wurden weitgehend gegen den erbitterten Widerstand der Religonen
erkämpft.
Und nur
weil ein Atheist nicht an das Hirngespinst „Gott“ glaubt, ist er deswegen kein
bißchen emotional oder ethisch eingeschränkt. Ganz im Gegenteil; erst der „evolutionäre
Humanismus“ befähigt zu einer Ethik ohne religiöse Beschränkungen.
Und
schon gar nicht bedeutet Rationalität den Ausschluß von Kunst.
Kunst
gibt dem Atheisten Empfindungen, Emotionen und die Erhabenheit, die sich die
SPIEGEL-Autoren in ihrer verengten Sicht der Dinge offenbar nicht ohne Religion
vorstellen können.
Aber es
wird noch schlimmer.
Wenn man Dworkin
folgt, gibt es für Gottesgläubige und Ungläubige, für Theisten und Atheisten,
keinen Grund, einander zu bekämpfen. Sie wären wahlweise in einem religiösen
oder allgemeinen Humanismus vereint. Der säkulare Humanismus wäre selbst eine
Spielart der Religion, weil er auch ein Glaube ist: eben an diese unveräußerlichen
Werte, an deren Wahrheit, Gültigkeit.
(DER
SPIEGEL 24/2014 s.62)
Der
SPIEGEL deutet den Humanismus säkularer Prägung sogar zu einer „Spielart der
Religion“ um, obwohl es gerade die Religion war, die den Humanisten über
Jahrhunderte feindselig gegenüber stand. Noch heute sind es die Religiösen, die
sich in erster Linie gegen Frauen- oder Schwulenrechte, also HUMANISTISCHE
Anliegen wehren.
Über die
letzten Zitate Leicks und Beyers möge man sich allein weiter ärgern. Atheisten
und Wissenschaftler kämen ob ihrer Eingeschränktheit an Grenzen und da beträten
sie automatisch die religiöse Welt.
Es erübrigt sich ob der offensichtlichen Idiotie ein Kommentar.
Es erübrigt sich ob der offensichtlichen Idiotie ein Kommentar.
Die Entzauberung der
Welt durch die Wissenschaft, die Technik und die Rationalität ist eine geistige
Leistung. Der reduktionistische Materialismus greift zu kurz. Das menschliche Denken, die Erkenntnisfähigkeit,
bleibt in sich selbst gefangen. So hat der Geist aber keinen Ausdruck für das,
was dem Menschen immer wieder begegnet: die Erfahrung des Erhabenen. Die- se
Erfahrung ist eine des Gefühls. Und hier
beginnt die religiöse Dimension. […]
Der Blick auf die
Schönheit des Universums ist ein unwissenschaftlicher Blick – und insofern ein religiöser. Die Physik
kann selbst nicht erklären, warum das Universum als schön erkannt wird. Das religiöse Empfinden bleibt der
Erklärung der Wissenschaft einen Schritt voraus.
[….] Was Unsterblichkeit, das Leben nach dem
Tod, wirklich bedeutet, lässt sich ausmalen, aber nicht ernsthaft denken. Dennoch
ist es ein attraktives Angebot derjenigen Religionen, etwa des Christentums und
des Islam, die es verheißen. Es nimmt die Furcht vor dem Nichts, der
vollständigen Auslöschung.
(DER
SPIEGEL 24/2014 s.63)
Oh Dear.
SPIEGEL goes Finger. Wenn nicht sogar Englisch.
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