Und
schon wieder einmal Anlass mich mit Abscheu und Empörung von der Jugend- und
Bildungspolitik Deutschlands abzuwenden.
Dabei
ist es für Kinder ohnehin nicht sehr spaßig in Deutschland aufzuwachsen.
Das Bundeskriminalamt
(BKA) hat die polizeiliche Kriminalstatistik im Hinblick auf Straftaten gegen
Minderjährige ausgewertet und in Berlin seine Ergebnisse präsentiert. Demnach
starben im vergangenen Jahr 153 Kinder in Deutschland durch Gewalt und
Vernachlässigung. Mehr als drei Viertel von ihnen waren jünger als sechs Jahre,
84 von ihnen höchstens zwei Jahre alt.
Insgesamt wurden 4016
Kindesmisshandlungen polizeilich registriert - die Dunkelziffer ist aber
bekanntermaßen groß. Noch immer droht Schutzbefohlenen die größte Gefahr aus
dem direkten Umfeld: Bei der Hälfte der Todesfälle bestand zwischen Täter und
Opfer ein Erziehungs- und Betreuungsverhältnis. "Diese Kinder wurden also
in ihrem sozialen Nahraum getötet durch Personen, deren Aufgabe es gewesen
wäre, für das Wohlbefinden und die Sicherheit dieser Kinder Sorge zu
tragen", sagte BKA-Präsident Jörg Ziercke.
13.647 Minderjährige wurden Opfer sexuellen
Missbrauchs […]
Ich
nehme mal an, daß diese „Ereignisse“ nicht unbedingt politisch gewollt sind,
aber die Jugendämter personell besser ausstatten will man auch nicht.
Mir läge
aber auch daran, Kinder in den Bildungseinrichtungen eine bessere Erziehung
mitzugeben.
In
diesem Zusammenhang wende ich mich auch entschieden gegen Projekte, die Schüler von Anfang an nur auf dem Laptop
lernen lassen.
Ich
befürchte, daß viele Fertigkeiten, die nur mit gewisser Mühe zu erlernen sind,
dadurch verkümmern und letztendlich das ganze Denken simplifiziert wird.
Sich
gegen Computer in der Schule zu positionieren ist ein aussichtsloser Kampf,
aber das entsprechende Hamburger Pilotprojekt widerstrebt mir in extremer
Weise.
Der
Verfall der kindlichen Fertigkeiten ist allerdings schon erheblich weiter
fortgeschritten, als man angesichts der Pläne ZUKÜNFTIG auf Handschrift zu
verzichten, vermuten mag.
Das
tumbe Konsumieren im frühen Kindesalter – also indem durch Fernsehen und Co
ständig das Gehör und die Augen gereizt werden, ohne daß das Kind REagiert oder
etwa körperlich INTERagiert, führt zur Verkümmerung vieler feinmotorischer
Fähigkeiten. Simpelste Anforderungen wie eine Schleife zu binden, auf einem
Bein zu stehen oder gar mit der Hand schreiben zu können, werden vermutlich
aussterben.
Das
erinnert mich an eine sehr interessante SPIEGEL-TV-Reportage von
Markus Grün, die 2008 einen 90-minütigen Blick auf die zweitägige Eignungsprüfung der Sporthochschule Köln
warf.
Fazit:
Ja, es
gibt sie noch, die sportlichen Abiturienten, aber das sind wenige. Viele sind „sehr
schlecht“, weil ihnen die Grundsportlichkeit fehlt. Sie haben nie gelernt
Körperspannung zu halten, gerade zu sitzen, ihre Muskeln zu koordinieren.
(Da ich
selbst unsportlich bin, sei an dieser Stelle festgehalten, daß es um
Jugendliche geht, die SPORT STUDIEREN wollen und nicht nur die Durchschnitts-Abiturienten!)
Von den über 2000
Bewerbern, die sich für das kommende Wintersemester angemeldet haben, wird etwa
die Hälfte durchfallen.
Eine Versagerquote mit
steigender Tendenz. Denn in den letzten zehn Jahren hat die Sportlichkeit der
angehenden Studenten arg gelitten. Übergewicht, zu wenig Breitensportförderung
und mangelnde Vorbereitungen zählen zu den Hauptursachen für den schlechten
Allgemeinzustand der Bewerber.
Beim Hochsprung fällt
die Trägheit der Masse besonders schwer ins Gewicht. 1,40 Meter müssen die
Männer in dieser Disziplin mindestens überspringen - für viele der über 1,80
großen Bewerber eine schier unlösbare Aufgabe. Bei den Frauen liegt die Latte
sogar nur bei 1,20 Meter.
"Das ist doch nur
ein geschicktes Sich-Fallen-Lassen, was die hier bringen!", schimpft der
Prüfer angesichts der zahlreichen Tiefflieger. Und legt nach: "Dabei ist
die Prüfung nicht schwerer als ein normales Sportabzeichen."
Besonders gefürchtet
beim Eignungstest: Schwimmen.
Bei kaum einer
Teilprüfung gehen so viele Kandidaten baden. Manche plumpsen beim Kopfsprung
eleganzfrei ins Wasser, andere tauchen wie ein nasser Sack. Zudem bewegt sich
nicht jeder, der sich über Wasser hält, den Regeln entsprechend - und ist
obendrein schnell genug.
(Jochen Leffers 08.10.2008)
(Jochen Leffers 08.10.2008)
"War gut",
kommentiert Dozentin Karin Martin lakonisch - "kindgemäß. Wie ein
Kleinkind." Die Prüferin hat in ihren Jahren an der Deutschen
Sporthochschule in Köln die Kandidaten schon zu Tausenden straucheln gesehen
und dabei offenbar einen etwas verschrobenen Humor entwickelt. Freundlich, aber
streng kontrolliert sie den korrekten Bewegungsablauf - und fiebert durchaus
mit.
Zum Beispiel bei
Christina, die erkennbar kein Turngenie ist und zudem bei der Kleiderwahl
daneben lag: Kurzes grünes Shirt, lange schwarze Hose - das macht optisch was
her, aber beim Pferdsprung Probleme, weil die Hose über den Boden wischt.
"Hochkrempeln, du kannst dich so böse verletzten", rät Martin.
Trotzdem kracht Christina gegen das 1,20 Meter hohe Pferd, zwei Helfer fangen
sie auf.
"Lag an der
Hose", sagt Karin Martin vor dem Sprung und grinst. Danach: "Lag
nicht an der Hose." Den einen oder anderen Lapsus von Christina beim
Bodenturnen verbucht sie sarkastisch unter "Körpererfahrung". Die
Kandidatin erhält noch eine letzte Chance, sie muss die Übung wiederholen.
Die hier
portraitierten Jugendlichen, die sich an Deutschlands bester Sport-Uni bewarben,
sich also immerhin selbst für besonders sportlich hielten, müssen +/- Jahrgang
1988 sein.
Die
Extrapolation auf Abiturienten, die heute in Deutschland geboren werden, ist
gruselig.
Ein Großteil der
Erstklässler kann heute laut einer Forscherin nicht mehr richtig mit der Hand
schreiben. Etwa 70 Prozent der Schüler brächten nach dem Kindergarten nicht
mehr die nötigen motorischen Voraussetzungen für das sogenannte Kritzel-Alphabet
mit, sagte die Nürnberger Bildungsforscherin Stephanie Müller. Diese
zeichnerischen Elemente wie kleine Schleifen, Schlangen- oder Zickzacklinien
seien die Grundlage für verbundene Schriften mit Buchstaben, die ineinander
übergehen wie bei der Schreibschrift. Die Gründe seien unter anderem: Zu wenig
Bewegung, fehlende Fingerfertigkeit, keine Eltern als Vorbilder und moderne
Geräte wie Smartphones und Tablet-Computer.
„Die Kindheit heute
ist nicht mehr so bewegt“, sagt Müller. Früher habe man viel draußen gespielt,
sei rumgehüpft und auf Bäume geklettert. „Heute können Kinder in der dritten
Klasse nicht mal mehr gerade rückwärtsgehen oder freihändig auf einem Bein
stehen.“ Auch Aufgaben, die Fingerfertigkeit erfordern, wie etwa einen Faden
einfädeln oder eine Schleife am Schuh binden, seien meist nicht mehr nötig
durch Klettverschlüsse und Druckknöpfe. Grob- und Feinmotorik prägten sich
dadurch nicht mehr gut aus.
[……]
Zudem seien bei Smartphones und
Tabletcomputern ganz andere Handbewegungen und Muskeln nötig als beim Halten
eines Stiftes. „Dafür braucht man nur den Zeigefinger oder beide Daumen zum
Tippen, oder das Handgelenk, wenn man über das Pad wischt.“
Die 46-jährige Kunst-
und Medienpädagogin plädiert dafür, schon in der Lehrerausbildung mehr Wert auf
das Schreiben-Lehren zu legen. „Die meisten Lehrer sind hilflos. Sie wissen
nicht, wie man den Kindern das Schreiben beibringt.“ Und sie hätten wegen des
vielen Unterrichtsstoffs in den höheren Klassen auch gar keine Zeit dafür.
„Seit zwei Jahren kommen selbst im Lehrer-Seminar junge Anwärter zu mir, die
nicht mehr schreiben können. Und wenn schon die Lehrerin den Stift falsch hält,
wie soll es dann der Schüler lernen?“, sagt die gelernte Grundschullehrerin. [….]
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