Samstag, 14. Juni 2014

Ich bin alt und konservativ – Teil II


Und schon wieder einmal Anlass mich mit Abscheu und Empörung von der Jugend- und Bildungspolitik Deutschlands abzuwenden.
Dabei ist es für Kinder ohnehin nicht sehr spaßig in Deutschland aufzuwachsen.

Das Bundeskriminalamt (BKA) hat die polizeiliche Kriminalstatistik im Hinblick auf Straftaten gegen Minderjährige ausgewertet und in Berlin seine Ergebnisse präsentiert. Demnach starben im vergangenen Jahr 153 Kinder in Deutschland durch Gewalt und Vernachlässigung. Mehr als drei Viertel von ihnen waren jünger als sechs Jahre, 84 von ihnen höchstens zwei Jahre alt.
Insgesamt wurden 4016 Kindesmisshandlungen polizeilich registriert - die Dunkelziffer ist aber bekanntermaßen groß. Noch immer droht Schutzbefohlenen die größte Gefahr aus dem direkten Umfeld: Bei der Hälfte der Todesfälle bestand zwischen Täter und Opfer ein Erziehungs- und Betreuungsverhältnis. "Diese Kinder wurden also in ihrem sozialen Nahraum getötet durch Personen, deren Aufgabe es gewesen wäre, für das Wohlbefinden und die Sicherheit dieser Kinder Sorge zu tragen", sagte BKA-Präsident Jörg Ziercke.
 13.647 Minderjährige wurden Opfer sexuellen Missbrauchs […]

Ich nehme mal an, daß diese „Ereignisse“ nicht unbedingt politisch gewollt sind, aber die Jugendämter personell besser ausstatten will man auch nicht.

Mir läge aber auch daran, Kinder in den Bildungseinrichtungen eine bessere Erziehung mitzugeben.

In diesem Zusammenhang wende ich mich auch entschieden gegen Projekte, die Schüler von Anfang an nur auf dem Laptop lernen lassen.
Ich befürchte, daß viele Fertigkeiten, die nur mit gewisser Mühe zu erlernen sind, dadurch verkümmern und letztendlich das ganze Denken simplifiziert wird.
Sich gegen Computer in der Schule zu positionieren ist ein aussichtsloser Kampf, aber das entsprechende Hamburger Pilotprojekt widerstrebt mir in extremer Weise.

Der Verfall der kindlichen Fertigkeiten ist allerdings schon erheblich weiter fortgeschritten, als man angesichts der Pläne ZUKÜNFTIG auf Handschrift zu verzichten, vermuten mag.
Das tumbe Konsumieren im frühen Kindesalter – also indem durch Fernsehen und Co ständig das Gehör und die Augen gereizt werden, ohne daß das Kind REagiert oder etwa körperlich INTERagiert, führt zur Verkümmerung vieler feinmotorischer Fähigkeiten. Simpelste Anforderungen wie eine Schleife zu binden, auf einem Bein zu stehen oder gar mit der Hand schreiben zu können, werden vermutlich aussterben.

Das erinnert mich an eine sehr interessante SPIEGEL-TV-Reportage von Markus Grün, die 2008 einen 90-minütigen Blick auf die zweitägige Eignungsprüfung der Sporthochschule Köln warf.

Fazit:
Ja, es gibt sie noch, die sportlichen Abiturienten, aber das sind wenige. Viele sind „sehr schlecht“, weil ihnen die Grundsportlichkeit fehlt. Sie haben nie gelernt Körperspannung zu halten, gerade zu sitzen, ihre Muskeln zu koordinieren.
(Da ich selbst unsportlich bin, sei an dieser Stelle festgehalten, daß es um Jugendliche geht, die SPORT STUDIEREN wollen und nicht nur die Durchschnitts-Abiturienten!)

Von den über 2000 Bewerbern, die sich für das kommende Wintersemester angemeldet haben, wird etwa die Hälfte durchfallen.
Eine Versagerquote mit steigender Tendenz. Denn in den letzten zehn Jahren hat die Sportlichkeit der angehenden Studenten arg gelitten. Übergewicht, zu wenig Breitensportförderung und mangelnde Vorbereitungen zählen zu den Hauptursachen für den schlechten Allgemeinzustand der Bewerber.
Beim Hochsprung fällt die Trägheit der Masse besonders schwer ins Gewicht. 1,40 Meter müssen die Männer in dieser Disziplin mindestens überspringen - für viele der über 1,80 großen Bewerber eine schier unlösbare Aufgabe. Bei den Frauen liegt die Latte sogar nur bei 1,20 Meter.
"Das ist doch nur ein geschicktes Sich-Fallen-Lassen, was die hier bringen!", schimpft der Prüfer angesichts der zahlreichen Tiefflieger. Und legt nach: "Dabei ist die Prüfung nicht schwerer als ein normales Sportabzeichen."

Besonders gefürchtet beim Eignungstest: Schwimmen.
Bei kaum einer Teilprüfung gehen so viele Kandidaten baden. Manche plumpsen beim Kopfsprung eleganzfrei ins Wasser, andere tauchen wie ein nasser Sack. Zudem bewegt sich nicht jeder, der sich über Wasser hält, den Regeln entsprechend - und ist obendrein schnell genug.
(Jochen Leffers 08.10.2008)

"War gut", kommentiert Dozentin Karin Martin lakonisch - "kindgemäß. Wie ein Kleinkind." Die Prüferin hat in ihren Jahren an der Deutschen Sporthochschule in Köln die Kandidaten schon zu Tausenden straucheln gesehen und dabei offenbar einen etwas verschrobenen Humor entwickelt. Freundlich, aber streng kontrolliert sie den korrekten Bewegungsablauf - und fiebert durchaus mit.
Zum Beispiel bei Christina, die erkennbar kein Turngenie ist und zudem bei der Kleiderwahl daneben lag: Kurzes grünes Shirt, lange schwarze Hose - das macht optisch was her, aber beim Pferdsprung Probleme, weil die Hose über den Boden wischt. "Hochkrempeln, du kannst dich so böse verletzten", rät Martin. Trotzdem kracht Christina gegen das 1,20 Meter hohe Pferd, zwei Helfer fangen sie auf.
"Lag an der Hose", sagt Karin Martin vor dem Sprung und grinst. Danach: "Lag nicht an der Hose." Den einen oder anderen Lapsus von Christina beim Bodenturnen verbucht sie sarkastisch unter "Körpererfahrung". Die Kandidatin erhält noch eine letzte Chance, sie muss die Übung wiederholen.

Die hier portraitierten Jugendlichen, die sich an Deutschlands bester Sport-Uni bewarben, sich also immerhin selbst für besonders sportlich hielten, müssen +/- Jahrgang 1988 sein.
Die Extrapolation auf Abiturienten, die heute in Deutschland geboren werden, ist gruselig.

Ein Großteil der Erstklässler kann heute laut einer Forscherin nicht mehr richtig mit der Hand schreiben. Etwa 70 Prozent der Schüler brächten nach dem Kindergarten nicht mehr die nötigen motorischen Voraussetzungen für das sogenannte Kritzel-Alphabet mit, sagte die Nürnberger Bildungsforscherin Stephanie Müller. Diese zeichnerischen Elemente wie kleine Schleifen, Schlangen- oder Zickzacklinien seien die Grundlage für verbundene Schriften mit Buchstaben, die ineinander übergehen wie bei der Schreibschrift. Die Gründe seien unter anderem: Zu wenig Bewegung, fehlende Fingerfertigkeit, keine Eltern als Vorbilder und moderne Geräte wie Smartphones und Tablet-Computer.
„Die Kindheit heute ist nicht mehr so bewegt“, sagt Müller. Früher habe man viel draußen gespielt, sei rumgehüpft und auf Bäume geklettert. „Heute können Kinder in der dritten Klasse nicht mal mehr gerade rückwärtsgehen oder freihändig auf einem Bein stehen.“ Auch Aufgaben, die Fingerfertigkeit erfordern, wie etwa einen Faden einfädeln oder eine Schleife am Schuh binden, seien meist nicht mehr nötig durch Klettverschlüsse und Druckknöpfe. Grob- und Feinmotorik prägten sich dadurch nicht mehr gut aus.
[……]  Zudem seien bei Smartphones und Tabletcomputern ganz andere Handbewegungen und Muskeln nötig als beim Halten eines Stiftes. „Dafür braucht man nur den Zeigefinger oder beide Daumen zum Tippen, oder das Handgelenk, wenn man über das Pad wischt.“
Die 46-jährige Kunst- und Medienpädagogin plädiert dafür, schon in der Lehrerausbildung mehr Wert auf das Schreiben-Lehren zu legen. „Die meisten Lehrer sind hilflos. Sie wissen nicht, wie man den Kindern das Schreiben beibringt.“ Und sie hätten wegen des vielen Unterrichtsstoffs in den höheren Klassen auch gar keine Zeit dafür. „Seit zwei Jahren kommen selbst im Lehrer-Seminar junge Anwärter zu mir, die nicht mehr schreiben können. Und wenn schon die Lehrerin den Stift falsch hält, wie soll es dann der Schüler lernen?“, sagt die gelernte Grundschullehrerin. [….]


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