Sonntag, 29. Juni 2014

Heuchel-Horst

Wenn in einer postdemokratisch-obrigkeitshörigen Partei wie der CDU oder CSU auch nur eins von Hunderttausenden Mitgliedern einen im entferntesten Sinne kritischen Satz formuliert, macht sich Entsetzen in der Parteiführung breit.
Journalisten sprechen sofort von „Rebellion“, „Aufstand“ und „Endzeit“.

Dabei waren es doch nur Ferber, Huber und Friedrich, die es wagten mal nicht vor Seehofer in den Staub zu fallen.
Ferber hatte da aber schon seine Mega-Klatsche bei der EU-Wahl abgeholt und die anderen beiden sind ohnehin schon vom CSU-Chef geschasst worden und auf dem Karriere-Abstellgleis gelandet.

In der Einmeinungspartei CSU war es leicht wieder die alte Ordnung herzustellen.

Alles super bei der CSU, findet die CSU
[…]  "Geschlossenheit" und "Harmonie" waren in der CSU in den vergangenen Wochen nicht gerade die am häufigsten verwendeten Begriffe. Das änderte sich spürbar, als es am Samstag nach manchem Streit schließlich zur lang erwarteten Krisenklausur der CSU kam. Stundenlang debattierte der Vorstand in der Parteizentrale in der Nymphenburger Straße, Stunde um Stunde musste die Abschluss-Pressekonferenz von Parteichef Horst Seehofer verschoben werden. Und während oben auch nach 18 Uhr noch getagt wird, verlassen diejenigen Parteigrößen mit Anschlussterminen schon das Gelände. "Geschlossenheit", meint Ilse Aigner. "Konstruktiv", findet Staatskanzleichefin Christine Haderthauer. "Teambuilding gelungen", sagt Finanzminister Markus Söder. Alles super.
[…]  Der CSU-Chef ist zwar einerseits weitgehend unangefochten. Andererseits war er hochgradig verärgert über die Kritik der Parteifreunde, vor allem über die Anmerkungen, die er als ungerecht empfindet. Und er war entschlossen, sich vieles nicht länger bieten zu lassen.
[…]  Dafür, dass praktisch jeder vor der Sitzung Befragte beteuert, es gebe keinerlei Personaldiskussion, sondern es gehe nur um Inhalte, wird also ziemlich viel übers Personal und dessen Verhalten geredet. Das bekommt auch Markus Ferber zu spüren. Der CSU-Spitzenkandidat bei der Europawahl hat in den vergangenen Tagen mit massiver Kritik an Seehofer die Debatte erst richtig angeheizt. Nun läuft er eher kleinlaut in die Nymphenburger Straße ein. "Wenn's a bisserl schwül wird, hilft ein Gewitter, dann sieht man wieder klar." Viel mehr will er nicht sagen. […] 

Keiner, der noch etwas in der CSU werden will, würde es wagen den Mund aufzumachen. Söder, Aigner, Herrmann und Haderthauer  lächelten brav und devot.
Wie willenlose Messdienerchen waren sie am Anfang der Woche in Crazy Horsts Schlepptau zum Papst gepilgert.

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Das war lustig bei Franzi. Der Oberbayer, dessen reiches Bundealand als einziges unter 16 Bundesländern kein eigenes Programm zur Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen ins Leben gerufen hat, spendet dem Papst 5000 Euro für die Lampedusa-Flüchtlinge – und damit gerade mal ein Bruchteil dessen, was der Flug nach Rom gekostet hat.

Man staunt dann doch immer mal wieder, wie schamfrei einige Politiker sein können.

[….] Es passiert auch nicht alle Tage, dass ein Ministerpräsident beim Papst einen Scheck abgibt. [….]  Teure Gastgeschenke verbietet der sich, einen Korb mit bayerischen Spezialitäten durfte Horst Seehofer am Montag allenfalls mitbringen, vor allem aber eine Spende über 5000 Euro für ein vatikanisches Hilfsprojekt für syrische Flüchtlingen im Libanon. Wie passend, denn schließlich sei dem Papst großzügige Hilfe für die Flüchtlinge auch ein besonders wichtiges Anliegen, erzählte Seehofer.   Pikant ist freilich, dass Flüchtlingsorganisationen ausgerechnet dem Freistaat vorwerfen, weniger großzügig zu sein als andere. Der Grund: Als einziges Bundesland hat Bayern keine eigenes Aufnahmeprogramm für Kriegsflüchtlinge beschlossen. Im Rest der Republik wird damit etwa der Nachzug von Familienangehörigen geregelt, teilweise auch Krankenversorgung über das Sozialamt ermöglicht.
Im Freistaat sieht man dafür keinen Bedarf: Es sei politischer Aktionismus.[….]

Bayern und BW übrigens auch die Bundesländer, in denen die meisten Rüstungsbetriebe zu Hause sind. Sie werden von der Landesregierung großzügig gefördert. Die mittelbaren Konsequenzen – Tod und Elend – sollen aber andere ausbaden.

Keiner heuchelt so gut wie Crazy Horst, also kennt auch nach dem Papstbesuch seine Selbstzufriedenheit keine Grenzen. Die Revolte der Ferbers und Hubers ist beendet. Sie werden zusammen mit Gauweiler zu Buhmännern erklärt, während Seehofer weiterhin unangefochten König sein darf.

[…] Es war von Anfang an klar, dass die diffuse Revolte in der CSU ihren Chef nicht ernsthaft in Schwierigkeiten bringen würde. Dazu war sie zu erkennbar getragen von Parteimännern, die eine Rechnung mit Horst Seehofer offen hatten. Dazu kam, dass sie im Fall von Markus Ferber aus einem obskuren Konglomerat von halbdurchdachten Attacken bestand. […] Eine Partei wie die CSU reagiert auf solche Angriffe üblicherweise mit der Schließung ihrer Reihen und einem autoritären Durchgriff von oben. […]
 Zum anderen beruht vieles am internen Gejammer über Seehofers ach so fiese Umgangsformen auch am weit verbreiteten Mittelmaß in der Partei. Hätte nicht Seehofer viele Kohlen aus dem Feuer geholt, hätte die Partei ihr 40-Prozent-Debakel womöglich schon bei der Landtagswahl erlebt. Und nicht erst bei der für die Partei weit weniger bedeutenden Europawahl. […]

Die blöden Flüchtlinge werden unterdessen im reichen und größten Bundesland in Zelte gestopft. Die Staatsregierung hatte mal wieder versagt.

Lange hat Bayern es als "katastrophales Signal" abgetan, Asylsuchende in Zeltstädten unterzubringen. Nun haben die Behörden keine Wahl mehr. In München werden die ersten Zelte für Flüchtlinge aufgebaut.
[…]  "Die Zahlen explodieren", sagte die bayerische Sozialministerin Emilia Müller. "Der Zustrom übersteigt all das, was wir an Prognosen haben."
Am Freitag wurde schließlich klar: Es gibt keine Alternativen zu Zeltstädten. Am Samstag schon werden in der Bayernkaserne die ersten Zelte stehen. "Vorübergehend", wie es heißt, was bedeutet: längstens bis es im Herbst so kalt wird, dass niemand mehr im Zelt nächtigen kann.
[…] Nicht nur in München, auch bei der Erstaufnahmestelle Zirndorf wird wohl eine Zeltstadt entstehen. […] Wenn es dann kalt wird, wird die Not an Unterkünften immer größer. Wie dieser Engpass behoben werden kann, weiß momentan noch niemand. […]

Leben Flüchtlinge in Bayern bald unter Plastikplanen?
[….] Flüchtlinge in Entwicklungsländern wie Jordanien oder Kenia kennen diese Form der Unterbringung schon, nur müssen diese Ländern den Zuzug Hunderttausender verkraften. Doch auch im reichen Bayern könnten zukünftig Asylsuchende in Zelten untergebracht werden. [….] Grund für die Maßnahme seien gestiegene Flüchtlingszahlen. Vor allem die Erstaufnahmeeinrichtung in München sei überfüllt. Allein in München seien am Donnerstag 200 Flüchtlinge angekommen und am Freitag bis zum Mittag nochmals 150. [….] Zum Vergleich: Nach Angaben des UNHCR nahm das Vier-Millionen-Einwohner-Land Libanon im März dieses Jahres täglich rund 10.000 syrische Flüchtlinge auf. Im vergangenen Jahr kamen in beiden bayerischen Erstaufnahmeeinrichtungen zusammen im Schnitt etwa 50 Asylsuchende pro Tag an.

Libanon: 4,4 Mio Einwohner, 10.452 km² Fläche, Bevölkerungsdichte: 380 Einwohner pro km², Bruttoinlandsprodukt:  24.640 Mio US-Dollar.

Bayern: 12,6 Mio Einwohner, 70.551,57 km² Fläche, Bevölkerungsdichte: 179 Einwohner pro km², 665.891 US-Dollar.

Die hektische Suche nach Unterkünften für Flüchtlinge in München zeigt, dass die Behörden völlig überfordert sind. Manche Lager wirken wie Flüchtlingslager in Krisenstaaten. Gerade im reichen Bayern sollte das besser gelingen.
Also doch keine Zelte. Es sollte vermutlich eine gute Nachricht sein, dass die Asylbewerber in der überfüllten Bayernkaserne nicht in eilig aufgebauten Zelten schlafen müssen und dass sich stattdessen alte Garagen gefunden haben, wo noch ein paar Menschen unterkommen können.
Es hätte nicht gut ausgesehen, wenn der reiche Freistaat im reichen München in Zelten die Menschen unterbringt, die Schutz suchend nach Bayern kommen. […]
Vor zwei Jahren mussten in der zweiten bayerischen Erstaufnahmeeinrichtung in Zirndorf erstmals Zelte aufgestellt werden, weil auch dort längst mehr Menschen leben, als das Lager eigentlich fassen kann. Das war eine Blamage und offenbarte die ganze Härte der rigorosen bayerischen Asylpolitik, deren Ziel lange war, es den Menschen so ungemütlich wie möglich zu machen.
[…]  Sie sollten es nicht zu schön finden im Bayernland und sich bald wieder aufmachen gen Heimat. Dabei, und das darf auch einmal bemerkt werden, waren die Zelte in Zirndorf zwar eine absolute Notlösung ohne jede Privatsphäre, aber nicht schlechter als viele der Bruchbuden, die Flüchtlingen mancherorts als Unterkunft dienen. […]

Das Beispiel Seehofer sagt auch sehr viel über den Papst.
Er posiert freundlich mit dem Mann, der sich so diametral entgegengesetzt den öffentlichen Papst-Worten verhält und liefert ihm auch noch kostenlos PR-Bildchen, indem er ihm dankend einen Geschenkkorb abnimmt.

Ein Papst mit Rückgrat hätte dem Bayerischen MP gesagt, was von so einer Flüchtlingspolitik zu halten ist.

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