Diese
eher konservativen und mächtigen Gruppen bilden dabei eine groteske Allianz mit
eher linken Grassrootgruppen, die Putins semiautoritäres Regime wegen
mangelnder Toleranz und insbesondere der neuen homophoben Gesetze ablehnen.
Heute
soll es nicht noch mal um die Ukraine und die nützliche Erfindung des „Pro-Russen“
gehen, sondern um die pro-schwulen Impetus der Putin-Kritiker.
Ich bin
immer noch der Ansicht, daß Putin persönlich gar kein Interesse am Homo-Thema
hat; ich nehme sogar an, der er es lieber etwas liberaler handhaben würde, um
sich nicht mit westeuropäischen Politikern drüber streiten zu müssen.
Der in
den letzten Jahren verschärft homophobe Kurs Russland ist eine
innenpolitisch-machttaktische motivierte Konsequenz aus Putins Bündnis mit der Kirche.
Kritik
ist angebracht; man sollte immer die Stimme der Schwachen und Unterdrückten
ergreifen.
Zu
beachten ist dabei aber der Adressat. Es wundert schon sehr, daß Putin allein
die ganze Schelte abbekommt und der perverse Patriarch der russisch-orthodoxen
Kirche von Deutschen Politikern ebenso mit Samthandschuhen angefasst wird wie
von seinen Glaubensbrüdern der westeuropäischen Kirchen.
Zu
beachten ist ebenfalls auf welches hohe Ross sich Westeuropäer und USAner
schwingen, wenn sie die totale Homotoleranz Russlands verlangen.
(Eine
Homotoleranz, welche die osteuropäische Nation Ukraine, hinter die wir uns im
vermeidlichen Konflikt gegen Russland stellen, sicher auch nicht bereit zu
erbringen ist.)
Deutschland
brauchte 50 Jahre Demokratie bis am 11. Juni 1994 der berüchtigte § 175 des
deutschen Strafgesetzbuches abgeschafft wurde.
Die von
den Deutschen über alles geschätzte Bundeskanzlerin Angela Merkel wehrt sich
bis heute standhaft Schwulen die vollen Rechte zuzugestehen.
Jahrzehnte
der bundesrepublikanischen Demokratie verbrachten Polizisten damit Schwulen
nachzustellen, indem sie sich an allen erdenklichen Stellen auf die Lauer
legten – stets gierig zwei Menschen beim Liebemachen zu erwischen.
Mitten in der Nacht
betritt der Mann mit einem Hammer die Herrentoilette unter dem Hamburger
Spielbudenplatz. Er steuert auf einen Spiegel an den weißgekachelten Wänden zu
und zertrümmert ihn. Was er dahinter entdeckt, wird nicht nur in der Hansestadt
einen politischen Skandal auslösen: Von einer kleinen Kammer aus hatten
Polizisten jahrzehntelang Klogänger bespitzelt, um zu beobachten, ob sich dort
Männer zum Sex trafen. Wann immer die WC-Wächter Verdacht schöpften, griffen
sie zu.
Noch
heute ist es die hier von allen Politikern der Bundesregierung so hochverehrte
Kirche, die sich für Diskriminierungen Homosexueller einsetzt.
Statt
Russland zu verdammen, welches nach wenigen sehr schmerzvollen Jahren mit einer
Versuchs-Demokratie noch nicht zufriedenstellend um
Antidiskriminierungsmaßnahmen bemüht, sollten sich Westeuropäer an die eigene
Nase fassen und sich eine Runde schämen.
BBC-Anchorman Jeremy
Paxman […] sollte […] wissen, dass Homosexualität auch in seiner Heimat Großbritannien bis
vor Kurzem ein „issue“ war. Unter Margaret Thatcher trat 1988 ein Gesetz in
Kraft (Clause 28), das sich so liest, als könnte es den Duma-Abgeordneten im
vergangenen Jahr als Vorlage gedient haben.
„Kommunalbehörden
sollen nicht a) Homosexualität absichtlich propagieren oder Material mit der
Absicht, Homosexualität zu fördern, veröffentlichen; b) das Lehren in einer
betriebenen Schule über die Akzeptierbarkeit von Homosexualität als eine vorgebliche
Familienbeziehung fördern.“ Dieses britische Gesetz blieb bis 2003 in Kraft.
David Cameron, den Paxman schon mal öffentlich einen „Idioten“ nannte,
unterstützte es in seinen Oppositionszeiten nach Kräften.
In Deutschland
inspirierte Clause 28 einst den bayerischen Innenstaatssekretär Peter Gauweiler
dazu, ein Programm zu fordern „gegen die nationale Dekadenz, wie es Margaret
Thatcher formuliert hat“. Die Grünen im Bundestag stellten damals einen Antrag
dagegen. Er hieß: „Beeinträchtigung der Menschen- und Bürgerrechte der
britischen Urninge und Urninden (...) sowie vergleichbare Angriffe auf die
Emanzipation der Urninge und Urninden in Bayern.“
Urninge und Urninden:
So lautete die erste Selbstbezeichnung deutscher Schwulen und Lesben,
eingeführt 1864 vom Juristen Karl Heinrich Ulrichs als Abwandlung des
Götternamens Uranus. Die Grünen mussten im Jahr 1988 diesen Begriff verwenden,
da der Präsident des Deutschen Bundestages die Bezeichnung Schwule und Lesben
nicht zuließ.
[…] Fußball. Kirche. Ekel, Sünde. Es gibt
Welten innerhalb der deutschen Gesellschaft, ganze Mikrokosmen, in denen Jeremy
Paxman sofort ein „issue“ mit Homosexualität erkennen müsste. Es sind Welten,
in denen Urängste nicht kaschiert werden, sondern gefeiert.
[…]
Im Dunstkreis der EKD setzt sich aber
eine Institution namens Deutsches Institut für Jugend und Gesellschaft ein für
„das Recht jedes Menschen mit ungewünschten homosexuellen Empfindungen,
konstruktive Wege zur Abnahme dieser Gefühle gehen und dafür auch
therapeutische, seelsorgerliche und andere Unterstützung in Anspruch nehmen zu
können“. […]
(Tim Neshitov, SZ vom 06.05.2014)
Vor
zwanzig Jahren durfte man das Wort „schwul“ im deutschen Bundestag noch nicht mal
aussprechen und mußte stattdessen von „Urninge
und Urninden“ faseln.
Natürlich,
es wäre wünschenswert, wenn Russen und Osteuropäer von eben auf jetzt die totale
Homoakzeptanz aufbrächten.
Es ist
aber nicht sehr wahrscheinlich, daß es jetzt schon dazu kommen und bigott das
ultimativ zu fordern.
Ich
prognostiziere, daß Russland in 30 Jahren, nach einer ähnlichen langen Phase der
Demokratie wie Deutschland am 11. Juni 1994, liberaler eingestellt sein wird,
als wir jetzt.
Der sogenannte „Berliner Fahnenstreit“ zeigt
wie peinlich verklemmt die prägende und überragend strake politische Kraft
Deutschlands tickt.
Daß drei
SPD-Ministerinnen zum CSD 2014 auf ihren Häusern die Regenbogenflagge hissen
ließen, war zu viel für die christliche Kanzlerin. Merkel, ganz auf Putin-Linie
ließ ihr „Njet“ verbreiten.
Merkels
frommer und unheimlich heterosexueller Frontmann Altmeier schritt sofort zur
Tat.
Vor dem
Bundesumweltministerium am Potsdamer Platz in Berlin wird frühestens im
nächsten Jahr um diese Zeit wieder die Regenbogenflagge wehen. Die
SPD-Politikerin Barbara Hendricks rollt die Fahne vorerst ein. Das Kanzleramt,
das von CDU-Politiker Peter Altmaier geleitet wird, habe „massiv interveniert“,
so erfuhr die taz am Mittwoch aus gut informierten Kreisen.
Letzte Woche Freitag
hatte die erste offen lesbische Bundesministerin das Symbol der
Homosexuellen-Bewegung gehisst. [….]
Die Flagge, die als
Zeichen für Vielfalt und Toleranz gilt, sieht nicht jeder gern vor einem
Dienstgebäude des Bundes.
[….]
Warum
kehren wir nicht erst einmal vor der eigenen Tür und wählen solche Parteien wie
CSU und CDU nicht mehr, bevor wir mit dem nackten Finger tausende Kilometer
ostwärts zeigen?
Nach einem Telefonat
mit de Maizière bekam Schwesig zunächst eine Ausnahmegenehmigung, auch die
offen lesbische Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und
Justizstaatssekretär Christian Lange (SPD) hissten Ende letzter Woche die
Flaggen. Am Dienstag wurden sie wegen des Gedenktags für die Opfer des
Volksaufstandes am 17. Juni 1953 abgenommen, hätten am Mittwoch aber eigentlich
wieder bis zum CSD wehen sollen. Doch bis dahin war in der Union offenbar der
Unmut gewachsen.
[….] Auch in Mecklemburg-Vorpommern hatte es
diese Woche politischen Streit um die Regenbogenflagge gegeben. Innenminister
Lorenz Caffier (CDU) ließ das Hissen von Regenbogen- und anderen "Flaggen
privater Organisationen" per Erlass verbieten, auch an Rathäusern und
anderen kommunalen Gebäuden. Zum CSD in Schwerin will die Bürgermeisterin die
Vorschrift ignorieren, während man in Rostock die Flaggen einfach an andere
Mäste vor dem Rathaus anbringen will.
Ähnlich
peinlich verhielt sich, wieder einmal, Bayern. Jenes Bundesland, welches die
hinterwäldlerische CSU just wieder mit absoluter Mehrheit in die Regierung
schickte.
Zum
bevorstehenden Treffen lesbischer und schwuler Polizisten in Berlin, versuchte
der Bayerische Innenminister tatsächlich zu verbieten, daß Bayerische
Homo-Polizisten in Uniform auftreten.
Posse um eine
Konferenz schwuler und lesbischer Polizisten: Während Beamte aus anderen
Bundesländern selbstverständlich Uniform tragen, hat den bayerischen Polizisten
ihr oberster Dienstherr das verboten.
[…]
Die schwulen und
lesbischen Polizisten in Bayern, die in der Vereinigung Velspol organisiert
sind, haben eigentlich ein ganz gutes Verhältnis zum Bayerischen
Innenministerium. Die Mitglieder von Velspol dürfen sogar bald bei der
Ausbildung für den Mittleren Dienst mitarbeiten und Seminare halten - über
Homosexualität bei der Polizei. Seit ein paar Tagen ist klar, dass sie den
Teilnehmern dort dann aber auch erzählen können, dass bei der Behandlung der
schwulen und lesbischen Beamten doch nicht alles so perfekt läuft, wie es die
bayerische Polizei gerne darstellt.
Grund ist eine Posse
um eine Konferenz der "European Gay Police Association", die von
Mittwoch an in Berlin stattfindet. 300 schwule und lesbische Polizisten aus
zahlreichen europäischen Ländern sowie aus Israel und den USA reisen an. Sie
alle werden dort in Uniform auftreten. Nur das bayerische Innenministerium hat
dies seinen Beamten zunächst verboten - bis es am Montag zurückruderte.
Die European Gay
Police Association ist ein Netzwerk für schwule und lesbische Polizisten. In
den vergangenen Jahren veranstaltete der Verband Konferenzen unter anderem in
Barcelona, Wien und Dublin. Jedes Mal waren hochrangige politische Gäste wie
der irische Präsident oder die österreichische Innenministerin dabei. Auch in
Berlin ist Bürgermeister Klaus Wowereit der Schirmherr, der Innenminister von Brandenburg
sowie verschiedene Polizeipräsidenten unterstützen die Veranstaltung
ausdrücklich, sogar Innenminister Thomas de Maizière hat in Aussicht gestellt,
kurz vorbeizuschauen. […]
Wir
befinden uns jetzt im siebten Jahrzehnt der bundesdeutschen Demokratie.
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