Mittwoch, 25. Juni 2014

Wie man sich das Leben schwer macht.


 In dieser großen K.O.alition schrammte die CDU um drei Sitze an einer absoluten Mehrheit vorbei.
Merkel wird so sehr vom Volk geliebt, daß sie um ein Haar das schaffte, was kein einziger Politexperte auch nur im Entferntesten hatte kommen sehen: Alleinherrschaft einer Volkspartei bundesweit.
Da schmerzt es ganz besonders, wenn man als SPD, die doch eigentlich selbst den Regierungschef stellen wollte, derart marginalisiert als Mehrheitsbeschaffer für mickrige drei Stimmen im Parlament einspringen muß.
Die parteipolitische Taktik, die sich aus dieser Lage für Gabriels Leute ergibt, ist einfach. Drei Baustellen sind zu beackern.
 
1.) Man muß die Ministerämter dazu benutzen dem Urnenpöbel zu demonstrieren, daß man sich in der Regierung bewährt. Es gilt mit überzeugender Sacharbeit aufzufallen.

2.) Darüber hinaus müssen sich die Sozen als eigenständige Kraft präsentieren, die stets klarstellt, wie viel ihr Zutun die Regierungspolitik insgesamt beeinflusst. Dazu ist es notwendig auch die Grenzen des Einflusses aufzuzeigen und damit zu skizzieren, wie eine reine SPD-Politik ohne CDU-Bremse aussähe.

3.) Es müssen kontinuierlich die Fühler zur Opposition ausgestreckt werden, damit die Saat für ein anderes Bündnis, nämlich R2G in ein paar Jahren aufgehen kann. Dazu darf die SPD nicht als Amalgam des übermächtigen 80%-Regierungsblocks angesehen werden, sondern sollte von den Oppositionsparteien als strikt von der CDU getrennte Partei wahrgenommen werden.

Diese drei Aufgaben abzuarbeiten ist durchaus machbar.
Die CDU und Frau Merkel waren nämlich so sehr darauf fixiert, daß Merkel Kanzlerin sein soll, daß sie ganz vergaßen darüber nachzudenken, was sie eigentlich 2013-2017 anstellen wollen.
Merkel wird von einer simplen Sache angetrieben. Sie mag gerne Kanzlerin sein. Alles andere ist unklar. Die SPD hat also freies Schussfeld, weil die Kanzlerin keinerlei Plan für die großen Probleme Ukraine, NSA, TTIP, Syrien oder Steuerreform hat. Mit sechs guten Ministern sollten Gabriels Leute also ziemlich einfach inhaltlich gegenüber der Union punkten.

Punkt eins klappt immerhin mittelmäßig. Stolz verkündet die SPD alle ihre Wahlprogrammpunkte abzuarbeiten. Sie bedenkt dabei allerdings nicht, daß selbst dieses Wahlprogramm pur gerade mal 25% der Wähler anlockte und 75% a priori dazu „Njet“ sagten. Die SPD vernachlässigt also weiterhin 3 von 4 Wählern.

Punkt zwei halte ich für ziemlich misslungen, da sich die SPD bei Mindestlohn, Frühverrentung oder Doppelstaatsbürgerschaft in absurder Weise aufbläst. Sie tut so, als ob sie dabei 100% SPD durchsetzt. Das schadet ihr bei den 75%, die sie nicht gewählt habe. Zudem ist das Rentenpaket so stümperhaft umgesetzt, daß man auch nicht davon überzeugt werden kann. Wieso zum Teufel werden wieder nur die Beitragszahler ausgequetscht, während Beamte, Selbstständige, Millionäre mit Kapitaleinkünften und Bundestagsabgeordnete keinen Cent dazu geben müssen? Das ist Bullshit, Frau Nahles!
Aber auch die 25% SPD-Wähler sind nicht zufrieden, weil sie ihre Minister beim Schnüren von Mogelpackungen ertappen. Doch keine rechtliche Gleichstellung von Homoehen, Tammox bekommt doch keine doppelte Staatsbürgerschaft, Millionen Menschen sind doch vom Mindestlohn ausgenommen, etc pp.
Es wäre schlau diese Punkte zu nutzen, um die CDU als Bremserin verantwortlich zu machen. Das wäre dann sogar ein doppelter Effekt: Die SPD zeigt was sie kann und gibt einen Anreiz demnächst noch mehr SPD zu wählen, damit dann die Gesetze richtig gemacht werden, während die CDU als unwillig dasteht. Indem die SPD aber so tut, als sei bereits alles erreicht, verwischt sie die Unterschiede zwischen den Parteien und verprellt ihre eigene Anhängerschaft, die natürlich merkt, daß die neuen Gesetze in Wahrheit zahnlos sind.
Es wird auch nicht kommuniziert wieso die Sozis in wichtigen Punkten – Snowden, NSA, EU-Kommissionspräsident, Homoehe – komplett einknickt und devot mit der CDU gegen ihre eigenen Überzeugungen stimmen.
Einen Großteil der Schuld trägt die Generalsekretärin Fahimi, die ich zwar kenne, da ich ihr Newsletter abonniert habe, die aber von 99% der Deutschen nicht wahrgenommen wird. Tut die irgendwas? Hat sie sich jemals zu irgendeiner parteitaktischen Frage geäußert? Hat sie öffentlich die Fronten zur CDU abgesteckt? (Da war eine kleine Äußerung wider der CSU-Antiausländerpolemik; aber das ist auch schnell wieder untergegangen, da Fahimi keinen einzigen SPD-Minister ins Boot holte). Die Frau ist ein Totalausfall und gehört dringend ersetzt.

Der dritte Punkt ist besonders blamabel.

Teilweise kann die SPD gar nichts dafür, weil die Grünen als Opposition total ausfallen. Hofreiter und Göring-Kirchentag gegen eine miserable Figur ab und gegen sich alle Mühe die Grünen leise und unsichtbar zu machen. Dafür regieren sie aber mit der stramm rechten Hessen-CDU und sitzen Rolands Kochs Stuhl auf der Regierungsbank warm. Was sollte die SPD mit diesen Grünen anfangen? Glücklicherweise wurde von 1998 bis 2005 bereits die grüne Regierungsfähigkeit bewiesen, so daß das nicht erst geklärt werden müßte.

Die Linke hingegen ist als Opposition agil und stellt die Fragen, die wehtun.
Wieso immer noch Rüstungsexporte nach Nahost? Wieso kungelt die Bundesregierung mit Faschisten in Kiew? Wieso dieser übertriebene Putin-Hass? Was ist das für eine Sandkasten-Schmoll-Politik einfach die Gespräche mit Russland abzusagen, indem man aus G8 wieder G7 macht. Dialogabbruch als Außenpolitik? Wieso lässt die SPD Merkels und Seehofers Anti-EU-Kurs einfach so durchgehen? Wieso setzen sie sich nicht ganz deutlich für Flüchtlinge ein?
Das sind alles sehr berechtigte Fragen, die Gysis Leute stellen. Statt sich peinlich berührt zu ducken und hinter Frau Merkel zu verstecken, würde ein kluger Parteitaktiker diese Fragen nutzen, um mit den Linken ins Gespräch zu kommen. Man könnte ihnen das Gefühl geben ihnen auch zustimmen zu wollen und damit gleich den Appetit auf zukünftige Rot-Rote Bündnisse wecken.
Dazu scheint die SPD aber zu doof.

Und die Linke ist auch zu doof, indem sie völlig überzieht.
Daß der Brandenburger Landtagsabgeordnete Norbert Müller Gauck einen „widerlichen Kriegshetzer“ nennt, ist selten dämlich.
Er mag zwar Recht haben, aber Gauck ist bei 80% des Urnenpöbels extrem beliebt und auf Vorschlag der SPD gewählt worden. Also nutzt die SPD seine Popularität, damit der Glanz auf sie zurück fällt.
Merkel wollte ihn nicht, kann man dann immer noch mal einfließen lassen.
Indem Müller aber derart drastische Worte wählt, muß sich die SPD mit Gauck solidarisieren und ist wieder ein Stück mehr an die CDU gerückt und von der Linken entfernt. Das war sehr dumm, Herr Müller und die LINKEN-Führung hat es auch verbockt; sie hätte den Müller rügen müssen.

Noch dümmer ist aber der SPD-Fraktionsvorsitzende, der statt das leidige und parteitaktisch verlorene Spiel niedrig zu hängen, noch einen drauf setzte und nun mit einem völlig deplatzierten NS-Vergleich kam.
Ich kann diese Doofheit nicht begreifen. Wieso kennt ein so schlauer Mann wie Oppermann nicht die Grundregel „Du sollst in der Tagespolitik keine Nazivergleiche anstellen, weil das IMMER schief geht!“?
Ich staune wirklich über dieses Maß an Unprofessionalität

Annäherung sieht anders aus! […] Thomas Oppermann hat die Generaldebatte im Bundestag für eine Abrechnung mit der Linkspartei genutzt. Die Äußerungen des Brandenburger Landtagsabgeordneten Norbert Müller, der Bundespräsident Gauck als "widerlichen Kriegshetzer" bezeichnet hatte, seien eine "unglaubliche Schmähkritik". Die SPD reagiere sensibel auf solche Angriffe gegen Staatsoberhäupter, "denn das war die Strategie der Nazis in der Weimarer Republik gegen Reichspräsident Ebert".
[…] Oppermanns deutliche Worte zeigen, wie weit SPD und Linkspartei noch voneinander entfernt sind - trotz aktueller Annährungsversuche. […] Welches Konfliktpotenzial ein solches Bündnis birgt, zeigt die Koalition in Brandenburg. Wie im Bundestag hat die Äußerung Müllers auch dort für Streit gesorgt. Während Parteifreunde Müller in Schutz nahmen, kam aus der SPD postwendend Kritik: Müllers Aussage sei inakzeptabel, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Ness der "Faz".

Ich kann nicht fassen, daß ausgerechnet der sagenhaft ungebildete Gauck, der so oft Schwachsinniges von sich gibt in dieser Causa das einzig Kluge tut, indem er die Sache begräbt.

Bei Verunglimpfung des Bundespräsidenten droht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Zur Verfolgung der Tat braucht es jedoch die Ermächtigung des Staatsoberhauptes. Und deswegen muss der Linken-Politiker Norbert Müller nichts fürchten. Der hatte Joachim Gauck wegen seiner Äußerungen zur deutschen Außenpolitik auf seiner Facebook-Seite als "widerlichen Kriegshetzer" bezeichnet. Daraufhin hatte sich die Staatsanwaltschaft Potsdam eingeschaltet. Doch eine Sprecherin Gaucks erklärte am Mittwoch, man werde keine Strafverfolgungsermächtigung erteilen. […]

Wenn ausgerechnet Gauck der Klügste im Spiel ist, haben Rot und Rot richtig verkackt!

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