Das ist
schon nicht ganz einfach Meldungen über paramilitärische Zwischenfälle in der
Ostukraine zu deuten.
Racheengel
Poroschenko, der es drastisch mag, erklärt der Welt die Ukranische Armee hätte
einen russischen Militärkonvoi weggebombt.
Der
Sprecher der russischen Armee erklärt so einen Konvoi habe es gar nicht gegeben.
Bildmaterial
gibt es nicht.
Die deutschen Putinisten sind natürlich sicher, daß
Poroschenko lügt, während die meisten anderen Medien ohne irgendwelche Belege
davon ausgehen, daß „die Russen“ lügen.
„Vom
Gefühl her“ neige ich eher zur russischen Variante der Darstellung, weil ich
extreme Antipathie für den Oligarchen Poroschenko hege.
Allerdings
ist „mein Gefühl“ kein relevantes Kriterium.
Man mag
sich darüber wundern, daß ein derart intensiv überwachtes Gebiet, über dem
dicht an dicht russische, europäische und amerikanische Aufklärungsdrohnen und
Satelliten umherschwirren für den verwirrten TV-Zuschauer Terra Incognita
bleibt.
Aber wir
kennen das ja schon vom MH17-Absturz, daß Russen und Amerikaner anhand ihrer geheimdienstlichen
Auswertung der Spionagebilder eine Theorie zum Tathergang vorlegen, die jeweils
andere Seite schwer beschuldigen, dann aber die Beweise, die sie angeblich
haben, nicht vorlegen.
Ehrlicherweise
muß ich sagen, daß ich natürlich auch nicht weiß was an der umkämpften
Ukrainischen Grenze vor sich geht.
Dabei hatte
man noch bei George W.s Irakkrieg und der Rumsfeldschen Methode des „embedded
journalists“ gedacht, daß Kriegszensur wenigstens in Zukunft kaum noch möglich
sein wird, weil die Menschen inzwischen mit so guter privater
Kommunikationstechnik ausgestattet sind, daß ohnehin jeder Vorfall an die
Medien durchgestochen wird.
Ganz so
einfach ist es aber nicht.
Selbst
im Hochtechnologieland Israel – vermutlich die Internetaffinste Nation der Welt
– gibt es ganz selbstverständlich Zensur.
Eine Zensur, die mitunter zu grotesken Fehlinformationen der Weltöffentlichkeit
führt.
Rund 60 Mitarbeiter
inklusive freiwilliger Helfer hat die Behörde von Sima Vaknin-Gil. Ihre Aufgabe
ist nicht ganz alltäglich: Vaknin-Gil ist seit 2006 Chefin der israelischen
Militärzensur. In Krisenzeiten herrscht dort Hochkonjunktur - noch vor vier
Jahren kam die Abteilung laut "Spiegel" mit der Hälfte der
Beschäftigten aus. Israelische Medien legen hier alle relevanten Berichte vor,
die sogenannte operative Informationen über das israelische Militär, seine
Einsätze und seine Ausrüstung enthalten. Auch Berichte über das israelische
Nuklearprogramm werden hier geprüft.
[…]
<iframe width="640"
height="360" src="//www.youtube.com/embed/shyDFOhtSqU"
frameborder="0" allowfullscreen></iframe>
‚Das
erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit‘
(Senator
Hiram Johnson)
Wenn so
viele widersprüchliche Meldungen kursieren, ist es natürlich sehr viel
einfacher eine feststehende Meinung zu haben; ein Weltbild, in dem die Rollen
für Schurken und Gute fest verteilt sind.
Man kann
sich dann auf die passenden News-Meldungen beschränken und sich daran erfreuen
wie richtig das eigene Urteil ist.
Menschen
funktionieren so.
Man
erkennt das sehr schön an dem Konsumverhalten der Amerikaner bei ihren Nachrichtensendern.
Alle Fachleute
sind sich einig, daß die besten und seriösesten Informationen bei Al Jazeera
America zu bekommen sind und dafür FOX-News geradezu manisch die Wahrheit
meidet und zu einer reinen Lügenmaschine degeneriert ist.
Fox
beschäftigt Sarah Palin als Expertin (sic!) und vertritt die Ansicht, der
Weihnachtsmann sei auch jeden Fall ein Weißer.
Und Fox
hat 100 mal so viele Zuschauer wie Al Jazeera America.
Das Gemeine an der
Medienwelt ist, dass die Mediennutzer Qualität oft nicht so honorieren, wie die
Medienunternehmer sich das vorstellen. Zum Beispiel Al Jazeera America. Wer
sich über den Konflikt in Gaza informieren will, kann das im amerikanischen
Fernsehen am besten bei dem Ableger des Senders aus Katar. In der
Nachrichtensendung um 13 Uhr bringt er erst einen langen Bericht über eine
palästinensische Familie, deren drei Kinder bei einem Anschlag schwer verletzt
wurden. Die Kameras halten auf die blutverklebten Gesichter. Es folgt ein
Experteninterview, der Korrespondent wird zugeschaltet. Kurz darauf kommt
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei einer minutenlangen
Übertragung einer Pressekonferenz ausführlich zu Wort. Mehr als Al Jazeera
America berichtet derzeit niemand über Gaza.
Dem Sender hat das
viel Lob eingebracht, zum Beispiel vom Aktivistennetzwerk Asian Pacific
Americans for Progress und von anderen Journalisten. Überhaupt: Lob von
Experten gibt es viel. Journalisten des Kanals haben zahlreiche Preise
gewonnen, darunter zwei der prestigeträchtigen Peabody Awards. Allerdings
findet das Ganze, trotz bescheidener Erfolge seit der Gaza-Krise, weitestgehend
ohne Publikum statt. […]
Der
Reuters-Kolumnist Jack Shafer fragt gehässig, was seltener sei: ein Einhorn oder
ein Al-Jazeera-America-Zuschauer? Laut dem Marktforscher Nielsen schalten in
der Hauptsendezeit im Schnitt gerade einmal 15000 Menschen ein. Zum Vergleich:
Quotenkönig Fox News kommt im Abendprogramm auf durchschnittliche 1,6
Millionen.
[…]
Al Jazeera America betont zwar, wie
amerikanisch der Sender ist, aber es bleiben der Name und das Logo:
verschlungene arabische Schriftzeichen, nirgends ein Sternenbanner. Der erzkonservative
Moderator Glenn Beck nennt den Sender die Stimme des Feindes. Medienexperten
sagen, dass es der Sender auch deshalb schwer hat, in den USA Werbekunden zu
finden, die haben Angst, dass das Image abfärbt. Auch Werbekunden sind manchmal
nicht fair.
(Kathrin
Werner, SZ vom 11.08.2014)
Homo
homini lupus.
Mit
einem Weltpublikum gesegnet zu sein, welches strikt vermeidet das eigene Gehirn
zu benutzen und stattdessen
billiger Meinungsmache anhängt, haben es die Spindoktoren
leicht.
<iframe width="640"
height="360" src="//www.youtube.com/embed/ccQP8Ed-zGI"
frameborder="0" allowfullscreen></iframe>
Unglücklicherweise
geht es den Regierenden auch nicht anders als den Regierten. Statt sich
ernsthaft um Aufklärung zu bemühen, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen und
konstruktive Lösungen zu erarbeiten, betreiben sie Weltpolitik, wie sich das
Klein Fritzchen vorstellt.
Ja, es
etabliert sich eine humanitäre Katastrophe im Osten der Ukraine und ja, wir
kennen nicht genau Putins Motive für den Hilfskonvoi aus 180 weißen LKWs.
Mit einiger
Sicherheit kann man annehmen, daß Russland versucht sein Image aufzupolieren,
während Arseni Jazenjuk, der Russland hasst wie die Pest, geradezu mit Schaum
vorm Mund versucht eben dies zu verhindern. Er will keineswegs das Bild vom
bösen Iwan ankratzen lassen.
Amerikaner
und EU sitzen derweil schmollend abseits und beschäftigen sich mit Argwöhnen,
Spekulation und Propaganda.
Wieso
zum Teufel haben nicht die von der Leyens Europas, die doch offensichtlich
fähig sind binnen Stunden große Mengen Hilfsgüter und „nicht letales Gerät“ nach
Erbil zu fliegen, nicht sofort im Kreml angerufen und ihre Unterstützung des
LKW-Konvois angeboten?
Es
könnten sich doch deutsche, französische und britische LKWs mit „Wasser und
Salz“ den Russen anschließen und mit ihnen gemeinsam über die Grenze fahren.
Den
Ostukrainern wäre geholfen, man würde wieder ins Gespräch mit den Russen kommen
und könnte ganz elegant nebenbei ein Auge drauf werfen, was genau in den weißen
Lastern transportiert wird.
Es
spricht ja einiges dafür, daß es tatsächlich nur Hilfsgüter sind, da russisches
Militär so eine auffällige Aktion gar nicht nötig hätte. Separatisten
kontrollieren hunderte Kilometer der Ukrainisch-Russischen Grenze. Dann KÖNNTE
russisches Militär so viele LKWs rüberschicken wie es will, ohne daß Arseni
Jazenjuk irgendetwas mitbekommt.
Aber
nein. Zu konstruktiven Maßnahmen ist im Westen offenbar keiner fähig.
Stattdessen
ist Brüssel voll beschäftigt mit der Sandkastenversion des Konflikts.
Sie
starteten mit Sanktiönchen, die niemand wehtaten. Als sie ausgelacht wurden, gab
es mehr Sanktiönchen bis Russland Gegensanktionen verhängte.
Daraufhin
verschärften EU und USA noch mal ihre Sanktionen.
Natürlich
aber nur da, wo es nicht tatsächlich weh tut.
Frankreich
liefert noch den Milliardenteuren Hubschrauberträger an die Russische Marina
und auch das Weiße Haus, das zähnefletschend stärkere Sanktionen von der EU
verlangt, macht natürlich bei der eigenen Wirtschaft Ausnahmen, wenn es an
richtiges Geld geht.
Ungeachtet der
US-Wirtschaftssanktionen gegen Russland hat der amerikanische Ölkonzern
ExxonMobil mit seinem Partner Rosneft eine Ölbohrung in der russischen Arktis
begonnen.
[….Das
ist] bemerkenswert, denn der
Rosneft-Konzern und dessen Chef Igor Setschin stehen auf der "schwarzen
Liste" jener Firmen und Manager, gegen die die USA Sanktionen verhängt
haben. Ob ExxonMobil von der US-Regierung eine explizite Genehmigung eingeholt
hatte, mit den Bohrungen beginnen zu dürfen, blieb unklar. Es darf aber als
wahrscheinlich gelten. […]
Die harten
Hunde in Brüssel und Washington beschäftigen sich stattdessen mit dem „Apfelkrieg“.
Um die
EU zu ärgern hatte Putin die Einfuhr von frischen Lebensmitteln nach Russland
eingeschränkt.
Betroffen
davon sind insbesondere Polen und Griechenland, die auf ihrem Obst sitzen
bleiben.
Und auch
die Hamburger Apfelbauern – das „Alte Land“ in Hamburg ist das viertgrößte
Obstanbaugebiet Deutschlands – befürchten einen Preisverfall.
Sie
liefern zwar kaum Äpfel nach Moskau, aber der Markt könnte überschwemmt sein
und so die Preise drücken.
Können
Putins Bürger nun nie wieder Obst essen?
Und was passiert
in Russland?
Nun
genau das, was sich auch Klein Fritzchen schon vorher vorstellen konnte.
Es gibt
so etwas wie Globalisierung. Ganz selbstverständlich beziehen wir Hamburger
unsere Braeburn-Äpfel aus Neuseeland und Spargel aus Argentinien und Erdbeeren aus
Südafrika und Kräuter aus Israel – obwohl das alles auch vor unserer Haustür
wächst.
Die
hochsubventionierte EU-Agrarwirtschaft ist berüchtigt dafür die Landwirtschaft
anderer Kontinente mit ihren Kampfpreisen zu zerstören.
Da ihr
nun der Absatzmarkt Russland abhandenkommt, springen innerhalb von Stunden
andere Lieferanten ein.
Brüssel
ist mal wieder TOTAL überrascht. So wie Brüssel auch total überrascht war, daß
der Kreml nicht nach den verhängten Sanktionen sofort klein beigab, die Krim
wie eine heiße Kartoffel fallen ließ.
So wie
Brüssel auch überrascht war, daß Moskau Gegenmaßnahmen ergriff.
Nun
freuen sich Obstbauern in Nordafrika und Südamerika, daß ihnen ein neuer Markt
in den Schoß gefallen ist. Die EU schäumt, weil ihre Sandkasten-Strategie nicht
funktioniert.
Putin verhängt einen
Importstopp für Produkte aus der EU - und keine 24 Stunden später stehen manche
Länder Schlange, um russische Supermarktregale zu füllen. Die Beamten in
Brüssel sind sauer.
[…] Ägypten werde seine Agrarlieferungen an Russland
um 30 Prozent steigern, hieß es nach dem Treffen, und so die entstandene Lücke
zumindest zum Teil füllen. In Brüssel
ballt man angesichts solcher Meldungen die Faust in der Tasche. Schon in den
vergangenen Tagen hatten sich russische und außereuropäische Medien mit
Meldungen überschlagen, dass Agrar- und Lebensmittelexporteure aus
Lateinamerika, aber auch aus China Schlange stehen würden, um Lücken in
russischen Supermarktregalen zu füllen. Besonders sauer stieß in der Kommission
aber eins auf: dass die Botschafter Chiles, Ecuadors und Uruguays nicht einmal
24 Stunden warteten, ehe sie sich mit den russischen Lebensmittelbehörden
zusammensetzten, um Marktchancen auszuloten.
[…] Doch der Kommission sind die Hände
gebunden. Eine legale Handhabe gegen die Lieferung von Waren nach Russland gibt
es nicht. Man müsse darüber hinaus aber ehrlich sein gegenüber sich selbst:
"Business is business" - und das bedeute, dass europäische
Unternehmen sicher auch zugeschlagen hätten, wenn brasilianische Produkte vom Markt
genommen worden wären. […] Ein erstes
Echo hat Ecuadors Staatschef Rafael Correa bereits vorgetragen: "Wir
werden nicht um Erlaubnis fragen, ob wir einem befreundeten Land Lebensmittel
liefern können", sagte er. Und: "Soweit ich weiß, ist Lateinamerika
nicht Teil der Europäischen Union. Jedenfalls noch nicht", fügte er
spöttelnd hinzu. […]
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen