Freitag, 18. Dezember 2015

Man sieht sich immer zweimal im Leben.



Seit dem März 2003 ist die „Dublin-II-Übereinkunft“ in Kraft.
Es regelt die Zuständigkeit für Asylverfahren in der EU und besagt, daß der Mitgliedsstaat das Asylverfahren durchführen muss, der die Einreise eines Asylbewerbers erlaubt oder nicht aktiv verhindert hat.
Ein maßgeschneidertes Verfahren für das dicke reiche Deutschland, welches in der Mitte sitzt und keine südliche oder östlichen EU-Außengrenzen hat.
Durch die gesamte Kanzlerschaft Merkels zogen sich Klagen der „Frontstaaten“ Italien, Spanien und Griechenland, die es wenig überraschenderweise ungerecht fanden die gesamten „Migrationslasten“ de facto allein zu stemmen.
Merkels Innenminister Schäuble, de Maizière und Friedrich zeigten sich aber gnadenlos und waren zu keiner solidarischen Geste bereit.

Nachdem sich „das Problem“ dieses Jahr de facto umgekehrt hat, weil die Außenstaaten so überfordert waren, daß sie die Menschen unter Umgehung des Dublin-Verfahrens durchwinken mußten, ist es nun Deutschland, welches die anderen EU-Staaten um Hilfe und Solidarität bittet.
Nachdem diese Länder aber zehn Jahre in genau dieser Frage von Merkel vor den Kopf gestoßen wurden, lassen sie unfreundlicherweise, aber verständlicherweise diesmal Deutschland im Regen stehen.

Die Bilanz ist ernüchternd: Bisher sind nur zwei von elf Registrierungs-Hotspots in Betrieb. Und die Verteilung der Asylsuchenden unter den Mitgliedsländern kommt nicht voran.
Die Europäische Union beklagt das schleppende Tempo bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Zum Auftakt des EU-Gipfels in Brüssel legte die luxemburgische Ratspräsidentschaft eine ernüchternde Bilanz der bisherigen Maßnahmen vor. "Die Umsetzung schreitet in einigen Gebieten zügig voran, aber beträchtliche Lücken bleiben", heißt es in dem Bericht. So seien bisher nur 184 von den vereinbarten 160 000 Flüchtlingen aus Italien und Griechenland in andere EU-Ländern weiterverteilt worden. Von elf geplanten Hotspots, in denen Flüchtlinge registriert werden sollen, seien nur zwei in Betrieb. Es müsse jetzt schneller vorangehen, heißt es auch im Entwurf der Gipfel-Erklärung.

Ja, Brüssel ist für die deutsche Regierung eine dankbare politische Melkkuh.
Als wichtigstes und reichstes Land ist der Einfluss auf EU-Entscheidungen so groß, daß man jede Umweltschutzrichtlinie schleifen kann. Merkel war es, die in Brüssel mehrfach verbindlichen CO2-Obergrenzen verhinderte.
Dann ist Brüssel der Böse, während sie sich selbst als Klimakanzlerin inszenieren kann.

Ähnlich läuft es gerade beim Datenschutz – Stichwort BIG DATA.
Brüssel arbeitet an neuen Datenschutzrichtlinien. Merkel und de Maizière möchten die deutschen Richtlinien gern zu Gunsten der Industriewünsche lockern, weiß aber, daß das beim Wähler schlecht ankäme.
Also entfaltet de Maizière hinter den Kulissen gewaltigen Druck auf die EU die geplanten Regelungen so zu verwässern, daß am Ende viel weniger Datenschutz als in Deutschland übrig bleibt und die Regelung übernimmt Merkel dann aus Brüssel.
Wie die Enthüllungsplattform Lobbyplag darlegt, steht Deutschland mit Abstand an der Spitze der Regierungen die gegen den Datenschutz agitieren.

In addition to publishing many of the documents, LobbyPlag.eu also shows which national governments are working on lowering or raising data protection laws in Europe.

51 mal ging Innenminister de Maizière in Brüssel gegen den Schutz der Privatsphäre vor.
Und wenn es soweit kommt, ist Brüssel Schuld.
So macht man sich keine Freunde in der EU.

Ein weiteres Beispiel ist die Southstream-Gaspipeline, die durch das Schwarze Meer, Bulgarien, Ungarn bis nach Österreich und Italien laufen sollte.
2009 wurden die Verträge unterzeichnet; begann Russland mit dem Bau der Megaröhre für 63 Milliarden Kubikmeter Durchleitungskapazität.
Das Projekt wurde immer spannender als die Ukraine zu taumeln begann, weil man unabhängig von politischen Querelen in Kiew werden würde, zudem hätten die neuen Durchleistungsstaaten Ungarn und Italien viel Geld mit Gebühren einnehmen können.
Es hätte so schön werden können.

Bis im März 2014 der bekannte Anglistiker und EU-Energiekommissar Günther Oettinger ankündigte das South-Stream-Projekt zu torpedieren
Serbien und Bulgarien, wo bereits gebaut wurde, wehrten sich heftig, wollten sie doch auf die zukünftigen Einnahmen nicht verzichten und ihre eigene Energieversorgung absichern.
In Absprache mit Merkel flog im Juni eine US-Abordnung um den GOPer John McCain („bombbombombbomb Iran..“) nach Sofia und bedrängte Premier Orescharski derartig, daß auch Bulgarien von Southstream absah.
Der große Verlierer der europäischen anti-Putin-Sanktionen war Italien, welches damit keine eigene Energiequelle bekommen konnte.
Aber man beugte sich zähneknirschend dem gewaltigen Druck der Deutschen, die unbedingt Sanktionen gegen Russland durchsetzen wollten. Sanktionen, die vermutlich die Ukrainekrise nur noch dramatisch verschärfen und insbesondere in Südeuropa von Anfang an abgelehnt wurden.

Diese Woche drückte Merkel die unsinnige Verlängerung der antirussischen Sanktionen durch.

 „Die zu erwartende Verlängerung der EU-Sanktionen gegen Russland offenbart die doppelten Standards in der europäischen Ukraine-Politik“, kommentiert Andrej Hunko, Mitglied im EU-Ausschuss für die Fraktion DIE LINKE, die heute anstehende Entscheidung auf dem EU-Gipfel in Brüssel. Hunko weiter:
„Es ist offensichtlich, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Russland wird bestraft, weil der Minsk-II-Prozess nicht schnell genug umgesetzt wird, während die Ukraine mit Zahlungen belohnt wird. Doch die Verantwortung für die Umsetzung von Minsk II liegt neben Russland auch bei der Ukraine und den Aufständischen.
Die Sanktionen sind nicht nur politisch falsch, weil sie den notwendigen Dialog mit Russland erschweren und keinen Beitrag zur Lösung des Konfliktes leisten. Sie sind auch wirtschaftlich kontraproduktiv – sowohl für Russland als auch für die Staaten der EU und die Ukraine. Die Forderung des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft nach einem ‚Einstieg in den Ausstieg aus den Sanktionen‘ kann ich daher voll unterstützen.
Gleichwohl ist begrüßenswert, dass auf dem Gipfel überhaupt über die Sanktionen diskutiert wird. Ginge es nach der Bundesregierung, dann würden sie einfach so durchgewunken. Es ist der Regierung Italiens zu verdanken, dass zumindest über Sinn und Unsinn der Sanktionen geredet wird.“
(Pressemitteilung die LINKE, 18.12.2015)

Merkel und Steinmeier agieren knallhart, wenn es gegen Russland geht. Da müssen eben mal die wirtschaftlichen Interessen zurückstehen.
 ……außer natürlich, es geht um DEUTSCHE wirtschaftliche Interessen! Dann ist es natürlich etwas ganz anderes und man muss eine Ausnahme machen.

Der Ausbau der Ostsee-Gaspipeline Nordstream von Russland nach Deutschland muss natürlich stattfinden. Südliche und östliche EU-Staaten, die heute wütend und empört auf die zweierlei Maßstäbe Deutschlands hinwiesen und verlangten eine Unvereinbarkeit des Nordstreamprojektes mit der europäischen Russland-Politik zu postulieren, wurden von Merkel rüde abgefertigt.

Renzi auf EU-Gipfel: "Die deutsche Dominanz stoppen"
[…] Ganz am Ende, als der Gipfel vorbei ist, wird Donald Tusk noch einmal ziemlich deutlich. Der EU-Ratspräsident versucht erst gar nicht, die Debatte der Staats- und Regierungschefs zu beschönigen. Nein, die Diskussionen seien hart und sehr emotional gewesen bei diesem Thema. Und damit meint er ausnahmsweise mal nicht die Flüchtlingskrise, sondern ein geplantes Projekt in der Ostsee: Nord Stream 2, jene Pipeline, die Gas von Russland nach Deutschland liefern soll.
Vor allem die Staaten Osteuropas sind strikt gegen die geplante Energieallianz zwischen Moskau und Berlin. Aber nicht nur sie. Es ist der italienische Premierminister, der die Bundeskanzlerin in dieser Frage heftig angreift. Matteo Renzi also, so berichtet es ein EU-Diplomat, sagt an diesem Freitagvormittag: "Man kann nicht sagen, dass Sie Europa Blut spenden, liebe Angela." Man könne, so Renzi, nicht auf der einen Seite für Sanktionen gegen Russland sein und gleichzeitig mit Moskau Geschäfte machen.
 […] Als Merkel nach dem Gipfel auf die Attacken aus Rom angesprochen wird, sagt sie nur, dass es ganz normal sei, unterschiedliche Positionen auszutauschen. […]  Am Freitag verhindert die Bundeskanzlerin jedenfalls eine von ost- und mitteleuropäischen Staaten unterstützte Erklärung. Diese sollte deutlich machen, dass Nord Stream 2 unvereinbar sei mit den Zielen europäischer Energiepolitik. […]

Diese Janusköpfigkeit ist fester Bestandteil der merkelschen EU-Politik – was sie von anderen verlangt – radikale Ausgabenkürzungen und Sparmaßnahmen, käme für sie selbst nie in Frage. Im Gegenteil; 2008 und 2009 wurden für Deutschland gewaltige Investitionsprogramme angeschoben – also genau die Politik, die Schäuble Athen kategorisch verboten hatte.

Beliebt macht man sich so nicht und wer wie, vielleicht brauchen auch Deutschland mal Hilfe der anderen Staaten.
Man sieht sich immer zweimal im Leben.




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