Man möge mich nicht falsch verstehen: Ich finde
Weihnachten toll, weil ich da etwas Zeit und Ruhe für mich habe.
Natürlich kann ich mir die Zeit auch an jedem anderen
Tag des Jahres nehmen, aber als Städter hört man immer das Hintergrundrauschen
der Zivilisation um sich herum.
Nur an Weihnachten höre ich tatsächlich kaum etwas,
weil in meinem Haus fast nur Singles wohnen, die alle irgendwohin ausgeflogen
sind. Kein Getrappel im Treppenhaus, keine Klospülungen, keine Autos auf der
Straße.
Es ist wirklich außerordentlich angenehm.
Alle, die ob ihrer Feierorgien stöhnen, haben sich das
selbst zuzuschreiben. Wer zwingt sie denn das alles mitzumachen?
Besonders bizarr erscheint mir die Larmoyanz der
Christenfraktion.
Sie müssen anerkennen, daß Weihnachten – also die
Geschichte eines türkischen Nikolauses, die vom Coca-Cola-Konzern in
Kombination mit heidnischen Bräuchen zum Kommerzgipfel aufgeblasen wurde – dem theologisch
viel bedeutenderen Fest, nämlich Ostern, längst den Rang abgelaufen hat.
Im SZ-Magazin vom 23.12.2015 beklagt der Autor Marc
Baumann sein selbst gewähltes Schicksal.
Er beschreibt sich als einen Menschen, der sehr gerne
in Kirchen gehe:
„Für einen dieser typischen atheistischen Großstadtbewohner Ende dreißig bin ich überdurchschnittlich religiös.“
„Für einen dieser typischen atheistischen Großstadtbewohner Ende dreißig bin ich überdurchschnittlich religiös.“
Am „Heiligabend“ geht er sogar zweimal in die Kirche.
[….] Auch an
diesem Heiligabend gegen 23 Uhr werde ich fragen, ob jemand aus meiner Familie
mit in den Mitternachtsgottesdienst will. Und niemand außer mir wird vom Sofa
aufstehen. »Wir waren doch schon beim Familiengottesdienst«, heißt es dann.
Stimmt, aber der 16-Uhr-Gottesdienst ist nicht viel mehr als Krippenspiel, da
ist zu viel Unruhe, da möchte niemand die hibbeligen Kinder lange hinhalten,
und die Eltern sind zu sehr mit »Pssst!«-Zischen und »Wir gehen ja
gleich«-Beschwichtigungen beschäftigt. Die Erwachsenen, denen es ernster ist,
treffen sich spät am Abend. Die kratzen die Autoscheibe noch einmal frei,
binden sich den neuen Kaschmirschal um und frieren auf kaum beheizten Bänken,
obwohl es doch hernach keine Geschenke mehr auszupacken gibt.
Das Besinnlichste an Weihnachten ist für mich Stille Nacht, Heilige Nacht
im Spätgottesdienst.[….]
Jeder wie er will. Bis hierhin kann ich seinen Artikel
nicht kritisieren.
Aber erst jetzt kommt die SZ-Edelfeder zu seinem
eigentlichen Problem.
Die Predigten an sich sind so grauenhaft langweilig,
daß man schon nach wenigen Minuten nur noch mit dem unwiderstehlichen Drang
einzuschlafen kämpft.
Dabei ist es
noch nicht einmal eine so gute Show, wie man den Katholiken immer nachsagt.
Diese
stundenlangen Gottesdienste sind unfassbar langweilig und zäh.
Spannend ist
anders - meiner Meinung nach.
Aber wie schon
Jürgen Becker über seine Erfahrungen als Kind beim lateinischen Hochamt sagte -
„das war so ungeheuer öde! Wer das
überstanden hat, langweilt sich nie wieder im Leben. Ich kann jetzt stundenlang
eine weiße Wand ansehen und finde es spannend!“
Offensichtlich nehmen sich die Konfessionen nicht so
viel. Dem evangelischen Baumann geht es als Erwachsenen ganz ähnlich.
[….] Heiligabend
2014 in einer evangelischen Kirche in Franken, gegen 23 Uhr. Eine kräftige Frau
im schwarzen Talar mit weißem Beffchen steigt zur Kanzel empor. Die noch recht
junge Pfarrerin greift entschlossen mit beiden Händen ans Pult und beginnt mit
fester Stimme ihre Weihnachtspredigt. Es geht um einen alten Koffer, den sie
auf dem Dachboden gefunden hat, an mehr erinnere ich mich ein Jahr später beim
besten Willen nicht. Sie redete nicht mal eine Viertelstunde, aber hätte es wie
bei Paulus Plätze auf dem Fenstersims gegeben, es wären wohl einige Zuhörer
ermüdet hinabgestürzt. Paulus heutige Nachfolger können oft nicht einmal die
Lebenden unter ihren Zuhörern erwecken. [….]
Im Folgenden plädiert der gute Mann leidenschaftlich
dafür, daß Pfarrer unbedingt ihre Gottesdienste verändern müßten.
Die gähnende Langweile sie ja unerträglich.
Das Problem ist aber, daß man zur Erprobung der
Gottesdienste 2000 Jahre Zeit hatte und das Drehbuch nicht auswechseln kann.
Die Bibel ist sakrosankt.
Regelmäßiger Kirchenbesuch klappte in der Geschichte
immer nur mit Zwang – entweder, weil die Geistlichen auch weltliche Macht
hatten oder Angst machen konnten. Oder es besteht Zwang in sozialer Form wie in
Teilen der USA, wo man in seinem Dorf sehr böse geschnitten wird, wenn man sonntags
nicht in der Kirche war.
Sind die Menschen aber frei zu entscheiden und steht es
ihnen offen Bildung zu erlangen, ist bald Schluß mit den Gottesdienstbesuchen.
Freiwillig machen das nur verschwindend wenige mit.
Aber natürlich staune ich, daß ein gebildeter
Journalist wie Marc Baumann in der seriösen SZ eine seitenlange Suada über so
ein Nicht-Problem verfasst.
Wenn es so furchtbar langweilig ist beim Gottesdienst,
dann geh nicht hin. Thema erledigt.
Geistliche und Gläubige sind aber erstaunlich
realitätsnegierende Menschen.
Papst Franz hat doch ernsthaft am gestrigen
Weihnachtsgottesdienst zum Frieden in Nahost aufgerufen.
[….] Papst
Franziskus hat zu Weihnachten zum Frieden im Heiligen Land aufgerufen. Gerade
dort, wo Jesus als menschgewordener Sohn Gottes zur Welt gekommen sei, gingen
Spannungen und Gewalt weiter, beklagte das Oberhaupt der katholischen Kirche am
Freitag in seiner Weihnachtsbotschaft von der Loggia des Petersdoms. „Mögen
Israelis und Palästinenser wieder in direkten Dialog miteinander treten und zu
einer Übereinkunft gelangen, die den beiden Völkern erlaubt, in Harmonie
zusammenzuleben“, forderte Franziskus.
Der Papst äußerte auch die Hoffnung auf ein baldiges Ende des
„Waffendröhnens“ in Syrien. [….]
(RN 25.12.15)
Ist ihm das gar nicht peinlich?
Immerhin sind es doch eindeutig die Religionen, die hier als Wurzel aller Übel fungieren und außerdem beten Päpste jedes Jahr mit voller Autorität unter Anteilnahme von 1,2 Milliarden Katholiken für Frieden in Nahost.
Immerhin sind es doch eindeutig die Religionen, die hier als Wurzel aller Übel fungieren und außerdem beten Päpste jedes Jahr mit voller Autorität unter Anteilnahme von 1,2 Milliarden Katholiken für Frieden in Nahost.
Dieses Mittel ist also offensichtlich untauglich.
Der liebe Gott schert sich bewiesenermaßen einen Dreck
um weihnachtliche Gebete seines Stellvertreters.
Wie viele Male soll denn noch ein Pontifex Maximus mit
dem Kopf gegen die Wand rennen, bis er endlich zugibt, daß Gebete
offensichtlich nichts nützen?
Und dann war da noch Katrin Göring-Kirchentag. Fromme
Vorsitzende des Angela-Merkel-Fanclubs, die schafft bei Idealvoraussetzungen
für das Erstarken der Opposition, nämlich bei einer GroKo, die Grünen so zu
ödisieren, daß sie sogar noch schrumpfen.
Um noch einmal drastisch und deutlich zu
unterstreichen, weswegen eine Partei keine Glaubwürdigkeit mehr hat, die sich
für Genitalverstümmelungen, gegen die freie Entscheidung über sein eigenes
Lebensende und für die drastische Privilegierung der Geld-Kraken Diakonisches
Werk und Caritas einsetzen, gibt sie in der SZ vom 23.12.2015 ihr
Glaubensbekenntnis ab!
Vielen Dank auch dafür. Fall ich jemals mit dem
Gedanken gespielt haben sollte grün zu wählen, ist das jetzt erledigt.
[….] Mehr zu
Hause fühlen als im protestantischen Glauben kann ich mich nicht.
[….] Als ich 17
war, ist meine Mutter bei einem Autounfall gestorben. Durch die Zeit der Trauer
hat mich der Glaube an Gott getragen. Ich hätte auch an Gott zweifeln können.
Aber durch irgendeinen glücklichen Umstand ist das nicht passiert. Im
Gegenteil. Ich war mir plötzlich sicher: Auch wenn die wichtigste Bezugsperson
in meinem Leben jetzt fehlt, bin ich nicht allein.
Als ich dann in die Politik gegangen bin, ist meine Religiosität noch
größer geworden. Für einen Politiker, der ständig kritisiert wird, ist es ja
tröstlich und stärkend zu wissen, dass Gott da ist und da bleibt - auch wenn
ich Fehler mache. [….] Ich beginne
meine Tage mit einem Bibelvers aus den Herrnhuter Losungen, das ist eine
Sammlung von zufällig ausgesuchten Bibelversen. [….] Ich brauche Menschen, mit denen
ich zusammen beten kann. Deshalb ist der Gottesdienst am Sonntag so ein
Fixpunkt in meinem Leben. [….]
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