Donnerstag, 25. August 2016

Coole Briten.

Die britische Regierungschefin May urlaubt in der Schweiz. In London hält Boris Johnson die Stellung. Der Irre ist als ranghöchster Minister in charge.
May und ihre Leute lassen es ruhig angehen.
War da nicht was?

Ach ja, der Brexit. Das ist jetzt neun Wochen her und keiner der europafeindlichen Konservativen in der englischen Regierung hat die geringste Ahnung wie man den Austritt aus der EU bewerkstelligen soll.
Teresa May denkt gar nicht daran den Austrittsprozess nach Artikel 50 zu beginnen und läßt damit die EU-Größen Schulz und Juncker, die dies gefordert hatten mal wieder am ausgetreckten Arm verhungern.
Sicher ist nur eins: Die britische Wirtschaft trudelt bergab. Es wird nicht mehr investiert, die Immobilienpreise sinken, das Pfund verliert an Wert und insbesondere bei Londons Bankern geht die Angst um, weil eine Menge internationaler Geldinstitute das Land verlassen müssen, wenn England nicht mehr als Zugang zum EU-Finanzmarkt fungieren kann.
Mays Regierung ist auf Merkel-Kurs: Zaudern, zögern, Zeit lassen.
Das gefällt der rechtsradikalen Pest und der verlogenen Murdoch-Presse gar nicht. Sie machen umso stärker Stimmung gegen Ausländer.

Das englische Revolverblatt Daily Express nennt sich auf seiner Titelseite recht unbescheiden "Die beste Zeitung der Welt". Als solche sieht es seine vornehmliche Aufgabe darin, den unverzüglichen Austritt aus der EU zu fordern und Stimmung gegen in Großbritannien lebende EU-Bürger zu machen. Ende der vergangenen Woche verkündete der Express in großen Lettern, dass 2,2 Millionen Menschen im Vereinigten Königreich arbeiteten, die vom europäischen Kontinent stammen. Diese Zahl sei "schockierend", befand das Blatt, und wies darauf hin, dass fast eine Million dieser Arbeiter aus "acht vormals kommunistischen Staaten" stamme.
Was das Blatt macht, ist offensichtlich: Es insinuiert, dass es schlecht ist, dass diese Menschen in Großbritannien leben, obwohl sie dort Steuern zahlen. Die Folge dieser Art von Berichterstattung ist unter anderem, dass fremdenfeindliche Übergriffe auf der Insel seit dem Votum gegen die EU-Mitgliedschaft laut Polizeiangaben um 57 Prozent zugenommen haben. […..]

Die Rechten fühlen sich stark. Endlich kann man die Ausländer alle rausschmeißen. Weg mit denen.
Vergessen wird dabei aber, daß auch mindestens 1,2 Millionen Briten in anderen EU-Ländern leben. Trumpsche Ausweisungsdelikte aus Großbritannien könnten die anderen EU-Länder also mit gleicher Münze heimzahlen.
Man muß also irgendwie einen Modus Vivendi finden und dabei sitzt die EU am längeren Hebel. Die EU kann zwar schlecht ohne GB, aber GB kann noch viel schlechter ohne die EU.
Nigel Farage, Freund der Rechtsradikalen in aller Welt, hatte sich direkt nach dem Austrittsreferendum vom 23.06.2016 abgesetzt. Die Suppe, die er einbrockte, mag er nicht auslöffeln.

Der menschliche Enddarm hat neue Interessen.

 
Brüssel-hassende Torys hatten den Eindruck erweckt man könne ja einfach so am EU-Wirtschaftsraum teilnehmen, ohne EU-Mitglied zu sein. Die Segnungen Europas genießen, aber die Pflichten ablehnen. Vorbild Norwegen.
Dieser Plan wird aber nicht klappen, da mit Norwegen auch Niederlassungsfreiheit vereinbart wurde.
Norwegen muß zudem alle Zahlungen an Brüssel leisten, die es als EU-Mitglied auch beitragen müßte.
England könnte nach diesem Modell also bestenfalls erreichen genauso viel wie vorher an Brüssel zu zahlen, genauso viele EU-Ausländer aufnehmen zu müssen wie bisher, dafür aber alle Mitspracherechte verlieren.
Aber das ist Bestcase-Szenario.
Erforderlich ist dazu nicht nur das OK der EU, sondern auch ein einstimmiges Votum der anderen Efta- und EWR-Länder. Die denken aber gar nicht dran.
Würde nämlich England Teil des EWR, wären Norwegen, Island und Liechtenstein aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips zukünftig immer auf Englands „Ja“ angewiesen und wie egoistisch die Londoner Regierung gegenüber den anderen Europäern denkt, wurde am 23.06.16 eindrucksvoll bewiesen. Wieso sollten sich die vier Kleinen das böse England ins Boot holen?

[….] Norwegen ist Mitglied in der Europäischen Freihandelsassoziation (Efta), ebenso wie Island, Liechtenstein und die Schweiz. Aus der 1960 gegründeten Organisation waren im Lauf der Zeit sechs Mitglieder zur Europäischen Gemeinschaft gewechselt, Großbritannien 1973. Die verbliebenen Efta-Staaten wurden in den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) integriert, mit Ausnahme der Schweiz, die ihr Verhältnis zur EU in bilateralen Verträgen regelt. Norwegen zahlt Beiträge an die Union und setzt die meisten Brüsseler Entscheidungen in nationales Recht um: Auf norwegischen Zigarettenpackungen stehen die von Brüssel vorgegeben Warnungen, und das Land steht EU-Bürgern genauso offen wie jeder Mitgliedstaat. Nur mitentscheiden darf Norwegen nicht.
Der Gedanke, Großbritannien könnte in die Efta zurückkehren, stößt in Oslo auf gemischte Gefühle. "Es ist nicht sicher, dass es gut wäre, ein großes Land in eine solche Organisation zu lassen", sagte EU-Ministerin Elisabeth Vik Aspaker der norwegischen Tageszeitung Aftenposten. "Es würde die Balance verschieben, was nicht unbedingt in Norwegens Interesse ist." Über neue Mitglieder entscheidet die Efta einstimmig. Norwegen wäre es theoretisch möglich, einen Beitritt zu blockieren. [….]

In der Woche nach dem „Brexit-Votum“ lachte der Rest Europas über verblödete britische Wähler, die ein zweites Referendum verlangten, weil sie beim ersten mal gar nicht gewußt hätten worüber sie abstimmten.
Noch verdummter waren die britischen Jugendlichen, die wegen ihrer Vakuumköpfigkeit verschliefen überhaupt abzustimmen.
Wähler sind eben fast überall Idioten.

Erstaunlich ist aber im Fall Großbritanniens, daß auch die Toppolitiker, die für den Brexit warben, die auch jetzt dafür zuständig sind, nicht nur keine Idee haben wie das Vorhaben umgesetzt werden soll, sondern immer noch fehlinformiert sind.

Die Briten haben nicht einmal den Ansatz eines Planes für den Brexit
[….] Tatsächlich aber weiß niemand, was der Brexit bedeutet, und es wird immer deutlicher, dass die EU-Gegner nicht einmal den Ansatz eines Plans hatten, was im Falle eines Votums für den Austritt zu tun wäre. Der äußerst EU-kritische Brexit-Minister David Davis glaubte allen Ernstes eine Weile, man könne nach dem Austritt mit den meisten Staaten auf dem Kontinent bilaterale Handelsabkommen schließen. Er übersah, dass die meisten dieser Staaten solche Abkommen gemeinsam unterschreiben, als Block, weil sie in einer Organisation namens EU zusammengeschlossen sind. Hätte man Davis das in Ruhe erklärt, wer weiß: Vielleicht hätte er sich erkundigt, ob man diesem Block nicht beitreten könnte.
Die Austrittsverhandlungen beginnen erst, wenn die Briten Brüssel gemäß Artikel 50 des EU-Vertrags darüber informieren, dass sie die Union verlassen wollen. Da jedoch das Ausmaß der Planlosigkeit immer deutlicher wird, hat Theresa May kein Interesse daran, das allzu bald zu tun. Zum einen fehlt es an Verhandlern, zum anderen ist nicht klar, worüber im Detail verhandelt werden soll.
[….] Das Thema ist, gelinde gesagt, komplex, und viele EU-Gegner reagieren darauf mit Trotz. Teile der EU-kritischen Presse fordern, man solle einfach jetzt und sofort und ohne Verhandlungen austreten. Das könne ja wohl nicht so schwierig sein. Das ist in der Verkennung der Realität beinahe rührend dämlich, und es könnte auch ziemlich witzig sein, wenn es nicht diese Blätter gewesen wären, die in jahrelanger Hetze gegen die EU mit Lügen und Propaganda den Nährboden für den Austritt bereitet hätten.
Dass das Pfund gefallen ist, dass die Zentralbank aus Angst vor einer Rezession den Leitzins auf ein historisches Tief herabstufte und die Wachstumsprognose deutlich senkte, dass am Finanzplatz London die Stimmung beispiellos mies ist, ficht die EU-Gegner nicht an. [….]

Aufgrund der eigenen Totalinkompetenz bleibt den regierenden Torys nur das ewige Aussitzen.
Ausbaden müssen das Politversagen unter anderem die EU-Bürger in England, die aus Frust über den nichts durchgeführten Brexit zunehmende dem Hass des rechten Pöbels ausgesetzt sind.
Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon wird allerdings genauso wenig wie die Kollegen in Nordirland abwarten, sondern ihre Unabhängigkeitsbestrebungen weiter verfolgen.
Das hässliche Gesicht Englands erlebt sie deutlicher denn je.

[….] In Sturgeons Fragestunde meldete sich schließlich die Italienerin Caroline Magoha. Sie erzählte unter Tränen, dass sie seit dem Brexit-Votum auf halbgepackten Taschen sitze. Ihr Sohn sei in der Schule als Schmarotzer beschimpft worden. Vielen im Saal wurde in diesem Moment erst bewusst, was das Votum für den Brexit emotional für die im Land lebenden EU-Bürger bedeutet. Sturgeon sagte, dies breche ihr das Herz. [….]


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