Samstag, 16. Dezember 2017

Boulevardisierung

Alle Zeitungen und Zeitschriften veranstalten alle paar Jahre mit großem Bohei einen Relaunch. Kündigen schon Wochen vorher großartige Neuerungen an und enden doch nur damit, daß die Abonnenten verärgert sind, weil sie als Gewohnheitstiere nicht mehr so schnell das finden, was sie suchen.
Diese poppigen Layout-Offensiven sollen dazu dienen die Auflage zu erhöhen, aber wenn man sich den generellen Auflagenschwund ansieht, scheinen die Investitionen in die Optik weitgehend zu verpuffen.
Die Hamburger Morgenpost verschleierte mit ihren jüngst durchgeführten oberflächlichen Aufhübschungen, daß die Dumont Mediengruppe ein Dutzend Mitarbeiter rauswirft und damit an journalistischer Qualität spart.
Shame on you, Renate Pinzke rauszuwerfen.


Sinkende Auflage mit schlechterer Qualität zu bekämpfen, erscheint mir keine sinnvolle Strategie.
Washington Post und New York Times feiern gerade Abonnenten-Rekordzuwächse, indem sie mehr Journalisten und Dokumentare einstellten, die akribisch und detailliert ausführliche politische Berichte schreiben.

Die Mopo kompensiert ihre geistige Ausdünnung so gut sie kann.
Die erste Doppelseite jeder Ausgabe heißt nun „Hamburg, bitte! Standpunkt-Seite.“ Hier sollen Mopo-Mitarbeiter und Gast-Autoren aller Art ihre „ganz persönliche Sicht“ über ein Thema ausbreiten dürfen.
Die Themenauswahl und das klar einseitige Herangehen haben durchaus Vorteile; weil Kontroversen nun einmal spannender als nüchterne Beschreibungen sind.
Das Niveau ist allerdings gelegentlich erschreckend niedrig.

Heute beispielsweise beklagt sich die aus Bayern zugewanderte streng-gläubige Katholikin Miriam Khan über die Hamburger „Weihnachtsheuchler“, die nur Heiligabend in die Kirche gingen und den echten Gläubigen, die jeden Sonntag kommen, die guten Plätze wegnehmen.
Ihre steile These lautet:


Dazu sage ich als Atheist zunächst einmal: Hahahahahahaha!
Die in Hamburg ohnehin marginalisierten Katholiban geben sich nun also Mühe noch mehr Leute aus ihren Hallen zu treiben.

Menschen aus der Kirche zu schmeißen; nur die reinzulassen, die streng genug glauben, ist zunächst einmal eine interessante Interpretation des Evangeliums.
Exklusiv-Jesus ist ab jetzt nur noch für die Elite da?

Da ist Frau Khan allerdings nicht die Erste, die so denkt. Schon Erzbischof Dyba wollte eine exklusive Edel-Kirche, die nur Traditionalisten reinlässt und den Plebs, der es wagt selbst zu denken ausschließt.
Auch Kardinal Joseph Ratzinger betrachtete Woytilas Weltjugendtage voller Argwohn, beklagte öffentlich es nütze nicht eine Million Katholiken zusammen zu holen, wenn anschließend „die Wiese voller Kondome liegt.“
Selbst zum Papst aufgeschwungen, versuchte Ratzi dementsprechend auch eine noch exkludierendere Politik durchzusetzen. Schwule raus aus den Priesterseminaren, weibliche Messdiener raus, Schluß mit der Evangelen-Ökumene und Ja zu den Holocaustleugnern.
Insbesondere bei seinem Deutschlandbesuch im September 2011 und seiner Rede im Freiburger Konzerthaus erteilte er einer großen vom Staat finanzierten Kirche eine Absage.
Ratzi war durchaus erfolgreich mit seinen Bemühungen; seit der Deutschlandreise sind rund eine Million Katholiken aus der Kirche ausgetreten.

Mopo-Frau Miriam Khan, die sonst mit Artikeln wie „Endlich wieder Glühwein! Hamburgs Weihnachtsmärkte“, oder „Gift-Fass fällt von Gabelstapler“ beeindruckt, sollte aber ihre Zahlen ruhig mutiger interpretieren.

Sie verweist auf die 34.700 Menschen, die sonntags im Erzbistum Hamburg einen katholischen Gottesdienst besuchen.

Das Erzbistum Hamburg ist mit Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg das flächenmäßig größte deutsche Bistum.
Auf 32.486 km² leben 5,8 Millionen Einwohner; davon sind knapp 400.000 Katholiken.
Hier gibt es also etwa 6,8% Katholiken und von denen gehen auch nur gut 8% sonntags in den Gottesdienst.
Umgerechnet sind das 0,6% der Bevölkerung.

Wenn der Kirchenzutritt auf diese 0,6% der Menschen beschränkt würde, sollte man konsequenterweise auch die Zahlungen an die Kirche auf diese 0,6% der Bevölkerung beschränken.

[….] Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben 2016 so viel Kirchensteuern erhalten wie noch nie. Trotz sinkender Mitgliederzahlen erreichten die Kirchensteuereinnahmen im Vorjahr mit knapp 11,6 Milliarden Euro ein neues Rekordhoch. Davon erhielt die katholische Kirche 6,146 Milliarden und die evangelische 5,454 Milliarden. [….]
(Radio Vatikan, 21.07.2017)

Dazu kommen noch einmal über 500 Millionen Euro, die auch Atheisten als Staatsdotation jedes Jahr über die Bundesländer an die Kirchen zahlen.
Ganz zu schweigen von den etwa 20 Milliarden, die Kirchen durch Steuerbefreiung mittelbar vom Staat bekommen und der fast vollständigen staatlichen Finanzierung aller sozialen Einrichtungen unter kirchlicher Trägerschaft.

Und selbst mit dem Milliardenregen ist die finanzielle Lage der Khanschen Katholiken in Hamburg desaströs.

[….] Heße stimmt Katholiken auf Kahlschlag ein
Die katholische Kirche steht in Hamburg vor massiven Einschnitten. Mehrere Kirchengebäude und auch katholische Schulen müssen wahrscheinlich geschlossen werden. Erzbischof Stefan Heße sagte am Freitag im Gespräch mit NDR 90,3, dass in den kommenden sechs Monaten der Sanierungsfahrplan erstellt werden soll. [….]

[….] Im Abendblatt spricht Stefan Heße über die Schuldenkrise seiner Diözese – und die drohende Schließung von katholischen Kirchen.
Das Erzbistum Hamburg droht tief in die roten Zahlen zu rutschen. Die derzeitige Überschuldung von 80 Millionen Euro könnte bis zum Jahr 2021 auf 350 Millionen wachsen. [….]

Ja, meinetwegen gern, Frau Khan, lassen Sie nur noch die 0,6% der regelmäßigen Kirchgänger in die katholischen Kirchen des Erzbistums.
Aber dann nehmen Sie gefälligst auch nur noch 0,6% des Geldes, das bisher in die Kassen der Nord-RKK fließt.

Ich bin gespannt wie Herr Heße damit auskommt, wenn er schon mit der weit über hundertfachen Summe Kirchen zumachen muss.

Guter Plan!

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