Kassandra
ist dafür berühmt, daß man ihr nicht glaubte.
Darin
liegt die Tragik der Tochter des trojanischen Königs Priamos; ihr Weitblick
nützte nichts, ihre Fähigkeit Katastrophen zu verhindern verpuffte.
Wenigstens
war Kassandra zur Kompensation für ihre Unglaubwürdigkeit schön.
Das soll
man nicht geringschätzen, wenn man schon als allgemeiner Unsympath gilt.
Als Sozi
ist man in dieser Hinsicht doppelt geschlagen.
Nicht
nur glaubt man uns nicht, sondern die Topfiguren Schulz, Nahles, Scholz und
Gabriel sind auch noch häßlich.
Wir
wissen das spätestens seit 1990, als unsere Jungs, insbesondere in Gestalt des
Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine zwar alle Schwierigkeiten der deutschen
Einheit präzise voraussagten, aber nicht gehört wurden.
Die
Majorität des Urnenpöbel empfand es als grob unsympathisch mit der schnöden
Realität konfrontiert zu werden.
Dann lieber den jovial-lockeren Kohl, der von „blühenden Landschaften“ und Kosten, die „aus der Portokasse“ zahlbar wären, fabulierte.
Dann lieber den jovial-lockeren Kohl, der von „blühenden Landschaften“ und Kosten, die „aus der Portokasse“ zahlbar wären, fabulierte.
Lafontaine
lernte aus dieser Erfahrung uns fegte mit dieser Erkenntnis 1995 in Mannheim auch den elend-öden Parteichef Scharping aus
dem Amt.
[….]
"Die Sekretärinnen, die
Krankenpfleger, die Facharbeiter zahlen brav ihre Steuern, und die höheren
Einkommen haben so viele Abschreibungsobjekte, dass Millionäre stolz sind, sich
zu brüsten, dass sie keinen Pfennig Steuern zahlen - wie soll denn da das
Vertrauen in unseren Staat noch gegeben sein? Es gibt noch Politikentwürfe, für die wir uns
begeistern können, und wenn wir selbst begeistert sind, können wie auch andere
begeistern. In diesem Sinne: Glückauf!" [….]
Das war sprachlich brillant.
Martin
Schulz‘ jüngste
Parteitagsrede am 07.12.2017 in Berlin war öde. Ein sichtlich
um Deeskalation bemühter Parteichef, der unbedingt wiedergewählt werden wollte,
sagte nichts wirklich falsches, tastete sich aber lediglich vorsichtig voran,
weil er die Delegierten darauf einstimmen wollte genau das zu verabschieden,
was er zwei Monate zuvor noch kategorisch ausgeschlossen hatte: Regieren unter
Angela Merkel.
[….]
Schulz versucht sich hier an einem
größeren Bogen. Statt mit der Tür ins Haus zu fallen, malt er ein düsteres
Panorama der nationalen, europäischen, ach was, der globalen Herausforderungen.
Da kann einem schon ein wenig anders werden, schließlich gilt es Schulz
zufolge, grob zusammengefasst, den Klimawandel einzuhegen, Google und Facebook
zu bändigen, Steuerflucht und Terroristen zu bekämpfen, sowie auch noch die
Sache mit den Flüchtlingen zu lösen. Das alles aber könne man gar nicht mehr im
Bundestag durchsetzen, dafür brauche man Europa, genauer: "Das soziale
Europa, das demokratische Europa!" Schulz ruft: "Wir brauchen das
sozialdemokratische Europa!"
Und wie schafft man
das, ein sozialdemokratisches Europa? Doch wohl nur, indem die SPD mitregiert.
Alles klar?
Die Welt ist schlecht,
also werden wir gebraucht, so geht die Argumentation. [….]
Das ist
das diametrale Gegenteil des Begeisterungs-Parteichefs von 1995. Hier kommt
Jammer-Martin, der alles so scheiße findet und eigentlich auch keinen Bock mehr
hat.
(.....) "Ich strebe keine
große Koalition an, ich strebe auch keine Minderheitsregierung an. Ich strebe
auch keine Neuwahlen an. Was ich anstrebe: Dass wir die Wege diskutieren, die
die besten sind, um das Leben der Menschen jeden Tag ein Stück besser zu
machen."
(Martin
Schulz, Juso-Kongress, 24.11.2017)
Inhaltslos daher faseln kann der SPD-Chef inzwischen schon fast so gut wie
Angela Merkel.
Natürlich
strebt kein Sozi irgendetwas an, bei dem am Ende die CDU den Kanzler stellt. So
schlau sind schon Viertklässler.
Die
Frage ist aber, ob man etwas, das man nicht anstrebt womöglich unter Umständen
doch tun muss.
Von
Schulz wüßte man gern, welche Umstände dies genau sein könnten, welche
Bedingungen dann erfüllt sein müssen und was ihn eigentlich dazu brachte von
seinem kategorischen „Nein zur Groko“ abzurücken. Wie erklärt man das dem
Wahlvolk und wird dieser schwerwiegende taktische Fehler der SPD-Spitze
personelle Konsequenzen haben?
Das
Leben „der Menschen“ (allgemeiner geht es kaum noch) „besser“ zu machen, stammt
vermutlich aus einem Glückskeks.
Ich
bezweifele, daß irgendeiner in CSU, CDU, FDP, bei den Grünen und den Linken
etwas anderes möchte. In keinem Parteiprogramm wird eine Verschlechterung des
Lebens versprochen. (….)
Unglücklicherweise
wird der alte und neue Parteichef rhetorisch auch noch zunehmend schlechter.
[….]
Nach einer guten halben Stunde seiner
Rede stellt sich erster leichter Kopfschmerz ein. Das liegt weniger an dem, was
er sagt, sondern vor allem an der Tonlage. Früher, da konnte Schulz in seinen
Reden modulieren, da sprach er mal laut und begeisternd, mal leise und
nachdenklich - und vor allem immer wieder witzig, selbstironisch. Das ist
komplett weg, nun ist alles ernst, laut und gepresst. […..]
Das ist
kaum auszuhalten und so applaudiert man schon deswegen am Ende artig mit, um
sicherzustellen, daß der Mann bitte nicht noch länger spricht.
Und die
Partei? Wieso wählt sie mit 82% Mimimimi-Martin, den mäandernden Miesepeter?
Dafür
gibt es zwei Gründe. Martin Schulz tut den Delegierten ob seiner
Tollpatschigkeiten und des enormen Absturzes ganz furchtbar Leid und außerdem
gibt es diesmal keinen Lafo, der wie Kai aus der Kiste springt.
[….]
Um das zu verstehen, muss man sich kurz
vorstellen, diese Rede hier hätte jemand anderes gehalten. Hamburgs
Bürgermeister Olaf Scholz zum Beispiel, der bei den Genossen so beliebt ist,
wie Klassenstreber eben beliebt sind: Solange sie einen abschreiben lassen,
geht's. Oder Andrea Nahles, die jetzt zwar an der Spitze der Bundestagsfraktion
steht, für viele hier aber mutmaßlich immer die böse Linke bleiben wird, die
einst den Parteivorsitzenden Franz Müntefering gestürzt hat - was man auch
daran ablesen kann, dass Nahles zwar später in der Aussprache die klarere,
bessere Rede hält als Schulz, dafür aber nur einen kurzen Höflichkeitsapplaus
erhält. Oder Sigmar Gabriel: Sie alle hätten es hier deutlich schwerer als
Schulz.
Weil er eben trotz
allem noch der Martin ist, den sie ins Herz geschlossen haben und nicht einfach
fallen lassen wollen, und weil sie dann ja auch zugeben müssten, sich damals,
als sie ihn mit 100 Prozent wählten, womöglich geirrt zu haben. [….]
Den Job
als Parteivorsitzender konnte Schulz retten.
Aber im
Jammermodus wird die Partei in den Umfragen nicht reüssieren, auch wenn ihre Konzepte
noch so viel besser sind als die der anderen Parteien.
Den
Urnenpöbel interessieren Inhalte viel weniger als Parteistrategen sich das
wünschen.
Niemand
liest Parteiprogramme, der sich nur peripher für Politik interessiert.
Stimmungen,
Sympathie und Bauchgefühl sind die neue harte politische Währung.
[…..] Partei
der schlechten Laune
Sozialdemokraten
lamentieren am liebsten darüber, was sie nicht erreicht haben. Es wäre höchste
Zeit, dass man in der SPD nicht nur die Partei, sondern auch die Mentalität
erneuert.
[…..] Viele
Mitglieder treibt die Furcht um: Egal, was sie tun - sie werden das nächste Mal
ja doch wieder nur abgestraft von den Wählern.
Diese Angst ist
berechtigt; allerdings aus ganz anderen Gründen als denen, die auch auf dem
Parteitag wieder allzu oft genannt werden. Indem Delegierte Gespräche mit der
Union schon deshalb ablehnen, weil mit ihr "keine sozialdemokratische
Bildungspolitik" zu machen sei, oder weil sie mutmaßen, dass auch am Ende
der nächsten Groko die Großaktionärin von BMW weiterhin nur 25 Prozent
Abgeltungsteuer zahlt, der Schichtarbeiter jedoch 37 Prozent Einkommensteuer -
indem sie so argumentieren, bringen sie schon die Saat für das nächste Desaster
aus.
Das Grundproblem der
SPD besteht nicht darin, was sie tut, sondern wie sie es tut. Es ist das ewige
Hadern mit sich selbst, die ewige schlechte Laune, die unzerstörbare Liebe zur
reinen Lehre und der Irrglaube, es sei grundsätzlich erstrebenswerter, null
Prozent in der Opposition zu erreichen als 70 Prozent in der Regierung.
[…..] Ludwig Stiegler, ihr früherer Fraktionschef im
Bundestag, hat es auf den Punkt gebracht. Er fragte, wie eigentlich
Wahlkampfhelfer und mögliche Wähler "den Hintern hochkriegen" sollen,
wenn sie immer nur hören, was die Partei leider alles nicht erreicht habe. In
der Tat, man wird mit der Union, zum Beispiel, keine sozialdemokratische
Steuerpolitik machen können - umgekehrt wird man mit der SPD auch keine
christsoziale Flüchtlingspolitik etablieren können. Wer jedoch in vier Jahren
vor allem bejammern will, dass die BMW-Erbin immer noch keine Einkommensteuer
zahlt, der sollte in der Tat an eine neue Koalition nicht einmal denken.
[…..]
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