Als
ausgesprochener Nicht-Schulz-Fan würde ich bei der Bundestagswahl am 22.09.2017
selbstverständlich mit beiden Stimmen die SPD wählen.
Dafür
gibt es im Wesentlichen zwei Gründe.
Nach den
gegenwärtigen Umfragen und denkbaren Koalitionsoptionen scheint mir eine
SPD-Stimme mit der größten Wahrscheinlichkeit CDU und CSU aus der Regierung zu
vertreiben.
Der
zweite Grund ist die Parteiprogrammatik, die nach dem Ausschlussprinzip
ebenfalls für die Sozis spricht.
Ich
weiß, es ist außerordentlich exotisch Parteiprogramme zu lesen. Niemand tut
das. 99,99% der deutschen Wähler machen ihr Kreuz ohne die Regierungsprogramme
der zur Wahl stehenden Parteien gelesen zu haben.
Man
entscheidet hierzulande nach Bauchgefühl und Sympathie.
Aber da
ich ohnehin undeutsch bin und nach dem Willen der CDU/CSU keine deutsche Staatsbürgerschaft verdiene,
kann ich auch so verrückt sein diese Programme mal anzuklicken.
Immer
noch verteidige ich die Agenda-Politik im Grundsatz (was natürlich beinhaltet,
daß darin viele kleine und große Ungerechtigkeiten sind, die nachgebessert oder
abgeschafft, respektive ersetzt gehören.)
Da
interessiert es mich schon, was der Linken nach 12 Jahren des radikalen Kampfes
gegen HartzIV („Armut per Gesetz“) eingefallen ist.
Leider
nicht viel, wenn ich mir das aktuelle Wahlprogramm 2017 ansehe:
Gute Arbeit und Löhne:
Den gesetzlichen Mindestlohn erhöhen wir auf 12 Euro. [….]
D’Accord. Wäre vermutlich auch mit der
SPD zu machen. Aber nicht mit der Union oder FDP.
Armut abschaffen,
statt die Armen zu bedrängen: soziale Garantien des Lebens. Wir schaffen das
Hartz IV-System ab und ersetzen es durch eine Mindestsicherung ohne Sanktionen
und Kürzungsmöglichkeiten in Höhe von 1.050 Euro.
Das
klingt für mich wie bedingungsloses Grundeinkommen, für diejenigen, die nicht
arbeiten. Das ist unfair gegenüber den Klein- und Normalverdienern, die diese
1.050 Euro mit ihren Steuern aufbringen müssen.
Entweder
es bekommt jeder dieses Grundeinkommen, oder es muß mit Bedingungen verknüpft
sein, wenn es gewissermaßen exklusiv den Nichtarbeitenden zusteht.
Großer
Unsinn ist, daß dadurch die Armut abgeschafft würde. Verarmung geistiger und
sozialer Art treten durchaus auf bei Menschen, die genügend Geld haben.
Andererseits gibt es viele Menschen mit sehr wenig finanziellen Mitteln, die
sich überhaupt nicht arm fühlen.
Dazu
empfehle ich den sehr lehrreichen KONTRASTE-Bericht von gestern zur Frage was
eigentlich Armut ist.
Caroline
Walter und Christoph Rosenthal zeigen am Beispiel Stendals wieder einmal, daß
Armut eben nicht nur am Geld festzumachen ist. Die LINKE würde die hier
gezeigte Armut auch nicht mit einer Verdoppelung oder Verdreifachung
abschaffen. Hier sind stattdessen erhebliche Investitionen in soziale,
kulturelle, und pädagogische Betreuung notwendig.
Ich mag
auch nicht mehr daran glauben, daß hier besonders eklatante Einzelfälle gezeigt
werden, weil ich in den letzten zehn Jahren hunderte solcher Berichte gesehen und
Reportagen gelesen habe. Auch meine eigene Anschauung deckt sich mit dem
Befund.
Mario
Tiesis, Arche Stendal:
"Ich glaube, dass
da eine Gleichgültigkeit da ist und dass sie auch Weltmeister sind, im Dinge
verdrängen. Das ist einfach so. Das Geld, was ich am Monatsanfang bekomme, muss
ich nicht zum Nägel machen und zum Tätowieren und für‘s Handy und für den
Frisör nutzen, aber es wird getan und es ist eigentlich vielen Eltern auch
bewusst, dass es Geld ist, was eigentlich auch zum Teil für ihre Kinder ist und
dass sie das mit ausgeben." [….]
Mario Tiesis hält
nichts davon, den Eltern einen höheren Hartz IV Satz zu geben. Die Kinder seien
arm, weil sie emotional vernachlässigt werden.
Mario
Tiesis, Arche Stendal:
"Wir haben da mal
einen Zettel mitgegeben für eine Kinderfreizeit kostenlos für eine Woche. Da
stand dann direkt auf dem Zettel, wozu ich komme ja auch nicht raus. So ein
typisches Beispiel. Wir haben Eltern, ich hab mit einem Fußballtrainer gesprochen
vor zwei Tagen, der an einem Jungen dran ist, der versucht hat, den sozusagen
in ein Fußballtraining zu integrieren, mit den Eltern mehrmals gesprochen hat
und ähnliche Antworten gekriegt: Wozu? Es gibt oft so eine Aussage, wo man dann
sagt, Mensch aus deinem Kind kann was werden, es hat da eine Chance. Und dann
wozu? Dann spricht es ja nachher nicht mehr mit mir oder will mit mir nichts zu
tun haben."
Daß
Horden von Menschen PEGIDA und AfD nachlaufen hat nichts mit finanzieller Armut
zu tun, sondern mit Verdummung.
Da sind
grundsätzliche Anstrengungen des Staates in Bildung, Betreuung, Schule und
Sozialämter notwendig.
Das Rentenniveau muss
wieder auf 53 Prozent angehoben werden. Das bedeutet für einen
durchschnittlichen Rentner oder eine durchschnittliche Rentnerin: rund 130 Euro
mehr im Monat. […..]
Diese
Punkt halte ich für geradezu fahrlässig falsch. Grundsätzlich am Prozentsatz
des Rentenniveaus zu drehen, bedeutet, daß die Reichsten am stärksten
profitieren, während die ganz Armen kaum eine Verbesserung spüren.
(…..)
Heute
sind beispielsweise ausnahmslos alle Zeitungen voll des Lobes über Nahles‘ Rekord-Rentenerhöhung von fast 5% im
Westen.
Daß
aber Nahles grundsätzlich nur die Angestellten einzahlen lässt, während Reiche,
Selbstständige, Beamte und Bundestagsabgeordnete gar nichts in die Rentenkasse
zahlen, wird gar nicht mehr erwähnt, obwohl das eine so eklatante
Ungerechtigkeit ist, daß Nahles selbst immer forderte die Renten aus dem
Bundeshaushalt zu zahlen – aber da war sie noch nicht Ministerin.
Und
was bedeutet überhaupt „5% Erhöhung“? Prozentual heißt, daß diejenigen mit der
höchsten Rente auch die größten Aufschlag bekommen.
Eine
arme Rentnerin mit 500 Euro im Monat bekommt dann 25 Euro mehr, ist also immer
noch richtig arm, während der Luxusrentner mit 10.000 Euro Rente, der also
keineswegs eine Erhöhung nötig hätte, gleich 500 Euro dazu bekommt.
Das
sind 475 mehr.
Faire
Sozialpolitik würde wenn sie etwas zu verteilen hat lieber Pauschalbeträge
aufschlagen. 250 Euro mehr für jeden, beispielsweise. (….)
Die
Linke ist hier auf demselben Holzweg wie GroKo-Nahles (vor 2013 hatte die
fromme Katholikin etwas radikal anderes gefordert, als das was sie selbst als
Ministerin umsetzte.)
Mehr Zeit zum Leben
statt schuften bis zum Umfallen: Wir wollen die Rente ab 65 oder nach
mindestens 40 Jahren Beitragsjahren. Wir wollen Arbeit so umverteilen, dass
nicht mehr die einen in Stress und Überstunden untergehen und die anderen nicht
so viel Arbeit finden, wie sie wollen. Kürzere Vollzeit mit guten Standards:
Wir wollen ein neues Normalarbeitsverhältnis und ein Recht auf Feierabend. Und
eine gerechtere Verteilung der Tätigkeiten zwischen den Geschlechtern.
Die Linke
goes 1950er. Das ist doch weit an der Lebenswirklichkeit im Jahr 2017 vorbei.
Starre Regelungen können nicht mehr das Mittel der Wahl sein. Stattdessen muß
ein Ingenieur oder Controller, der seinen Job auch noch mit 70 oder 75 gern tun,
weiterhin arbeiten können, während andere
Menschen (insbesondere in physisch sehr anstrengenden Berufen) eventuell
schon mit 50 oder 45 nicht mehr können.
Wir wollen ein
Programm für die Zukunft, das sich am Bedarf und den Bedürfnissen der Menschen
orientiert: Wir investieren in Bildung und Gesundheit, mehr Personal in Pflege
und Erziehung, in sozialen Wohnungsbau und einen sozialen und ökologischen
Umbau der Wirtschaft, in Barrierefreiheit. Wir wollen die Massenerwerbslosigkeit
bekämpfen und neue Arbeitsplätze in kurzer Vollzeit schaffen.
Bitte 5
EURO ins Phrasenschwein. Solche Absichtserklärungen finden sich wortgleich bei
so ziemlich jeder Partei. Wer würde nicht gern die Massenarbeitslosigkeit
abschaffen und die Engpässe in der Pflege überwinden. Nur wie??
Wir finanzieren dieses
Zukunftsprogramm, indem wir Reichtum begrenzen: Vermögen oberhalb einer Million
Euro wollen wir besteuern, auch hohe Erbschaften.
Klingt
gut, aber unkonkret.
Mit
welchen Parteien gedenkt die LINKE dafür Mehrheiten im Bundesrat zu bekommen?
Und wie will sie das auf internationaler Ebene implementieren?
Die richtig Reichen entziehen sich doch längst den nationalen Steuergesetzen.
Die richtig Reichen entziehen sich doch längst den nationalen Steuergesetzen.
Auch in der
Einkommensteuer wollen wir die unteren und mittleren Einkommen entlasten, die
oberen stärker belasten: Wir erhöhen den monatlichen Grundfreibetrag auf 1.050
Euro zu versteuerndes Einkommen. Der Steuerverlauf wird abgeflacht bis 53
Prozent für die Einkommen oberhalb von 70.000 Euro. […..]
Über 50%
der Menschen zahlen gar keine Einkommenssteuer, weil sie unter den Freibeträgen
liegen. Die haben also auch nichts von Einkommenssteuersenkungen oder
Kurvenabflachungen.
Stopp von
Mieterhöhungen! […..]
Das gibt
erhebliche Probleme mit dem Grundgesetz und wird sehr viele Menschen, die in
bescheidenen Verhältnissen leben und sich in 40 jähriger Erwerbstätigkeit eine
Eigentumswohnung als Alterssicherung angeschafft haben, wenig gefallen.
Ich bin
ein ausdrücklicher Anhänger von R2G und würde ein paar linke
Minister in der Bundesregierung durchaus begrüßen.
Aber
programmatisch haben sie kaum etwas zu bieten, das als Blaupause für ein
Regierungsprogramm tauglich wäre.
Die
Linken sind erstaunlich einfallslos und altbacken.
Und
dabei habe ich die wirklich heiklen Punkte in der Außen- und Sicherheitspolitik
noch gar nicht erwähnt.
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