Freitag, 31. März 2017

Reich fallen.

Das ist das Schöne an einen Job im Bundeskabinett unter Angela Merkel; man kann noch so grotesk versagen, auf noch so abenteuerliche Weise unqualifiziert sein; die Chefin stört das nicht.
Man kann maximalen Stumpfsinn verzapfen und bleibt wie Alexander Dobrindt doch immer Minister.
Das klappt sogar noch eine Ebene höher. Wie oft schon hat sich Günther Oettinger als größter Depp Europas bewiesen – und dennoch beläßt Merkel ihn kontinuierlich auf den mächtigsten Posten, den ein Deutscher in der EU besetzt.
Ohne irgendwelche Europapolitische Erfahrungen stieg der Mann im Februar 2010 zum EU-Energiekommissar auf, debakuliert nun seit mehr als sieben Jahren auf höchster Ebene. Der Mann dreht frei. Merkel ist es offensichtlich Wurscht.

Franz Josef Jung, Kristina Schröder, Ronald Pofalla, Michl Glos, Hermann Gröhe, Thomas de Maizière, Hans Peter Friedrich, Peter Ramsauer – die Liste ihrer kapitalen Kabinetts-Fehlbesetzungen ist lang.

Nicht nur läßt Merkel ihre Kabinettsflaschen gewähren, nein anschließend wird auch noch richtig dreist Lobbyismus betrieben.
Merkel hat nach 27 Jahren in der ersten Reihe der Politik immer noch nicht das geringste Gespür für politische Hygiene entwickelt.
Ackermann-Geburtstagssause im Kanzleramt, fliegende Wechsel von den Toppositionen im öffentlichen Rundfunk in die Regierung und zurück, Lobbyisten schreiben direkt in den Ministerien ihre Gesetze, Minister werden Lobbyisten.
Geschmäckle egal.

[…..] Der ehemalige Verteidigungsminister und Rheingauer CDU-Politiker Franz Josef Jung (CDU) soll in den Aufsichtsrat des Rüstungskonzerns Rheinmetall einziehen. "Kein gutes Signal", finden Kritiker.
Der 68 Jahre alte CDU-Politiker Jung solle auf der Hauptversammlung am 9. Mai in das Kontrollgremium des Rüstungskonzerns gewählt werden, berichtete Die Welt am Freitag. Ein Rheinmetall-Sprecher begründete die geplante Berufung mit der Expertise von Jung im Verteidigungsbereich. Die Anti-Korruptions-Organisation LobbyControl kritisierte die Personalie.
"Es ist nicht überraschend, aber zugleich bedauerlich, dass nun mit Herrn Jung ein weiterer Ex-Minister bei Rheinmetall anheuert", sagte LobbyControl-Sprecher Timo Lange dem Tagesspiegel. Der Rüstungskonzern, der zugleich auch Automobilzulieferer ist, baue damit sein politisches Kontaktnetzwerk weiter aus.
Dass gerade ein ehemaliger Verteidigungsminister zu einem Rüstungsunternehmen wechsle, "sendet aber kein gutes Signal", betonte Lange. "Hier hätten wir von Herrn Jung mehr Fingerspitzengefühl erwartet." Rein rechtlich gesehen, sei die Personalie aufgrund des langen Abstands zu seiner Zeit als Minister aber nicht zu beanstanden. [….]

Es verwundert wenig angesichts der Merkelschen Rüstungsexport-Rekorde, daß engste Bande zwischen CDU-Regierungsmitgliedern und der Waffenindustirie bestehen.
Man kennt das ja von der Kanzlerin.

Völlig ungeniert halten Unions- und FDP-Minister die Hände auf; lassen sich schmieren.

Seit November weiß Merkel, daß Pofalla beim Staatskonzern Deutsche Bahn richtig abkassieren will und kam trotz der Vorgängerfälle Hildegard Müller und Ecki von Klaeden nicht auf die Idee, daß es ein schlechtes Licht auf sie wirft.
Ist es ihr egal, was man über ihre Moral denkt?
Oder denkt sie sich (womöglich zu Recht), daß sie so extrem adoriert wird, daß an ihr doch nie etwas hängenbleibt?

Warum sollte man ihre Teflonbeschichtung auch ausgerechnet im Jahr Neun ihrer Kanzlerschaft erste Kratzer zufügen?
Ausgerechnet jetzt, während sie einen völlig willenlosen und willfährigen Koalitionspartner hat, der devot und still die causa Pofalla mitmacht.

[….] Bei Klaeden und Pofalla zeigt die Kanzlerin überraschende Schwächen in politischen Stilfragen.
Neulich beim kleinen Parteitag der CDU machte Angela Merkel während des Einzugs in den Tagungssaal plötzlich einen Abstecher von der vorgesehenen Route. Die Kanzlerin zwängte sich in eine der ziemlich engen Delegiertenreihen und reichte einer dunkelhaarigen Frau die Hand. "Ich muss ja die Wirtschaft begrüßen", sagte Merkel fröhlich in die Gesichter der umstehenden Parteifreunde, die nicht persönlich willkommen geheißen wurden. Die Frau hieß Hildegard Müller, war in Merkels erster Regierung drei Jahre lang Staatsministerin im Kanzleramt, galt als Vertraute der Chefin - und wechselte 2008 als Geschäftsführerin zum Hauptverband der Energie- und Wasserwirtschaft.
Aus Sicht mancher Kritiker war Müller eine Art Eva in der Beziehungsgeschichte zwischen dem Kanzleramt Merkels und der äußeren Welt, weil sie als Erste der Versuchung nicht widerstand, ihr politisches Amt gegen einen anderen Posten einzutauschen. [….]
Von Hildegard Müller zum mutmaßlichen neuen Bahn-Vorstand Ronald Pofalla zieht sich seither jedenfalls eine Kette aus ehemaligen engen und engsten Mitarbeitern Merkels, deren Gemeinsamkeit zunächst darin besteht, dass sie es alle nicht so lange im Kanzleramt ausgehalten haben wie die Frau, für die sie arbeiteten.
Man könnte es aber auch so sehen, dass Merkel in acht Jahren Kanzlerschaft ein Netzwerk von Vertrauten in einflussreichen Positionen geknüpft hat: Müller verdingte sich bei der Stromindustrie; ihren Wirtschaftsberater Jens Weidmann machte Merkel zum Bundesbankpräsidenten; ihr erster Regierungssprecher Ulrich Wilhelm wurde Intendant des Bayerischen Rundfunks; Ex-Staatsminister Eckart von Klaeden arbeitet jetzt als Cheflobbyist der Daimler AG - und Ronald Pofalla künftig in vergleichbarer Position bei der Bahn. [….]

So beschädigt Merkel das Image der Politik
Im Fall Pofalla möchte Merkel Abstand zeigen, ohne Abstand zu nehmen. Man kann nur hoffen, dass sie damit nicht durchkommt. Denn als Regierungschefin ist die Kanzlerin mit für die Affäre verantwortlich.
[….] Merkel lässt ausrichten, sie habe dem Ex-Minister "ihren Überzeugungen entsprechend" geraten, vor einem Wechsel eine "gewisse zeitliche Distanz" herzustellen. Dass es diese Distanz nun nicht gibt, will sie aber nicht kritisieren. Merkel möchte Abstand zeigen, ohne Abstand zu nehmen.
Man kann nur hoffen, dass die Kanzlerin mit dieser Pontia-Pilatus-Nummer nicht durchkommt. Denn der Fall offenbart nicht nur eine erschütternde Stillosigkeit im Umgang mit höchsten Staatsämtern, er schadet auch der Akzeptanz des gesamten politischen Systems. [….] Die Kanzlerin hat Staatsminister Eckart von Klaeden selbst nach der Ankündigung des Wechsels zu Daimler nicht entlassen. Und jetzt durfte sich auch noch Pofalla aus dem Kanzleramt heraus um einen hochdotierten Job bemühen. [….]

Merkel empfindet allerdings immer weniger Scham und Anstand.
Wieder geht einer ihrer engsten Mitarbeiter, der vorher die perfekten Industrie-freundlichen Regelungen formulierte auf direktem Weg zu den Auftraggebern – als hätte es die Fälle Pofalla, von Klaeden und Müller nie gegeben.

CDU-Staatssekretär Steffen Kampeter wird Cheflobbyist der Arbeitgeber. Der CDU-Staatssekretär im Bundesfinanzministerium startet im nächsten Jahr.
Die meisten Menschen kennen Reinhard Göhner nicht, aber Reinhard Göhner kennt so ziemlich alle Menschen, die in Berlin wichtig sind. Kein anderer Lobbyist in der Hauptstadt ist so gut vernetzt wie der Hauptgeschäftsführer der BDA, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. 19 Jahre hat Göhner, einst Staatssekretär im Bundesjustiz- und im Bundeswirtschaftsministerium, diesen einflussreichen Job ausgeübt; und er wird ihn, wie die BDA am Dienstag bekannt gab, im Juli 2016 an jemanden übergeben, der - wenn man die Lebensläufe vergleicht - geradezu prädestiniert ist dafür.
Auch Steffen Kampeter, 52, ist Parlamentarischer Staatssekretär; auch er gehört der CDU an und saß viele Jahre, genauer genommen: ein Vierteljahrhundert, im Bundestag; auch er wurde in Ostwestfalen geboren: nicht in Bünde, so wie Göhner, aber nur 35 Kilometer entfernt in Minden. Und noch etwas hat Kampeter mit seinem Vorgänger gemein: Er ist bestens vernetzt; in der Politik, in der Wirtschaft, in den Medien; er ist einer, der seine Kontakte hegt, sie pflegt und sie zu nutzen weiß. [….]

All das kann man in den ganz normalen Nachrichten verfolgen, den ganz normalen Zeitungen lesen.
Aber es tut Merkels Maxi-Popularität nicht den geringsten Abbruch.
Die Deutschen wollen offensichtlich verarscht werden.


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