Sonntag, 5. März 2017

Weibliche Weiber und männliche Männer

Den rechtskonservativen polnischen EU-Parlamentarier Janusz Korwin-Mikke kenne ich als passionierter Titanic-Leser natürlich schon lange.
Der PARTEI-Abgeordnete Martin Sonneborn ist sein Sitznachbar und beschreibt in launigen Episoden monatlich ihren gemeinsamen Parlamentsalltag.

[…..] Die Aussprache zieht sich, es ist bereits kurz vor 23 Uhr, als ich den Plenarsaal betrete. Der Saal ist leer bis auf vielleicht ein Dutzend Abgeordnete, die noch auf ihre jeweilige Redezeit warten und sich bis dahin überwiegend digital die Zeit vertreiben. Ich erkenne David McAllister, und auch mein Lieblingsnachbar, der alte Monarchist Korwin-Mikke ist da, hellwach sitzt er allein in unserer Reihe und feilt an einer Rede zum Thema »Gleichstellung der Frau im digitalen Zeitalter«.
Korwin-Mikke wird zuerst aufgerufen. Für einen erklärten Gegner des Frauenwahlrechts zeigt er sich heute recht liberal: »Also beim Tennis zum Beispiel, da spielen die Männer ja mehr Sätze als die Frauen, fünf und drei, und beim Laufen laufen die Frauen auch nicht so viele Kilometer wie die Männer, und das heißt ja im Grunde, daß es da Unterschiede gibt …« Dann äußert er sich noch kritisch zum Verhalten Merkels in der Causa Böhmermann und beschließt seine Ausführungen routiniert: »Abgesehen davon glaube ich, daß die Europäische Union zerstört werden muß, vielen Dank!« […..]

Natürlich müssen Frauen weniger verdienen als Männer; sie sind schließlich kleiner, schwächer und dümmer.


Einerseits sollte es einen beruhigen, daß solche Parlamentsbeiträge inzwischen direkt im O-Ton von den Satirikern übernommen werden, andererseits gibt es  nicht nur in Osteuropa erkleckliche Minderheiten, die wirklich so denken.
Eine dieser Witzfiguren ist sogar US-Präsident geworden.
Die Gender-Pay-Gap ist also kein bloßer Witz, sondern jeder ist aufgefordert seinen Abgeordneten in den Hintern zu treten, damit Frauen nicht weiterhin 21% weniger Gehalt als Männer bekommen.

Eine Bundeskanzlerin zu haben beseitigt nicht alle misogynen Vorurteile.
Bekanntlich gibt es immer noch so gut wie keine Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen. In hochbezahlten Jobs wie bei Chefärzten sind Frauen immer noch extrem unterrepräsentiert – wenn auch nicht so schlimm, wie unter katholischen Geistlichen. Von weltweit 400.000 sind gerade mal Null Frauen.

Wir Westler sind diesbezüglich auf einem Auge blind.
Schlimm, daß arabische Frauen keine Leichtathletinnen sein dürfen.

Tatsächlich gibt es aber auch in Europa und den Nordamerika immer noch frauenfreie Sportarten, bzw Disziplinen, bei denen Frauen erst in jüngster Zeit mitmachen dürfen.

Formel1-Rennen, Eishockey, Stabhochsprung, Skispringen, Rugby, Football, Ringen, Tour de France, Bobfahren, 50 km Gehen, MMA, K1,

Aber selbst wenn Frauen wie im Boxen oder beim Fußball erlaubt sind, können diese Sportarten, wenn sie von Frauen ausgeführt werden, so gut wie kein Zuschauerinteresse generieren.

Vorgestern bin ich aus völlig unerfindlichen Gründen einige Minuten bei einer ARD-Sportübertragung hängen geblieben. Irgendwelche dürren, androgynen Wesen in zu weiten Anzügen sausten mit immer dem gleichen Satz auf Skiern eine Rampe herunter. Es nennt sich „Skifliegen“. Der Begriff täuscht aber, denn mit „fliegen“ assoziiert man gemeinhin eine vertikal nach oben oder eine horizontal nach vorn gerichtete Flugbahn.
Diese Typen fielen aber allesamt wenig Vogel-artig nach unten. „Weiten“ kommen nur deswegen zu Stande, weil die Schanze so gebaut ist, daß es nach dem „Schanzentisch“ steil bergabgeht.
Wenn ich aus einem Hubschrauber spränge, könnte ich nach dieser eigenwilligen Definition auch fliegen – und zwar steil nach unten, wie jede andere Masse, die der Erdanziehungskraft ausgesetzt ist.
Lahm. War das langweilig. Fast so bekloppt wie dieses täglich übertragene obligatorische Biathlon, bei dem keuchende Vogelscheuchen  mit gefrorenen Sabberfäden am Maul breitbeinig mit scherenförmigen Skiern im Kreis watscheln und sich ab und zu in den Dreck werfen, um ein bißchen rumzuballern.

Reporter Tom Bartels, der die Nordische Ski-Weltmeisterschaft aus Lahti kommentierte, war wie für solche Typen üblich durch Testosteron und Pathos so aufgepumpt, daß er bei deutschen Springern orgiastisch losschrie.
Diese Jungs wären so tapfer, das sei ungeheuerlich was die leisteten. Diese Körperbeherrschung erfordere einen ganzen Mann.

Bartels hatte eine deutsche Medaille schon für sicher geglaubt, als einer der Milchbubi-Teutonen einen deutlich kürzeren „Flug“ als alle anderen tat. Für den Kommentator ein klarer Fall von allgemeiner Ungerechtigkeit. Der Deutsche hätte eigentlich Bestweite springen können, war aber durch plötzlichen Rück- und Abwind, die astrologische Konstellation und Pech schuldlos zu kurz gehüpft.
Bartels schäumte. Insbesondere als anschließend ein Norweger namens Daniel André Tande nicht nur fürchterlich weit „sprang“, sondern die Regie zu allem Übel ein Youtube-Video zeigte, in dem die Norweger für das nächste Skispringen in Norwegen werben.
Tande zeigt sich darin nicht dem Männlichkeitsbild des deutschen Reporters entsprechend.



Bartels übergab sich fast ins Mikrofon.
Wie konnte es der kernige Männersport-Norweger wagen sich in so einem Weibersport (Tanzen) Outfit zu zeigen.

„Ich weiß nicht, weiß Tande dazu getrieben hat so ein Video zu machen. Ich versichere ihnen, liebe Zuschauer; wir haben ihn sicher nicht darum gebeten.“

Männersport muß ernst, grimmig und muskulös sein.
Und genauso wie es im Fußball keine Schwulen gibt, darf natürlich auch kein Skispringer den Nimbus als kerniger Flugheld in einem kleinen Gag auf das Spiel setzen.
Tande raus. Tande sollte vielleicht lieber Synchronschwimmen beginnen.

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