Martin
Schulz lebt offensichtlich in einer Zustimmungsblase, die ihn zu unangebrachtem
Optimismus verleitet.
Er
befindet sich täglich in Wahlkampfveranstaltungen, bei denen man ihm immer nur
zujubelt. Die Termine sind gut besucht, man hat die Nase voll von Merkel.
Es ist
schwer sich zu erden, wenn einem seit Monaten rund um die Uhr begeistert
applaudiert wird.
Da
übersieht man leicht, wie wenig repräsentativ das Bild ist. In Wahrheit
vertrauen (bedauerlicherweise) viel mehr Menschen der Kanzlerin als dem
Herausforderer; in allen Umfragen liegt
die SPD weit abgeschlagen hinter einer schier uneinholbaren
CDU.
[….]
"Merkel hat keinen Plan" wirft
Schulz der Kanzlerin mit Blick auf die Dieselaffäre vor, Merkel sei wegen der
Wahlkampfführung ihrer Partei "abgehoben" und "entrückt" -
unter anderem wegen des Umstands, dass sie dabei häufig Helikopter von Bundeswehr und Bundespolizei zu
vergleichsweise niedrigen Preisen nutzt und Mitarbeiter des Kanzleramts per Minijob in der CDU aushelfen
-, Merkel stehe wie Helmut Kohl in seinen letzten vier Kanzlerjahren für
"Stagnation und Agonie". [….]
Es ist
zum Verzweifeln. Merkel unterliegt paradoxer Metaphorik.
In der
Höhe…..
Einerseits schwebt sie weit abgehoben oben als
Kanzlerpräsidentin über den schnöden Regeln des politischen Anstandes, wie
weiland die Endloskanzler Adenauer und Kohl. „Star-Allüren einer Kanzlerin“ heißt es
inzwischen.
Die
mauschelt mit übelsten Diktatoren, wenn es gerade in den Kram passt, setzt den
von den Steuerzahlern bezahlten Kanzleramtsminister Altmaier als
CDU-Wahlkampfmanager ein, lässt den von den Steuerzahlern bezahlten
Regierungssprecher Steffen Seibert CDU-Wahlkampfwünsche bei den Fernsehsendern
aushandeln und fliegt mit den von den Steuerzahlern bezahlten
Bundeswehrflugzeugen zu Wahlkampfauftritten.
In der
Tiefe….
Anderseits
taucht sie ganz tief ab, wenn es um Konzepte geht und würde sich niemals in
politische Details einmischen. Die mogelt sich seit 12 Jahren planlos durch
ihre Kanzlerschaft; stets underneath the radar. Dabei nutzt sie die generalisierte
„German Angst“ vor dem Unbekannten aus. Sie weiß, daß jede Reform, jede
Veränderung Unbehagen auslöst und verströmt die Aura des „es wird schon nicht so
schlimm werden“.
Der
Majorität gefällt der ewige Stillstrand offensichtlich.
Nur die
blöden Linken geraten noch in Rage.
[….] Das Institut Allensbach hat jedenfalls
herausgefunden, dass annähernd die Hälfte der Bundesbürger zwar einerseits
nicht weiß, wen sie wählen soll – gleichzeitig aber fast ebenso viele der
Meinung sind, die Wahl sei bereits gelaufen. Das erscheint paradox und
lässt sich vielleicht so erklären: Der Patient, den Allensbach da untersucht
hat, befindet sich in Narkose. Frau Dr. Merkel, die Chefanästhesistin
im Kanzleramt, hat ganze Arbeit geleistet.
Es heißt ja immer,
Merkels Erfolgsgeheimnis bestehe darin, dass sie nicht polarisiere.
Bei mir funktioniert das nicht. Diese Frau macht mich wahnsinnig. [Mich auch! –T.] Sie versteckt ihren hochmütigen Spott
hinter einem gespielten stoffeligen Gleichmut. Sie ist wie ein grinsendes
Stück Watte, und wenn man sie fassen will, verliert sie die Form.
Aber die meisten
meiner Mitbürger scheinen inzwischen so schläfrig zu sein, dass man alles
mit ihnen machen kann. [….]
Es gäbe so viel zu tun. Aus dem Wirtschaftsministerium
kommt gerade die Nachricht, dass die realen Bruttolöhne der unteren 40
Prozent der Lohnempfänger im Jahr 2015 zum Teil deutlich niedriger waren
als 1995. Obwohl so vieles auf dem Spiel steht, ist die Stimmung so, als ginge
es um nichts. [….]
(Jakob
Augstein, Im Zweifel Links, 27.08.2017)
Mit
Merkels Strategie wird sie mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Macht erhalten und
die 16 Jahre vollmachen.
Ein
enormer Erfolg für die Union.
Aber
auch ein enormer Misserfolg für Deutschland.
Merkels
Schlafwagen-Minister fügen diesem Land schweren Schaden zu, den die Kanzlerin aus
purer Machtgier achselzuckend hinnimmt. Nach ihr die Sintflut. Merkel ist eben
keine geheimnisvolle Sphinx, wie es viele Kommentatoren immer wieder schreiben,
sondern sie ist im Gegenteil, sehr eindimensional: Sie mag halt gern Kanzlerin
sein. Mehr ist da nicht zu verstehen.
Dabei
wendet sie durch ihre Untätigkeit systematisch Schaden dem deutschen Volk zu.
[….] Eines muss man Alexander Dobrindt lassen:
Er hat völlig neue Standards bei der Bewertung von Bundesministern gesetzt.
In seiner nur vierjährigen Amtszeit hat er es tatsächlich geschafft,
dass fast alle von ihm verantworteten Bereiche zum Sanierungsfall wurden.
Ein Eintrag in die Geschichtsbücher dürfte ihm sicher sein.
Da eine vollständige Liste des Scheiterns den Rahmen dieses Textes
sprengen würde, hier nur eine kleine Auswahl: Die deutsche Autoindustrie
steckt in der tiefsten Krise ihres Bestehens. Bei der Luftfahrt hängt Air
Berlin seit der Insolvenz am Tropf des Staates. Das Bemühen, endlich
mehr Güter auf der Schiene transportieren zu lassen, ist gescheitert.
Auch das Ziel, Deutschland mit einem beherzten Breitbandausbau fit für
die digitale Zukunft zu machen, wurde weit verfehlt.
Dafür verfügt die Republik nun über eine Pkw-Maut, die Ausländer treffen
soll, aber auch Inländer betrifft und außer den Ressentiments einiger
bayerischer Bürger niemandem dient. Dass Dobrindts Ministerium den
Bund im Aufsichtsrat des Pannenflughafens BER mitvertritt, macht die Bilanz
nicht besser. [….]
Am eklatantesten aber ist das Versagen in der Automobilpolitik.
Das einst von der Kanzlerin forsch verkündete Ziel, wonach bis 2020 eine
Million Elektroautos fahren soll, ist auch an Angela Merkels chronischer
Halbherzigkeit gescheitert. Elan zeigte aber auch Dobrindt nicht. Nun
ist das Ziel nicht mehr zu erreichen. Derzeit kurven nicht mal 50 000 E-Autos
auf unseren Straßen.
Der Minister glaubte, der größten deutschen Industrie durch Kumpanei
zu helfen – und machte dadurch alles schlimmer. [….] In China und den USA freut man sich diebisch darüber, dass Deutschland
die Zukunftschancen seiner Vorzeigeindustrie verspielt. Gleiches
gilt für die Digitalpolitik. Statt auf die schnellen Glasfaserkabel
setzte Dobrindt – zur Freude der Telekom – auf das veraltete Kupferkabel.
Viele Regionen des Landes sind noch immer breitbandfreie Zonen. Mit der
Folge, dass sich Unternehmen mit Verweis auf die digitale Infrastruktur
lieber im benachbarten Ausland niederlassen. [….]
(Markus Feldenkirchen, SPIEGEL-Leitartikel,
27.08.2017)
Merkel
griff nie ein. Was sollte sie Deutschlands Zukunft scheren? Jedenfalls war ihr
eine derartige Petitesse nicht wert sich mit Crazy Horst anzulegen und Dobrindt
zu entlassen.
Wie bei
anderen Mächtigen, die zu lange regieren, nimmt Merkel inzwischen immer weniger
Rücksicht auf Gewaltenteilung und Pressefreiheit.
Sie
verwechselt sich selbst mit dem Amt und der Regierung.
Setzt
sich mehr und mehr über Regeln hinweg. Was die Presse gern möchte – zwei TV-Duelle
mit verschiedenen Interviewern, ein Format mit Publikum oder gar eine Sendung
nach US-Vorbild, bei der sich die Kandidaten frei im Studio bewegen können –
ist ihr egal. Wenn die gesammelte Presse nicht genau das täte, was Merkel will,
komme sie eben nicht. Devot nickten die Chefredakteure die Wünsche der
Kanzlerin ab.
[….] Merkels Medienberaterin Eva Christiansen
und Regierungssprecher Steffen Seibert lehnten Publikum kategorisch
ab.
Dreimal saß man im ZDF-Hauptstadtstudio zusammen, jeweils bis zu
zwei Stunden lang. Dass der Regierungssprecher für Merkel die Verhandlungen
führte und kein Vertreter der Parteizentrale, befremdete die Sendervertreter
– wenngleich das auch schon in früheren Jahren der Fall gewesen war. Die
Fronten verhärteten sich. Die Merkel-Seite machte unmissverständlich
deutlich, dass die Kanzlerin nur an einem Duell nach herkömmlicher Art
teilnehmen werde – und dem Format ansonsten fernbliebe. „Kanzlerinnenkeule“
heißt das seither bei den Sendern. So wurden die Verhandlungen auch zu einem
Beispiel für Merkels Medienverständnis: Im Kanzleramt werden ihre Auftritte
vor allem danach ausgesucht, wie sehr sie sich kontrollieren und steuern
lassen. [….] Nicht nur seine früheren ZDF-Kollegen empfanden
Seiberts Auftreten als schroff und arrogant. „Zähneknirschend“ habe man
eingelenkt, heißt es aus Senderkreisen. „Es war eine Friss-oder-stirb-Situation.“
Der frühere
ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender spricht offen aus, was die jetzigen
Verantwortlichen nur hinter vorgehaltener Hand sagen: „Die Einigung
ist unter Erpressung durch das Kanzleramt zustande gekommen. Solche
Vereinbarungen nennt man sittenwidrig.“ Die Absicht dahinter sei glasklar.
„Das Kanzleramt verlangt ein Korsett für die Kanzlerin, in dem sie sich
nicht bewegen muss. Und zugleich eines für Schulz, in dem er sich nicht bewegen
darf.“ Brenders Urteil ist hart: „Als Fernsehformat ist das eine Missgeburt.“ [….]
(DER
SPIEGEL, 27.08.2017, s.33f.)
Natürlich
können die deutschen Wähler Merkels verheerende Bilanz und ihre Methoden
wissen.
Aber es
ist so ähnlich wie mit Trumps Lügen. Seine Basis weiß, daß er unehrlich ist,
aber es ist ihnen egal.
Ähnlich
ist es bei der deutschen Mittelschicht. Sie wissen, daß wir mit Merkel unter
Wert regiert werden, daß sie nahezu alles Notwendige verschläft und gewaltige
Probleme anhäuft, statt sie rechtzeitig anzugehen.
Wir
wissen jetzt schon wie sehr Merkels Schlafmützigkeit der Autoindustrie geschadet
hat, daß wir den Nachbarn bei der Digitalisierung Jahre hinterher hängen, daß
wir alle Klimaziele reißen, daß die Bundeswehr ein einziges Chaos ist, daß die
deutschen Großbanken von Global Playern zu krüppeligen Finanzrisiken geworden
sind, daß die Infrastruktur überall bröckelt, daß wir keine Großbauten mehr
hinbekommen, weil hier noch wie im letzten Jahrtausend Zettelwirtschaft
veranstaltet wird, daß deutsche Schulen und Unis international nicht mithalten
können und daß sich die soziale Schere immer mehr öffnet, weil einseitig die
Superreichen protektioniert werden.
Aber, so
what?
So ist Mutti eben und die können wir wenigstens einschätzen. Außerdem hat der Sozi so einen doofen Bart.
So ist Mutti eben und die können wir wenigstens einschätzen. Außerdem hat der Sozi so einen doofen Bart.
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