Mittwoch, 23. August 2017

Die P-Frage

Das war ja mal eine lange Nacht.
Fassungslos starrte ich auf den im Concvention Center von Phoenix hetzenden Trump, so daß der Osmose in den Salanova-Blättern Zeit blieb meinen frisch zubereiteten Salat in Vinaigrette zu Matsch zu verwandeln.
Matsch war auch mein Hirn nach der Psychonummer.

[….] dann lässt der US-Präsident das Manuskript sausen und legt einen so haltlosen Auftritt hin, wie man ihn selbst in den wildesten Wahlkampftagen nicht erlebt hat. Er lügt, pöbelt, schimpft, droht: gegen die Medien, seine Kritiker, den Kongress, die Justiz, die Antifaschisten vor der Tür - und selbst gegen die eigene Partei, die ihm sowieso immer mehr den Rücken kehrt.
[….] Und draußen, wo Tausende Demonstranten seit Stunden ausgeharrt haben, explodiert die bisher friedliche Stimmung in der Nacht ebenfalls - in Rauchbomben, Pfefferspray und Tränengas.
Trump ist nicht nach Phoenix gekommen, um zu einen. Obwohl Amerika das nötig hätte, zehn Tage nach Charlottesville. Nein: Er kam, um seine Basis anzustacheln, seine letzte, schwindende Stammwählerschaft, um sich in ihrem Zuspruch zu sonnen - und um Zwietracht zu säen zwischen dieser Basis und allen anderen.
Trump bleibt Trump. Das merkt man nicht nur dieser Rede an, einer Mischung aus Selbstlob und Verleumdung, rassistischen Codewörtern und frei erfundenen Behauptungen. Man merkt es allein daran, dass er überhaupt hierherkam. Trump sei nicht willkommen in Phoenix, der Hauptstadt des südlichen US-Grenzstaates Arizona, hatte ihn Bürgermeister Greg Stanton gewarnt. "Er hat Öl auf die Rassenspannungen gegossen. Mit seinem Besuch, so fürchte ich, will er jetzt ein Streichholz zünden."
Trump kam natürlich trotzdem, und Stantons Befürchtung wurde wahr.
[….] Trump ist im Wahlkampfmodus, es ist die Rolle, in der er sich am wohlsten fühlt. "Ihr wart von Anfang an für mich da", ruft er seinen Anhängern zu. "Ich werde das nie vergessen." Dem folgt eine halbstündige Beschimpfung der Medien: Die würden ohne Unterlass lügen, "Geschichten erfinden", seine "perfekten Worte" verzerren und, ausgerechnet, "Hassgruppen propagieren". Sie seien "wahrhaft schlechte Menschen", "kranke Menschen" - und, ja, Volksfeinde.
Um das zu illustrieren, lügt Trump selbst. Er behauptet etwa, dass CNN die Kameras abgeschaltet habe. Oder dass draußen Horden gewalttätiger Protestler "mit schwarzen Masken und Schlagstöcken" lauerten, was die Medien verheimlichten. [….]

Natürlich log Trump wie gedruckt; man kennt das ja. Aber es hatte schon eine besonderen Twist die Übertragung seiner „Rede“ live auf CNN zu sehen, während er immer wieder pöbelnd über diesen Sender herzog und 40 Minuten lang beklagte, CNN zeige seine Reden nicht. Mehrfach grölte er, die verlogenen Fernsehkameras wären alle abgeschaltet, weil sie ihn nicht covern wollten und die Wahrheit unterdrückten, weil sie das Land so hassten.
Der mächtigste Mann zetert, CNN übertrage ihn nicht, während man eben das Gezeter live auf CNN sieht.

Zum „Beweis“, daß man ihn nicht „covere“ zitierte sich Trump über 20 Minuten triumphierend selbst, las unter dem Jubel seiner im Massenwahn befindlichen Hass-Crowd seine Statements der letzten Woche vor – die allesamt ebenfalls live gesendet wurden.
Natürlich fälschte er dabei sogar sich selbst, indem er die heftig kritisierten Passagen – blame on many sides, very fine people bei den Altright – wegließ.

Nach der Rede meldete sich ein staunender Don Lemon mit einem riesigen und wechselnden Panel, welches bis 8.00 morgens deutscher Zeit, 2.00 am in New York, live auf Sendung blieb. Die CNN-Kollegen in L.A. übernahmen. Um 10.00 Uhr deutscher Zeit passte ich out.

Lemon, der spontan und schnell reagieren mußte, fand passende Worte.


Trumps Rede war aus politisch-strategischer Sicht vor allem wegen der verpassten Gelegenheiten erstaunlich.
Sein Obamacare-Abstimmungsdesaster im Senat hatte gezeigt wie dringend Trump die mächtigen US-Senatoren braucht. Statt sie ein bißchen einzuwickeln, indem er beispielsweise dem mit einem Hirntumor kämpfenden John McCain wenigstens öffentlich Genesungswünsch zukommen lässt, fährt er in dessen Homestate Arizona und zieht dort öffentlich über beide republikanischen Senatoren her – Flake und McCain. Das wird nicht bei den nächsten Abstimmungen helfen.
Zudem sind bei einer Schiffskollision in der Straße von Malakka ausgerechnet auf einem Kriegsschiff namens USS John S. McCain zehn US-Seeleute ums Leben gekommen. Jeder andere US-Präsident würde lobende Worte finden, sich an die Goldstar-families richten. Das muss schon deswegen sein, weil der Präsident als Oberbefehlshaber dafür die Verantwortung trägt. Aber außerdem ist es eine gute Gelegenheit sich als Freund des Militärs zu zeigen.
Trump aber erwähnte den Vorfall gar nicht, ignorierte die zehn Toten.
Er erwähnte auch nicht den Begriff „Altright“, was ihm prompt wieder ein dickes Twitter-Lob des Altright-Obernazis Richard Spencer einbrachte.




Und just eine Woche nachdem der braune gewalttätige Rassistenmob eine friedliche Demonstrantin getötet hatte, gab er de facto bekannt den berüchtigten rassistischen Ex-Sheriff Joe Arpaio zu begnadigen, der sich weit über die Grenzen Arizonas hinaus damit einen Namen gemacht hatte Immigranten zu quälen und zu demütigen. Wegen „racial profiling“ droht „Sheriff Joe“ nämlich eine sechsmonatige Haftstrafe.
Trump bespielte also die gesamte denkbare Klaviatur, um Verschwörungstheoretikern und White Supremacists Nahrung zu geben.

CNN und die anderen Fernsehsender hatten sichtlich Mühe überhaupt noch Kommentatoren zu finden, die sich hinter Trump stellten.
Viele Republikaner gingen in Deckung oder stellten sich scharf gegen ihren Präsidenten.

Mit Ben Ferguson fand sich endlich ein vehementer und lauter Trump-Fan, der noch vor die Kamera wollte.

Die „ leftist media“ mögen Trumps Politik nicht, deswegen erdreisten sie sich den Gesundheitszustand Trumps ins Gespräch zu bringen, so Fergusons Hauptargument.

Eine Strategie, die bei der braunen Basis verfangen dürfte, denn in der Tat tauchten die Begriffe „mentally unfit“, „fitness for office“, „unhinged“, oder „early-on-set-dementia“ auf.


Sie lassen sich nur schwerlich den „leftists“ in die Schuhe schieben, weil auch republikanische Senatoren (McConnell, Corker) und GOP-Analysten in die Richtung denken.
Sie sehen die „Trump-Vampire-theory“ bestätigt und beobachten einen Mann, der völlig unfähig ist einzusehen, was die Aufgaben eines Präsidenten sind, sondern schwer manisch damit beschäftigt ist sich selbst zu loben.

“@realDonaldTrump proving again my ‘vampire’ theory. He needs to leave the bat cave (WH) for sustenance (rally cries) every few weeks.”
 
In Charlottesville sind drei Menschen ums Leben gekommen und Dutzende sind schwer verletzt worden; die Namen der beiden Statetrooper sind Trump aber bis heute nicht über die Lippen gekommen.
Stattdessen betrachtet er auch zehn Tage später ausschließlich sich selbst als Opfer, heischt anderthalb Stunden um Mitleid für sich; den armen, armen Trump, der so unfair behandelt werde.

Das kommt auch James Clapper sehr bizarr vor.
Clapper, 76, General der United States Air Force, war unter vier US-Präsidenten in führenden Geheimdienstpositionen, zuletzt ab 2010 Nationaler Geheimdienstdirektor (DNI).
Man kann ihn sicher nicht als links oder parteiisch ansehen. Clapper hält Trump für irre und macht sich allergrößte Sicherheit wegen der nuclear codes.


[….] Nach Donald Trumps Auftritt in Phoenix zeichnet James Clapper das Bild eines Wahnsinnigen.
Härter kann ein ehemaliger Geheimdienstler einen amtierenden Staats- und Regierungschef kaum kritisieren: Er zweifele an Trumps Fähigkeit zur Amtsausübung und frage sich langsam, was den Präsidenten antreibe, sagte der frühere US-Geheimdienstdirektor James Clapper dem Sender CNN. Trumps Auftritt in Arizona sei "beängstigend und verstörend" gewesen. "Wie lange noch (...) muss das Land diesen Alptraum ertragen?" [….]

Die Frage ob Trump intellektuell und moralisch in der Lage ist, US-Präsident zu sein, stellt sich nicht mehr. Man kann das nur mit einem klaren „Nein“ beantworten.
Angesichts seiner doubling-down-Manie, seines offensichtlich alles dominierenden Narzissmus‘, seiner völligen Entkopplung von der Realität, muss man aber mehr und mehr die Psyche Trumps in den Focus nehmen.
Ist der Mann so irre, daß man ihn absetzten muß nach dem  Twenty-fifth Amendment? Oder hat Trump selbst längst keine Lust mehr und sehnt sich nach einem Ausweg, um wieder Golfspielen zu können.
Eine Absetzung käme ihm da gerade recht, denn es würde eine Dolchstoßlegende kreieren und ihm für immer als Held der braunen Massen erscheinen lassen.

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