Die
Troll- und Meme-Kultur erschwert die sachliche Auseinandersetzung im Internet
erheblich.
Meme-Bildchen
verwenden in der Regel Zitate oder (kurze) Sätze, um maximal zu amüsieren oder
zu schockieren.
Wenn man
aber einen schnellen Knalleffekt erzielen will, bleibt die Seriosität der
Aussage auf der Strecke.
Man
stelle ein unvorteilhaftes Bild von Heiko Mass oder Claudia Roth mit einem (erfundenen)
muslimfreundlichen/deutschfeindlichen Inhalt in eine AfD-Facebookgruppe oder
irgendeine andere rechte Filterblase und wird maximale Aufmerksamkeit
generieren.
Es wird
geteilt, geliked, gehatet und in der Aufwallung der Gefühle wird niemand mehr
überprüfen, ob die dem Justizminister in den Mund gelegten Zitate wirklich stimmen.
Dabei
sollte es doch Grundkonsens sein niemals die Worte „Quelle Internet“ zusammen
zu benutzen.
Ich
erlebe solche Internetspäße selbstverständlich auch auf der anderen Seite des
politischen Spektrums. Ein Bild eines dicken und bunt herausgeputzten Kardinals
mit einem homophoben Spruch oder ein Artikel mit einem idiotischen
Andreas-Scheuer-Zitat – let alone Trump-Tweets – und ich bin inzwischen sofort
geneigt das zu glauben.
Es ist
anstrengend sich konsequent zu zwingen jede Meldung zu prüfen, bevor man sie virtuell
weiterreicht. Zudem gibt es massenhaft satirische Meldungen von „Eine Zeitung“,
„der Postillon“, „the Onion“, die man guten Gewissens weiterleitet, die aber
auch nichts anderes als eine Falsch-Information sind.
Die halb-seriöse
Nachrichtenseite „Newslo“ verbreitet wahre Storys über
radikale rechte Ansichten, die sie dann aber an einer Stelle entscheidend
ausschmückt, bzw radikalisiert. Mit dem Teil wird für die Story geworben. Man
klickt die Geschichte, weil man es tatsächlich für möglich hält, daß Mike Pence
das gesagt hat.
[….] Newslo is the first hybrid News/Satire
platform on the web. Readers come to us for a unique brand of entertainment and
information that is enhanced by features like our fact-button, which allows
readers to find what is fact and what is satire. […]
(fakenewswatch)
Newslo
ist dennoch seriös, weil man farblich mit einem Klick („show facts“, „hide
facts“) die erfundenen Parts der Story farblich kennzeichnen kann.
Sarah Palin: “If You’re In America, Speak American – The Way It’s Been
For Thousands Of Years” [….]
Aber wer
macht schon diesen mehrere Sekunden dauernden Schritt, wenn man auch in einer
einzigen Sekunde einfach den Link teilen und Empörung generieren kann?
Newslo
promoviert „trollen“ zu einem eigenen Mediengenre.
Trollen
ist natürlich besonders verwerflich, weil es den Hass noch anstachelt und die
Umgangsformen vergiftet.
Aber ich
trolle auch – aus Verzweiflung.
Wie soll
man sonst mit einer Kommentar-Website wie Kreuznet umgehen, wenn jedes
Factchecking sofort von den Betreibern gelöscht wird?
Natürlich mischt man sich daraufhin als angeblich frommer Tradi unter die braunen Brüder und mischt den Laden auf – in der Hoffnung eine gewisse abschreckende Wirkung zu erzielen.
Natürlich mischt man sich daraufhin als angeblich frommer Tradi unter die braunen Brüder und mischt den Laden auf – in der Hoffnung eine gewisse abschreckende Wirkung zu erzielen.
Trollen
in guter Absicht.
In den
sozialen Medien wird aber nicht nur getrollt, sondern es hat sich inzwischen
auch eine Trollphobie entwickelt.
Die
inzestuösen Filterblasen führen zu so stark vereinheitlichten Meinungen, daß
jeder Widerspruch sofort als „Trollerei“ bekannt wird.
Mir ist
das mehrfach mit kritischen Blogartikeln zum SPD-Wahlkampf passiert,
die ich in geschlossenen Sozi-Gruppen postete, in der besten Absicht
konstruktiv dazu beizutragen ein besseres SPD-Wahlergebnis zu erzielen.
Diese
Gruppen sind aber so verschworen, daß man nur jubilierend und frohlockend vom
nächsten Kanzler Martin Schulz spricht. Wer es wagt zu bezweifeln, daß er
gewinnt, oder gar suggeriert, im Wahlkampf laufe nicht alles 100% perfekt für
die Sozis, wird als vermeidlicher Troll enttarnt und blockiert.
Factchecking
vergessen, Verschwörungstheorien glauben, trollen, Memes generieren – all das
ist eine zivilisatorische Unkultur, die unter anderem dazu führt, daß ein Hass-
und Lügen verbreitender Twitterer US-Präsident geworden ist.
Als
Konsequenz sollte man sich dieser Kultur verweigern. Streng bei den Fakten
bleiben, keine Memes verwenden, jegliche Ironie vermeiden und statt sarkastischem
Galgenhumor nur mit ehrlicher Betroffenheit auf die Nachrichtenlage reagieren.
Mit gutem
Beispiel vorangehen bis die Troll- und Meme-Kultur Vergangenheit ist. Erst dann
kann wieder seriös über Politik gesprochen werden.
Aber
natürlich bin ich nicht so konsequent.
Ich
verwende weiterhin diese Stilmittel.
Und zwar
aus Notwehr.
Die
reale politische Welt ist zu so einem T(r)ollhaus verkommen, daß man sie nicht
mehr mit Mitteln des seriösen Journalismus beschreiben kann, ohne selbst
wahnsinnig zu werden.
Beispiel
Alex Jones, der fette, fleischfressende, rechtsradikale
Verschwörungstheoretiker, der sich gern die Klamotten vom Leib reißt und
Reporter zum Fellatio auffordert.
So geht
Journalismus im Weißen Haus 2017.
Breitbart
News, Gateway Pundit, LifeZette, Newsmax und Infowars.
Solche
Typen besiedeln inzwischen das White House Presse-Corps und werden dort bevorzugt behandelt.
Ein
guter Mann ist zum Beispiel Alex Jones, der sich schon seit 20 Jahren ganz und
gar dem Hass und den Verschwörungstheorien verschrieben hat. Er zeigt es den linken Zecken. Für ihn ist
es endlich so weit. Mit Trumps Einzug ins Weiße Haus wurden die Tore zur Hölle
geöffnet, die Dämonenherrschaft ausgerufen. Nun ist auch Herr Jones Mainstream.
Alex Jones weiß wie man sich
gewählt ausdrückt und erklärt Demokraten mal die neue Welt.
Veit
Medick, SPIEGEL-Korrespondent in Washington besuchte Anfang des Jahres die
Infowars-Studios in Austin, Texas, und lernte Alex Jones als seriösen,
kontrollierten Mann kennen.
[…..] Alex Jones […..] glaubt, dass die Regierung über Wetterwaffen
verfügt, mit denen sie künstliche Tornados erzeugen kann. Er ist überzeugt,
dass die Schwulenehe die Verschwörung eines globalen Geheimbundes ist,
„um den Zusammenbruch der Familie zu bewirken“ und „Gott abzuschaffen“.
Er ist sich zu „95 Prozent sicher“, dass das World Trade Center am 11. September
2001 nicht durch einen Anschlag zerstört, sondern von der Regierung gesprengt
wurde. Das Massaker an der Sandy-Hook-Grundschule im Jahr 2012, bei dem
20 Kinder starben, sei eine „Ente“ von Waffengegnern. Es gibt kaum ein Thema,
zu dem Jones nicht eine eigene, von keinerlei Fakten gestützte Wahrheit
anzubieten hätte. [….] Seitdem Trump den etablierten
Medien den Krieg erklärt hat, fühlt sich Jones als journalistische
Avantgarde. In Washington fürchten manche, dass sich seine dunkle Gedankenwelt
im Regierungsalltag niederschlagen wird. Als Trump kürzlich über Millionen
illegale Wählerstimmen fantasierte und der Presse vorwarf, nicht ausreichend
über Terroranschläge zu berichten, hörten viele schon Alex Jones sprechen.
[….] Es ist Nachmittag, Jones läuft durch das
Studio. Der Adrenalinpegel ist hoch, der Blutzucker niedrig. Er muss
jetzt mal was essen. Auf den Tisch im Konferenzraum haben seine Leute
Grillplatten gestellt. Hühnchen, Rind, Würste. „Gutes Barbecue“, sagt
Jones. „Schon probiert?“
Er häuft sich das Essen
auf einen Plastikteller, dann zieht er plötzlich sein Hemd aus, er erklärt
nicht, warum. Mit nacktem Oberkörper sitzt er da und schaufelt Fleisch in
sich hinein. Eine Karikatur von Männlichkeit, aber auch eine Machtdemonstration
gegenüber dem Reporter, den er vor sich hat. Er kann tun, was er will.
Dann steht Jones auf
und hält sich eine Wurst an den Schritt. „Willst du lutschen?“, fragt er.
(DER
SPIEGEL, Veit Medick, 25.02.2017, s.90ff)
Erfreulicherweise
läßt sich Trump nun im Weißen Haus von
Alex Jones beraten.(…)
Kann man
sich nicht ausdenken. Bis General Kelly am 31.07.2017 Trumps Stabschef wurde,
informierte sich der US-Präsident bei INFOWARS, glotze die inkarnierte
Hetzsatire und machte damit Politik. Er imitiert den wahnsinnigen Hetzer sogar.
[….] 11 times Donald Trump sounded a lot like
Alex Jones
Alex Jones, radio host and founder of InfoWars.com, is known for
promoting conspiracy theories. He has called 9/11 an inside job, suggested the
Sandy Hook and Pulse Nightclub shootings were “false flag” attacks, and said
Hillary Clinton is a “demon” and an “interdimensional invader.”
Jones and InfoWars have an audience of more than 6.5 million a month,
including the United States’ next president. Donald Trump and his son Donald
Trump, Jr., have both shared articles from InfoWars, and Trump Sr. was a guest on
Jones’s show in 2015, where he complimented Jones’s “amazing” reputation. Trump
reportedly called Jones to thank him for his support after the election. [….]
Kann man
das noch mit seriösen Journalistischen Mitteln beschreiben?
Im Büro
des mächtigsten Mannes der Welt, dem Leader Of The Free World, hocken ein
Haufen Nazis – Stephen Bannon und Miller, Seb Gorka, Michael
Anton, Daniel Scavino und Peter Navarro – während der Chef INFOWARS glotzt?
Kann man
es noch mit seriösen Journalistischen Mitteln beschreiben, wenn Trumps religiöse Berater Kritik an ihm für Gotteslästerung
halten?
Wie
konnte eine Wahnsinnige wie Paula White überhaupt jemals in die Nähe des US-Präsidenten
kommen?
[….] After Charlottesville, Trump’s Spiritual
Adviser Doubles Down:
Resisting
Him Is Resisting “the Hand of God”
Televangelist and pastor Paula White has known Donald Trump since the
early 2000s, and she is thought to be the president’s closest spiritual
adviser. She prayed at his inauguration, appeared with him when he signed his
executive order easing restrictions on pastors engaging in politics, and told
evangelical TV host Jim Bakker she is in the White House at least weekly these
days. This week, as Trump faced sustained criticism over his response to the
violent white-nationalist rally in Charlottesville, Virginia, she proved her
loyalty once more, appearing on the Jim Bakker Show to defend Trump’s presidency
and his spiritual bona fides in apocalyptic terms. While White has condemned
white supremacy as evil and has a racially mixed fan base, she didn’t mention
Trump’s equivocations that have roiled the nation.
Instead, she made an extended comparison of the president to the
biblical figure Esther on Bakker’s show Monday in an interview that at times
sounded more like an impassioned sermon. Like Esther, White said, Trump is a
come-from-nowhere figure elevated to leadership against all odds in order to do
God’s will. She described Trump as a generous, humble man of “character and
integrity” and vouched repeatedly for the state of his soul. “He surrounds himself
with Christians, and he is a Christian,” she told Bakker, about a man who’s
been widely reported as being irreligious for most of his life, prompting
applause from the studio audience. “He loves prayer.” [….]
Dazu
fällt mir nur ein: RESIST!
‘Raised up by God’: Televangelist Paula White compares Trump to Queen
Esther.
Und dann
muss ich zum Meme greifen….
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