Als
Hamburger mag ich voreingenommen sein bezüglich Olaf Scholz.
All das was
2001 bis 2011 unter der ungewohnten CDU-Schill-Herrschaft an die Wand gefahren
wurde, räumte Olaf Scholz seit seinem Amtsantritt systematisch auf:
Der
Wohnungsbau, unter Schwarz-Grün komplett eingestellt, wurde wieder auf
Hochtouren gebracht, die Straßen wurden saniert, die Elbphilharmonie fertig
gestellt, es wurden KITA-Plätze für alle Kinder geschaffen, deutlich mehr
Lehrer und Polizisten eingestellt. Mit gegenwärtig 66.000 Arbeitssuchenden befindet
sich die Arbeitslosenquote auf dem niedrigsten Stand seit 25 Jahren. Scholz
führte totale Behördentransparenz ein, jedes Jahr erfahren wir auf den Cent
genau wie viel die kommunalen Chefs verdienen.
Die
Kriminalität sank auf den niedrigsten Wert seit 1980, die Arbeitslosigkeit sank
und die Einnahmen sprudelten.
Hamburg nahm 50.000 Flüchtlinge auf, ohne daß rechtsradikale
Großdemos entstanden; bei der Bundestagswahl 2017 bekam die AfD in keinem
Bundesland prozentual weniger Stimmen als in Hamburg.
Es
wurden wieder Bäume gepflanzt, Hamburg ist die grünste Stadt Deutschlands.
[….]
Aus den größten Mitgliedsländern der OECD
(Organisation für wissenschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) wurden 50
geeignete Städte herausgesucht – der Fokus lag auf besonders beliebten Zielen
für Städtetrips. Aus den Ergebnissen lässt sich gut ablesen, über wie viele
Quadratmeter an Parks und Wäldern jede Stadt pro Einwohner verfügt.
Hamburg mit seinen
1,82 Millionen Einwohnern kann als Neunter demnach 114,07 Quadratmeter pro
Bürger vorweisen. Für Berlin reicht es mit dem Wert von 88,10 nur zu Rang 18,
für München mit 72,49 gar nur zu Platz 24. [….]
Der
öffentliche Nahverkehr wird systematisch ausgebaut, auf den Straßen fahren
ökologischen Wasserstoff-Busse, die als einziges „Abgas“ Wasser ausstoßen.
Keine andere
Stadt installierte so viele Elektroladestationen für PKWs und weit über 200
Leihfahrradstationen und an die 3000 Räder. Mit 2,5 Millionen Nutzungen pro Jahr
und über 450.000 angemeldeten Nutzern verfügt
Hamburgs „Stadtrad“ über das größte Netz aller deutschen Städte.
[….]
Hamburg zählt nach einer neuen Studie zu
den zehn Städten mit der höchsten Lebensqualität weltweit. Wie das Londoner
Institut Economist Intelligence Unit heute mitteilte, rückte die Hansestadt auf
Platz 10 der 140 untersuchten Städte. [….] Frankfurt kam auf Platz 20, Berlin auf 23. Die beiden weiteren
deutschen Städte in dem Ranking, München und Düsseldorf, erreichten Platz 25
und 32. [….]
Es ist
eine akademische Frage, ob Bürgermeister Olaf Scholz die Stadt eher verwaltete
oder regierte.
Ob er
als Redner brilliert, ist eine stilistische Frage und ob er sich links, in der
Mitte oder gar bei den Seeheimern der SPD einordnen lässt, mögen SPD-Mitglieder
leidenschaftlich erörtern.
Als
Hamburger Bürger ist mir das herzlich egal, weil Scholz ein verdammt guter
Bürgermeister war, der völlig zu Recht gleich zweimal das beste
Landtagswahlergebnis aller Bundesländer für die SPD holte.
Natürlich
gibt es Kehrseiten des Erfolgs. Weil sich immer mehr Hamburger leisten können allein
zu wohnen und vom ökonomischen Erfolg angelockt jährlich 30.000 Menschen hierher
ziehen, sind bezahlbare Wohnungen viel zu knapp. Außerdem ärgert sich jeder
über die Baustellenflut.
Selbstverständlich
ist es idiotisch Scholz als „König Olaf“ zu beschreiben, wie es konservative
Zeitungen seit Jahren tun. Der Mann ist durchaus fehlbar.
Er
schätzte die angebliche Olympiabegeisterung der Hamburger falsch ein und holte
sich eine saftige Ohrfeige bei der Volksabstimmung zu Thema.
Und ja,
bei einigen Aussagen zum G20-Gipfel im Sommer 2017 vergaloppierte er sich
völlig.
Für mich
war das bitter, da ich auch gern einen Politiker hätte, dem ich immer nur 100%
zustimmen kann. Aber in der echten Welt gibt es eben auch zu den Guten mal
Differenzen.
An
Scholz schätze ich neben seinen bewiesenen politischen Fähigkeiten insbesondere
zwei Eigenschaften:
1.) Der Mann ist völlig unprätentiös,
schwingt keine wolkigen Reden und würde niemals wie sein CDU-Vorgänger in eine
Millionenvilla ziehen oder die BUNTE zu Homestories einladen. Er lebt schon
seit immer in derselben bescheidenen Altonaer Wohnung und ist jedes
Luxus-Lasters unverdächtig.
2.) Scholz ist außerordentlich
intelligent und gebildet. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit mauserte er
sich zu dem Finanzexperten der Bundesrepublik, koordiniert seit Jahren die
Finanzpolitik der SPD-Ländern; handelte den neuen Länderfinanzausgleich aus.
In seinem
neuen Job als Vizekanzler und Finanzminister besticht er anders als sein
Vorgänger durch echte Kenntnis, gute Umgangsformen und Freundlichkeit.
Fast
neun Jahre litten die anderen Finanzminister in Brüssel unter Schäubles Borniertheit.
Der Schwabe ist gedanklich so unflexibel, daß er seine Kollegen mit seinem
Austeritäts-Einerlei nicht nur intellektuell unterforderte, sondern insbesondere durch
seine bekanntermaßen schlechten Manieren vor den Kopf stieß.
Schäuble
war zudem auch politisch faul. Neun Jahre ließ er trotz Rekordeinnahmen und
Rekordmehrheiten in beiden Parlamentskammern alle längst überfälligen Reformen
liegen. Bis heute sind die Erbschaftssteuer, die Grundsteuer und die
Mehrwertsteuer ein partiell verfassungswidriges Chaos.
An
grundlegende Vereinfachungen der Einkommens- und Unternehmenssteuern dachte er
gar nicht.
Von so
einer „schwarzen Null“ konnten auch international keinerlei Impulse ausgehen.
Im
Gegenteil, Deutschland hinkt seinen Zahlungsverpflichtungen bei
Entwicklungshilfe und humanitären Angelegenheiten weit hinterher.
Scholz
kann anders als Schäuble bella figura“ und hinterließ selbst bei den
ultraskeptischen Amerikanern einen hervorragenden Eindruck.
[….]
Für den neuen Vizekanzler und
Bundesfinanzminister öffnete sich Freitag in Washington der Vorhang. Und dort bot er eine 1a-Vorstellung. Etwa
bei der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF). Im Gespräch
mit IWF-Chefin Christine Lagarde gab sich Scholz gewohnt unaufgeregt und warb
unter anderem für die transatlantischen Beziehungen. Das kam bei den
Amerikanern gut an, nicht nur inhaltlich.
Denn anders als
Amtsvorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) wartete der deutsche Politiker mit astreinem Englisch auf. Dadurch
ließ er seine Bedenken – etwa was die geplante Europäische Bankenunion betrifft
– eher beiläufig ins Gespräch einfließen. [….]
Wegen
des „schwarze Null“-Fetischs, dem Scholz möglicherweise übermorgen bei seiner Etatvorstellung
im Bundestag frönen wird, wird ihm nun nach „König Olaf“ das nächste Etikett
aufgeklebt: „Konservativ“.
[….]
Der nächste Konservative?
[….]
Scholz hat keinen Zweifel daran gelassen,
dass er den Sparkurs seines konservativen Vorgängers fortsetzen will. Auch der
rote Finanzminister steuert die schwarze Null an. [….]
"Wenn wir die
schwarze Null halten", sagt Scholz, "dann ist das gemessen an der
guten Konjunkturlage eine expansive Haushaltspolitik." Man werde
mindestens 46 Milliarden Euro mehr ausgeben, das bedeute doch, dass die
staatlichen Investitionen deutlich ansteigen werden - genau wie die SPD das
fordere.
Am Freitag wird Scholz
zeigen, wie er die Milliarden ausgeben will, und, vor allem wann. Wird er
zuerst in Kitas, Schulen und Pflegeeinrichtungen investieren oder in die
Mütterrente und das Baukindergeld? Und wird er, wie im Koalitionsvertrag
vereinbart, die Entwicklungshilfe genauso erhöhen wie Rüstungsausgaben? [….]
Scholz' Vertraute
streuen, dass der Hanseat eher dem Kurs seiner SPD-Amtsvorgänger Helmut Schmidt
und Peer Steinbrück einiges abgewinnen kann. Beide waren beliebte
Finanzminister - mit einer gewissen Distanz zur eigenen Partei. Schmidt
schaffte es sogar ins Kanzleramt. Dass Scholz als der ehrgeizigste Hanseat seit
Schmidt gilt, dürfte ihn freuen. [….]
Ich
erinnere mich an alte Sprüche Gerd Schröders. Es gebe keine Linke oder rechte
Finanzpolitik, sondern nur Gute oder Schlechte.
Bisher
haben wir alle Scholz‘ Etatplanung noch nicht gesehen; es ist also absurd sie
jetzt schon zu etikettieren.
Aber im
Gegensatz zu Wolfgang Schäuble versteht Scholz sehr viel von der Materie, denkt
international und hat in vielen Jahren als Minister und Regierungschef
bewiesen, daß er Politik gestalten kann.
Vertreter
der reinen linken Lehre mögen a priori schäumen, aber ich gestatte mir
vorsichtigen Optimismus bezüglich der neuen deutschen Finanzpolitik.
Scholz
ist schlau und das kann man nicht von allen Spitzenpolitikern sagen (ich will
jetzt keine Namen von kürzlich gewählten Parteichefinnen nennen).
Intelligenz
ist schon mal keine schlechte Voraussetzung für einen guten Job.
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