Vor
einigen Tagen zappte ich nachts in die Wiederholung einer alten Rudi-Carrell-Sendung.
Gezeigt wurde „Am Laufenden Band“ von 1979.
Das war
gar nicht so uninteressant wie ich zunächst dachte.
Zum einen
brachte das Jugend-Erinnerungen zurück; Am
Laufenden Band haben wir alle zusammen im Schlafzimmer meiner Mutter
gesehen. In den Zeiten ohne Internet und mit lediglich drei TV-Programmen tat
man sowas noch gemeinsam.
Außerdem
faszinierte mich aus heutiger Sicht mit wie wenig Aufwand die „Spiele“ funktionierten.
Ganz ohne special effects, ohne Stars, ohne Außenübertragungen, ohne gewaltige
Gewinne hatten die Leute ihren Spaß, indem das Carrell-Team sich etwas
ausdachte.
Offensichtlich
gab es damals statt der tumben Gag-Schreiber für die Millionen Comedy-Shows von
heute noch Fernsehautoren, die über Hirn verfügten.
Damals
gab es ja auch noch Fernsehspiele aus der Feder von Wolfgang Menge oder Robert
Stromberger. Außerdem gab es noch richtige gelernte Schauspieler, die nicht aus
primitiven Daily-Soaps stammten.
Anyway,
ich wollte auf etwas anderes hinaus.
In einem
„gespielten Witz“ tauchte Roberto Blanco auf und die Kandidaten sollten etwas
möglichst Lustiges aus der Szene mit ihm machen.
Dabei
fiel zur großen Erheiterung des Publikums immer wieder das Wort „Neger“ oder „Negerkuss“.
Es ist
verblüffend wie unsere Sensibilität diesbezüglich zugenommen hat und wie lange
man noch arglos von „Negern“ sprach.
Die
Konnotationen verändern sich manchmal innerhalb von einer Dekade grundlegend.
Dafür war in den 1970ern „schwul“ noch ein klares Schimpfwort, das man als
Nicht-Homophober verschämt umging, indem man von „homosexuell“ sprach.
Wie sensibel,
beziehungsweise, wie wenig sensibel wir mit Minderheiten umgehen, zeigt sich
gut an unserer Sprache.
Welches
Weltbild wichtige Menschen mit sich herumtragen wird aber nicht nur durch
extrem drastische Missgriffe wie Edmund Stoibers Warnung vor einer „durchmischten
und durchrassten Gesellschaft“ entlarvt.
Heute sind
wir entsetzt darüber wie ungeniert Ost-CDU-Politiker sich an die Peginesen
heranwanzen.
Thüringens
Mike Mohring flirtet mit den Rechten von der AfD.
Brandenburgs
Jörg Schönbohm (77), Generalleutnant a. D. des Heeres der Bundeswehr, 1996 bis
1998 Innensenator in Berlin, 1999 bis 2009 war er Innenminister des Landes
Brandenburg sonnte sich geradezu als Ganz-Rechtsaußen der CDU.
Brandenburgs
Katharina Reiche, 41, Parlamentarische im Kabinett Merkel III, gefällt sich
seit zehn Jahren als größte Schwulenhasserin der CDU.
Und in der Sachsen-CDU (Markus Ulbig, Steffen
Heitmann) gibt es ohnehin hauptsächlich Schwarzbraune.
Die sächsische Union
will in der Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen und Asylrecht mit »klaren
Positionen« punkten. Eine davon: CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer warf
den Landesregierungen in Thüringen und Schleswig-Holstein vor, mit dem dort
praktizierten Abschiebestopp in den Wintermonaten einen »Rechtsbruch« zu
begehen, »der die Aufnahmebereitschaft gefährdet«. Für die Union stehe fest,
dass die Ausweisungsverfahren beschleunigt werden und Menschen ohne
Rechtsanspruch Deutschland wieder verlassen müssten, gibt die
Nachrichtenagentur dpa Kretschmer wieder.
Das ist
heute alles ziemlich abstoßend und hoffentlich in Gesamtdeutschland nicht
mehrheitsfähig.
Nicht
mehr.
Ob
Angela Merkel im Jahr 2015 auch noch ungeniert
Anti-Ausländer-Unterschriftenkampagnen organisieren würde, wie sie es 1999 in
Hessen tat?
Direkte xenophobe
Hetze findet man in der westdeutschen Union in mehrheitsfähiger Weise
eigentlich nur noch in Bayern und womöglich in Hessen und BW.
In den
1990ern, als in Ostdeutschland Asylunterkünfte abgefackelt wurden, redeten
viele so.
Als 1999
die rotgrüne Bundesregierung an eine eingetragene Lebenspartnerschaft für
Gleichgeschlechtliche dachte, raste die CDU-Chefin Merkel zum
Bundesverfassungsgericht, um dagegen zu klagen. Die ehemalige
CDU-Familienministerin, Hannelore Rönsch erklärte bei der richterlichen
Anhörung damit gerate die „christlich-abendländische Kultur“ insgesamt in
Gefahr.
Vorreiter
in Sachen Gleichstellung war 1998 der rotgrüne Hamburger Senat.
Der
CDU-Chef Dirk Fischer, dessen Partei später mit Ole von Beust und Dietrich
Wersich schwule Bürgermeisterkandidaten aufstellen sollte, drehte durch.
Während
in Asylbewerber in Deutschland attackiert und ermordet wurden, erfanden
Politiker aller Parteien den mittelalterlichen Nicht-Rechtsbegriff „Gastrecht“
und hetzten gegen Ausländer im Allgemeinen.
(Die Woche 29.03.1996) |
Helmut
Kohl, der ewige Bundeskanzler befand zu Beginn seiner Kanzlerschaft, als er die
geistig-moralische Wende verkündete:
„Es ist doch überhaupt in Wahrheit kein Problem der Ausländer, sondern es ist in Wahrheit ein Problem der großen Zahl von türkischen Mitbürgern in Deutschland…. Aber es ist auch wahr, dass wir die jetzige vorhandene Zahl der Türken in der Bundesrepublik nicht halten können, dass das unser Sozialsystem, die allgemeine Arbeitslage, nicht hergibt. Wir müssen jetzt sehr rasch vernünftige, menschlich sozial gerechte Schritte einleiten, um hier eine Rückführung zu ermöglichen. Das ist einfach ein Gebot der Fairness untereinander, das offen auszusprechen.“
(Helmut
Kohl 1982)
Das war
der Tonfall, den die politischen Spitzenpolitiker vorgaben – Ausländer sind a)
schlecht, b) viel zu teuer und c) viel zu viele.
Selbstredend
war das damals genauso wenig wahr wie
heute, aber so dachte offensichtlich die Majorität.
Als die
Ostzonalen immer mehr Asylunterkünfte ansteckten, gaben Unionisten kräftig
weiter Verbal-Feuer.
„Vergleiche mit einem
Heuschreckenschwarm, der überall, wo er durchzieht, eine Wüste hinterläßt, sind
keineswegs übertrieben. Die Lösung kann daher nur lauten: konsequente
Abschirmung Europas vor der Zuwanderung aus den Entwicklungsländern.“
„Ich halte es für
einen Skandal, daß Asylbewerber heute noch nicht einmal bereit sind, für
Ordnung in ihren eigenen Unterkünften zu sorgen“
“Angesichts der jetzt
schon beklagten Überfüllung stellt sich die Frage: Wie viele Menschen verträgt
das Land? Das ist eine Frage der Physik und der Biologie und – wie wir heute
wissen – auch der Ökologie.“
(Staatsminister
Peter Gauweiler, CSU, 1991)
„Wenn
Scheinasylanten Deutschland auf Dauer überschwemmen, wird die Folge ein
Absinken auf ein tiefes wirtschaftliches Niveau sein!“
(Prof Martin Kriele, Staatsrechtler Uni Köln)
(Prof Martin Kriele, Staatsrechtler Uni Köln)
„Nur ganz wenige der
Asylbewerber haben wirkliche Not. Sie probieren das Leben im Westen schleicht
und ergreifend aus. Sie gehen keiner Arbeit nach und kommen leider oft auf
dumme Gedanken.“
(NRW-MdL Hartmut Schauerte, CDU, 1991)
(NRW-MdL Hartmut Schauerte, CDU, 1991)
„Im Asylbereich muß
unser Ziel sein, zu einem politischen Konsens vergleichbar mit dem zur
Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu kommen.“
(Dietmar
Schlee, CDU, Innenminister Baden Württemberg, 30.07.1991)
„Ausländer sind Gäste,
nicht Bürger und von daher auch keine Mitbürger.“
„Dieses
Zeugs muß hier weg!“
"Die Stadt wird
nicht zulassen, daß hier die Zigeuner tanzen"
(CDU-Bürgermeister
Nikolaus Jung im saarländischen Lebach, 2000)
"Wenn sich die
SPD beim Kanzler-Gespräch am 27.
September verweigert, ist jeder Asylant nach diesem Tag ein
SPD-Asylant".
(CDU-Generalsekretär
Volker Rühe 18. September 1991 in der
"Bild")
„Was soll ich den
Leuten sagen, wenn in der Nähe eines Asylantenheims ein junges Mädchen
vergewaltigt wird?“
(Edmund
Stoiber, CSU, 1991)
„So können die
Deutschen zum dritten Mal in diesem Jahrhundert das Ihrige dazu tun Europa zu
ruinieren, dieses Mal durch ihre modische Wahnidee, hier das Sozialamt und das
Krankenhaus für die ganze Welt zu errichten.“
„Sie können mit allen
Völkern friedlich zusammenleben, wenn diese Völker ihre eigenen Territorien
haben. Ist es vernünftig, daß man sein eigenes Aussterben betreibt? Was heißt
das? Die genetische Verdrängung der Mitteleuropäer!“
„Angesichts der 57%
betragenden Ausländerkriminalität ist die italienische Mafia sei dabei, ihre
Zentrale nach Deutschland zu verlegen, weil die liberale Gesetzgebung es ihr
hier besser erlaubt. Einzig Gesetzesänderungen können einen Wandel bringen, aber
ein überzogener Liberalismus verhindert es."
(Heinz
Eggert, CDU, Innenminister Sachsen 1994)
Man muß
sich wirklich wundern wie ein Thilo Sarrazin zur Ikone der Ausländerhasser
werden konnte, wie es ihm gelang sich als Tabu-Brecher zu inszenieren, der
erstmals den Mut habe unbequeme Wahrheiten auszusprechen.
Das ist
alles nicht neu und das dumme Volk reagiert entsprechend.
So
werden die Peginesen groß und so werden Straftaten generiert.
In Sachsen gab es seit
Mitte 2012 insgesamt 54 Versammlungen, die sich gegen Asylunterkünfte
richteten, sowie 57 Straftaten gegen Asylunterkünfte und Flüchtlinge. Zweimal
wurden dabei jeweils zwei Personen verletzt. Das hat Juliane Nagel, Sprecherin
für Migrations- und Flüchtlingspolitik der Fraktion DIE LINKE, mit einer
Kleinen Anfrage in Erfahrung gebracht. Sie
erklärt dazu:
Kamen Demonstrationen
und Straftaten im Jahr 2012 und 2013 noch eher punktuell vor, ist seitdem eine
klare Häufung zu konstatieren. Den Schwerpunkt stellt der Landkreis Bautzen
dar, wo ungefähr 1.000 Flüchtlinge leben – etwa 0,3 % der Bevölkerung dieses Landkreises.
Diese Zahlen legen
nahe, dass Gewalt gegen geflüchtete Menschen und deren Unterkünfte auch durch
Demonstrationen gegen Asyl-Unterkünfte angeheizt wird. Wir können es nicht
hinnehmen, dass Menschen, die in Sachsen Schutz vor Krieg, Verfolgung und Not
suchen, zur Zielscheibe von Hass und Gewalt werden. Die jüngsten Entwicklungen
sind besorgniserregend und sollten die politisch Verantwortlichen in diesem
Land längst alarmiert haben.
Anstatt jedoch die
Belange der Betroffenen in den Fokus zu rücken und zur Deeskalation
beizutragen, initiiert der sächsische Innenminister eine Spezialeinheit gegen
straffällige Asylsuchende – und nimmt so in Kauf, den Fokus der öffentlichen
Asyl-Debatte zu Ungunsten von Schutzbedürftigen zu verschieben. Dabei stellen straffällige
Asylsuchende mit einem Anteil von etwa 0,1 % an den hier lebenden Flüchtlingen
und Asylsuchenden nur eine verschwindend geringe Minderheit dar. Anstatt einen
Abschiebestopp im Winter zu erlassen, äußerte der Innenminister kaltschnäuzig,
dass „Klima keine Kategorie des Ausländerrechts“ sei.
So werden
Ressentiments in der Bevölkerung gestärkt und die Unterstützungsbereitschaft
gegenüber Flüchtlingen geschmälert. Wir erwarten aber auch von der
Landesregierung klaren Widerstand gegen rassistische und asylfeindliche
Mobilisierungen und außerdem mehr Empathie gegenüber geflüchteten Menschen. […]
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