Sonntag, 28. Dezember 2014

Saat und Ernte.



 Vor einigen Tagen zappte ich nachts in die Wiederholung einer alten Rudi-Carrell-Sendung. Gezeigt wurde „Am Laufenden Band“ von 1979.
Das war gar nicht so uninteressant wie ich zunächst dachte.
Zum einen brachte das Jugend-Erinnerungen zurück; Am Laufenden Band haben wir alle zusammen im Schlafzimmer meiner Mutter gesehen. In den Zeiten ohne Internet und mit lediglich drei TV-Programmen tat man sowas noch gemeinsam.
Außerdem faszinierte mich aus heutiger Sicht mit wie wenig Aufwand die „Spiele“ funktionierten. Ganz ohne special effects, ohne Stars, ohne Außenübertragungen, ohne gewaltige Gewinne hatten die Leute ihren Spaß, indem das Carrell-Team sich etwas ausdachte.
Offensichtlich gab es damals statt der tumben Gag-Schreiber für die Millionen Comedy-Shows von heute noch Fernsehautoren, die über Hirn verfügten.
Damals gab es ja auch noch Fernsehspiele aus der Feder von Wolfgang Menge oder Robert Stromberger. Außerdem gab es noch richtige gelernte Schauspieler, die nicht aus primitiven Daily-Soaps stammten.

Anyway, ich wollte auf etwas anderes hinaus.
In einem „gespielten Witz“ tauchte Roberto Blanco auf und die Kandidaten sollten etwas möglichst Lustiges aus der Szene mit ihm machen.
Dabei fiel zur großen Erheiterung des Publikums immer wieder das Wort „Neger“ oder „Negerkuss“.

Es ist verblüffend wie unsere Sensibilität diesbezüglich zugenommen hat und wie lange man noch arglos von „Negern“ sprach.

Die Konnotationen verändern sich manchmal innerhalb von einer Dekade grundlegend. Dafür war in den 1970ern „schwul“ noch ein klares Schimpfwort, das man als Nicht-Homophober verschämt umging, indem man von „homosexuell“ sprach.

Wie sensibel, beziehungsweise, wie wenig sensibel wir mit Minderheiten umgehen, zeigt sich gut an unserer Sprache.
Welches Weltbild wichtige Menschen mit sich herumtragen wird aber nicht nur durch extrem drastische Missgriffe wie Edmund Stoibers Warnung vor einer „durchmischten und durchrassten Gesellschaft“ entlarvt.

Brandenburgs Jörg Schönbohm (77), Generalleutnant a. D. des Heeres der Bundeswehr, 1996 bis 1998 Innensenator in Berlin, 1999 bis 2009 war er Innenminister des Landes Brandenburg sonnte sich geradezu als Ganz-Rechtsaußen der CDU.
Brandenburgs Katharina Reiche, 41, Parlamentarische im Kabinett Merkel III, gefällt sich seit zehn Jahren als größte Schwulenhasserin der CDU.
Und in der Sachsen-CDU (Markus Ulbig, Steffen Heitmann) gibt es ohnehin hauptsächlich Schwarzbraune.

Die sächsische Union will in der Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen und Asylrecht mit »klaren Positionen« punkten. Eine davon: CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer warf den Landesregierungen in Thüringen und Schleswig-Holstein vor, mit dem dort praktizierten Abschiebestopp in den Wintermonaten einen »Rechtsbruch« zu begehen, »der die Aufnahmebereitschaft gefährdet«. Für die Union stehe fest, dass die Ausweisungsverfahren beschleunigt werden und Menschen ohne Rechtsanspruch Deutschland wieder verlassen müssten, gibt die Nachrichtenagentur dpa Kretschmer wieder.

Das ist heute alles ziemlich abstoßend und hoffentlich in Gesamtdeutschland nicht mehrheitsfähig.
Nicht mehr.

Ob Angela Merkel im Jahr 2015 auch noch ungeniert Anti-Ausländer-Unterschriftenkampagnen organisieren würde, wie sie es 1999 in Hessen tat?

Direkte xenophobe Hetze findet man in der westdeutschen Union in mehrheitsfähiger Weise eigentlich nur noch in Bayern und womöglich in Hessen und BW.

In den 1990ern, als in Ostdeutschland Asylunterkünfte abgefackelt wurden, redeten viele so.

Als 1999 die rotgrüne Bundesregierung an eine eingetragene Lebenspartnerschaft für Gleichgeschlechtliche dachte, raste die CDU-Chefin Merkel zum Bundesverfassungsgericht, um dagegen zu klagen. Die ehemalige CDU-Familienministerin, Hannelore Rönsch erklärte bei der richterlichen Anhörung damit gerate die „christlich-abendländische Kultur“ insgesamt in Gefahr.

Vorreiter in Sachen Gleichstellung war 1998 der rotgrüne Hamburger Senat.
Der CDU-Chef Dirk Fischer, dessen Partei später mit Ole von Beust und Dietrich Wersich schwule Bürgermeisterkandidaten aufstellen sollte, drehte durch.

Hamburger Morgenpost 01.09.1998

Während in Asylbewerber in Deutschland attackiert und ermordet wurden, erfanden Politiker aller Parteien den mittelalterlichen Nicht-Rechtsbegriff „Gastrecht“ und hetzten gegen Ausländer im Allgemeinen.

(Die Woche 29.03.1996)

Helmut Kohl, der ewige Bundeskanzler befand zu Beginn seiner Kanzlerschaft, als er die geistig-moralische Wende verkündete:

„Es ist doch überhaupt in Wahrheit kein Problem der Ausländer, sondern es ist in Wahrheit ein Problem der großen Zahl von türkischen Mitbürgern in Deutschland…. Aber es ist auch wahr, dass wir die jetzige vorhandene Zahl der Türken in der Bundesrepublik nicht halten können, dass das unser Sozialsystem, die allgemeine Arbeitslage, nicht hergibt. Wir müssen jetzt sehr rasch vernünftige, menschlich sozial gerechte Schritte einleiten, um hier eine Rückführung zu ermöglichen. Das ist einfach ein Gebot der Fairness untereinander, das offen auszusprechen.“
(Helmut Kohl 1982)

Das war der Tonfall, den die politischen Spitzenpolitiker vorgaben – Ausländer sind a) schlecht, b) viel zu teuer und c) viel zu viele.
Selbstredend war das damals genauso  wenig wahr wie heute, aber so dachte offensichtlich die Majorität.
Als die Ostzonalen immer mehr Asylunterkünfte ansteckten, gaben Unionisten kräftig weiter Verbal-Feuer.

„Vergleiche mit einem Heuschreckenschwarm, der überall, wo er durchzieht, eine Wüste hinterläßt, sind keineswegs übertrieben. Die Lösung kann daher nur lauten: konsequente Abschirmung Europas vor der Zuwanderung aus den Entwicklungsländern.“

„Ich halte es für einen Skandal, daß Asylbewerber heute noch nicht einmal bereit sind, für Ordnung in ihren eigenen Unterkünften zu sorgen“

“Angesichts der jetzt schon beklagten Überfüllung stellt sich die Frage: Wie viele Menschen verträgt das Land? Das ist eine Frage der Physik und der Biologie und – wie wir heute wissen – auch der Ökologie.“
(Staatsminister Peter Gauweiler, CSU, 1991)

„Wenn Scheinasylanten Deutschland auf Dauer überschwemmen, wird die Folge ein Absinken auf ein tiefes wirtschaftliches Niveau sein!“
(Prof Martin Kriele, Staatsrechtler Uni Köln)

„Nur ganz wenige der Asylbewerber haben wirkliche Not. Sie probieren das Leben im Westen schleicht und ergreifend aus. Sie gehen keiner Arbeit nach und kommen leider oft auf dumme Gedanken.“
(NRW-MdL Hartmut Schauerte, CDU, 1991)

„Im Asylbereich muß unser Ziel sein, zu einem politischen Konsens vergleichbar mit dem zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu kommen.“
(Dietmar Schlee, CDU, Innenminister Baden Württemberg, 30.07.1991)

„Ausländer sind Gäste, nicht Bürger und von daher auch keine Mitbürger.“

„Dieses Zeugs muß hier weg!“

"Die Stadt wird nicht zulassen, daß hier die Zigeuner tanzen"
(CDU-Bürgermeister Nikolaus  Jung im  saarländischen Lebach, 2000)

"Wenn sich die SPD  beim Kanzler-Gespräch  am 27.  September verweigert, ist jeder Asylant nach diesem Tag ein SPD-Asylant".
(CDU-Generalsekretär Volker Rühe 18.  September 1991 in der "Bild")

„Was soll ich den Leuten sagen, wenn in der Nähe eines Asylantenheims ein junges Mädchen vergewaltigt wird?“
(Edmund Stoiber, CSU, 1991)
„So können die Deutschen zum dritten Mal in diesem Jahrhundert das Ihrige dazu tun Europa zu ruinieren, dieses Mal durch ihre modische Wahnidee, hier das Sozialamt und das Krankenhaus für die ganze Welt zu errichten.“

„Sie können mit allen Völkern friedlich zusammenleben, wenn diese Völker ihre eigenen Territorien haben. Ist es vernünftig, daß man sein eigenes Aussterben betreibt? Was heißt das? Die genetische Verdrängung der Mitteleuropäer!“

„Angesichts der 57% betragenden Ausländerkriminalität ist die italienische Mafia sei dabei, ihre Zentrale nach Deutschland zu verlegen, weil die liberale Gesetzgebung es ihr hier besser erlaubt. Einzig Gesetzesänderungen können einen Wandel bringen, aber ein überzogener Liberalismus verhindert es."
(Heinz Eggert, CDU, Innenminister Sachsen 1994)

Man muß sich wirklich wundern wie ein Thilo Sarrazin zur Ikone der Ausländerhasser werden konnte, wie es ihm gelang sich als Tabu-Brecher zu inszenieren, der erstmals den Mut habe unbequeme Wahrheiten auszusprechen.

Das ist alles nicht neu und das dumme Volk reagiert entsprechend.

So werden die Peginesen groß und so werden Straftaten generiert.

In Sachsen gab es seit Mitte 2012 insgesamt 54 Versammlungen, die sich gegen Asylunterkünfte richteten, sowie 57 Straftaten gegen Asylunterkünfte und Flüchtlinge. Zweimal wurden dabei jeweils zwei Personen verletzt. Das hat Juliane Nagel, Sprecherin für Migrations- und Flüchtlingspolitik der Fraktion DIE LINKE, mit einer Kleinen Anfrage in Erfahrung gebracht.   Sie erklärt dazu:
Kamen Demonstrationen und Straftaten im Jahr 2012 und 2013 noch eher punktuell vor, ist seitdem eine klare Häufung zu konstatieren. Den Schwerpunkt stellt der Landkreis Bautzen dar, wo ungefähr 1.000 Flüchtlinge leben – etwa 0,3 % der Bevölkerung dieses Landkreises.
Diese Zahlen legen nahe, dass Gewalt gegen geflüchtete Menschen und deren Unterkünfte auch durch Demonstrationen gegen Asyl-Unterkünfte angeheizt wird. Wir können es nicht hinnehmen, dass Menschen, die in Sachsen Schutz vor Krieg, Verfolgung und Not suchen, zur Zielscheibe von Hass und Gewalt werden. Die jüngsten Entwicklungen sind besorgniserregend und sollten die politisch Verantwortlichen in diesem Land längst alarmiert haben.
Anstatt jedoch die Belange der Betroffenen in den Fokus zu rücken und zur Deeskalation beizutragen, initiiert der sächsische Innenminister eine Spezialeinheit gegen straffällige Asylsuchende – und nimmt so in Kauf, den Fokus der öffentlichen Asyl-Debatte zu Ungunsten von Schutzbedürftigen zu verschieben. Dabei stellen straffällige Asylsuchende mit einem Anteil von etwa 0,1 % an den hier lebenden Flüchtlingen und Asylsuchenden nur eine verschwindend geringe Minderheit dar. Anstatt einen Abschiebestopp im Winter zu erlassen, äußerte der Innenminister kaltschnäuzig, dass „Klima keine Kategorie des Ausländerrechts“ sei.
So werden Ressentiments in der Bevölkerung gestärkt und die Unterstützungsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen geschmälert. Wir erwarten aber auch von der Landesregierung klaren Widerstand gegen rassistische und asylfeindliche Mobilisierungen und außerdem mehr Empathie gegenüber geflüchteten Menschen. […]

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