In den
letzten zehn Jahren habe ich rund 3.500 Blogeinträge geschrieben und
rückblickend kann ich eins mit Sicherheit sagen: Meine Weltsicht ist nicht
optimistischer geworden.
Natürlich
lobe ich immer wieder einzelne Menschen, bestimmte Texte, brillante Aufsätze,
kluge Bücher, empfehle Parteien und lasse Vorlieben durchblicken.
Aber das
bleiben eher die Einzelfälle, während Homo Sapiens pauschal betrachtet eine
destruktive und unsympathische Spezies bleibt.
Insbesondere
frustriert mich im Rückblick auf die letzte Dekade Onlinemedien und soziale
Medien wie sehr die Chancen sich zu informieren vergeudet werden, während sich
Desinformation verbreitet.
Lange vor
der Erfindung der Begriffe „postfaktisch“ und „fake news“ war erkennbar, daß
die allgemeine Verdummung selbstgewählt ist.
Offensichtlich
sind Menschen so. Vor dem Internetzeitalter lasen sie auch lieber massenhaft
die BILD-Zeitung statt der Süddeutschen.
RTL-Titten-Paraden
haben bessere Einschaltquoten als kulturpolitische Informationen auf 3Sat.
Facebook
und Twitter saugen die Konsumenten aber unmerklich in ihre inzestuösen
Informationsblasen, ohne daß sich ein Wähler bewußt dafür entscheiden muß Tagesschau und SPIEGEL zu ignorieren,
um lieber RT und DWN zu lesen.
Bei
allen meinen Lieblingsthemen – Religion, amerikanische Politik, deutsche
Innenpolitik – zeigt sich wie unfähig Homo Demens ist rational zu urteilen.
Die größten
Lügner und Versager (von der Leyen, Schäuble, Guttenberg) erklimmen die Toppositionen
der Beliebtheitsrankings.
Verblödungsideologien
wie der Islam und Katholizismus gewinnen Millionen Mitglieder. In freier Wahl
beschließen Bürger sich ins Knie zu schießen. Krankenversicherung? Weg damit.
Demokratie
führt zu Brexit, Trump, 5 mal Roland Koch und AfD.
Man
wählt Rajoy statt Zapatero, George W. Bush statt Gore, immer wieder Berlusconi,
16 Jahre Kohl und mindestens 12 Jahren Lobbymerkel.
Es ist
verrückt, wenn neben dem Populisten Horst Seehofer ausgerechnet die linkeren Parteien
die offensichtliche Verdummungsneigung ihres Volkes durch noch mehr Blödheit
bekämpfen wollen.
Das Volk
zu befragen, oder gar NOCH MEHR plebiszitäre Elemente einzuführen endet in
einer Diktatur der Inkompetenz.
Menschen
im Computerzeitalter wenden sich freiwillig von der Kantschen Aufklärung ab.
Sie applaudieren starken Führern, wählen ohne Not mit großen Mehrheiten
Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdoğan, Rodrigo Duterte, Viktor Orbán oder Jarosław
Kaczyński. Sie rennen dem Front National, der AfD oder Nigel Farage nach.
Aufklärung ist der
Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit
ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu
bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit wenn die Ursache derselben
nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner
ohne Leitung eines anderen zu bedienen.
(Immanuel
Kant, 1724 - 1804)
Gut, daß
Kant schon tot ist; blickte er im Jahr 2017 in die Zeitungen, würde er sich
gleich in den Pregel stürzen.
Was also
tun?
Die
naheliegende Lösung ist klar: Gott überträgt mir die Weltherrschaft.
Berücksichtigt
man aber mein bisheriges Spendenverhalten an die Kirche und meine
Gebetshäufigkeit, wird das nicht so bald eintreten.
Außerdem
bleibe ich immer noch bei dem Grundsatz, nachdem Demokratie zwar Mist, aber
auch das kleinste Übel ist.
Wir
sollten bei der Demokratie bleiben, sie aber so modifizieren, daß der Einfluss
der Verblödeten geringer und die Stimme der Klugen lauter wird.
Zum
Glück gibt es auf der ganzen Welt Wissenschaftler, die sich mit der Frage
beschäftigen, wie so eine Modifikation der Demokratie aussehen könnte.
Drei beeindruckende
Beispiele möchte ich nennen.
1.)
Epistokratie (=Herrschaft der Wissenden), nach Jason
Brennan, *1979, libertärer US-Philosoph.
Professor
für Strategie, Volkswirtschaft, Ethik und Public Policy an der McDonough School
of Business und Professor für
Philosophie an der Georgetown University in Washington.
Brennan legte
ein inzwischen auch auf Deutsch erschienenes Werk „Against Democracy“ vor.
Er
untersuchte die Ergebnisse der demokratischen Prozesse und kam zu einem aus
wissenschaftlicher Sicht deprimierenden Folgerung.
[….] Brennan:
Trump hat besonders große Unterstützung bei den Wählern, die besonders
wenig über Politik wissen.
[….] In England
hat sich klar gezeigt: Wer beim Brexit-Referendum für das Bleiben gestimmt
hat, konnte viel genauer sagen, wie viele Einwanderer aus der EU es
gab, wie hoch Investitionen aus der EU waren und wie teuer Sozialhilfe.
Je besser man die Fakten kannte, umso wahrscheinlicher hat man fürs Bleiben
gestimmt.
[….] Wenn man
Länder anschaut, die eine Wahlpflicht haben, zeigt die Empirie, dass
rechtsextreme Parteien für gewöhnlich ein paar Sitze dazugewinnen,
weil dann Leute zur Wahl gehen, die normalerweise zu Hause geblieben
wären. [….]
SPIEGEL: Und diese Leute, die tendenziell wenig über Politik wissen,
wollen Sie von der Wahl ausschließen.
Brennan: Es würde sie natürlich wütend machen, aber es würde ihnen
auch helfen, weil sie im Moment so wählen, dass sie sich selbst ins Knie
schießen. Sie entscheiden gegen ihre Interessen.
[….] Wenn man
Wähler fragt, in den USA, in Großbritannien und auch in Deutschland, können
sie die einfachsten Fragen nicht beantworten. Sie wissen nicht, ob die
Arbeitslosenquote zunimmt oder abnimmt, und sie haben nicht ansatzweise
einen Schimmer, wie hoch sie ist. Sie wissen nichts über die Staatsschulden
und die Entwicklung der Kriminalitätsrate. Und wenn man nicht weiß, was
das Problem ist, ist man in keiner guten Position, eine Lösung zu finden.
Wenn man der Wirtschaft helfen will, sollte man es nicht mit merkantilistischen
Methoden versuchen, deren Wirksamkeit der Ökonom Adam Smith schon 1776
widerlegt hat.
[….] SPIEGEL: In
Ihrem Buch haben Sie verschiedene politische Typen kategorisiert.
Brennan: 50 Prozent der Wähler sind Hobbits, sie interessieren sich
nicht groß für aktuelle Ereignisse, sie interessieren sich für ihr
zweites Frühstück und wollen entspannen. Die nächste Kategorie sind
die Hooligans, sie interessieren sich sehr für Politik, aber mehr wie
Fußballfans sich für ihr Team interessieren, alles parteiisch eingefärbt.
Und dann sind da noch Vulkanier, rationale Menschen, die leidenschaftslos
für das beste Argument entscheiden. Nicht dass es solche Vulkanier tatsächlich
gibt, aber sie hatte der Philosoph Jürgen Habermas für sein Modell der
Demokratie vor Augen. [….]
SPIEGEL: Welche Politik würden Wähler in einer Epistokratie wollen?
Brennan: Sie sind für Freihandel, für Einwanderung und Schwulenrechte,
sie sind für das Recht auf Abtreibung, das wissen wir aus vielen Studien.
Sie wollen Steuern erhöhen, um das Staatsdefizit abzubauen. Sie wollen
etwas gegen den Klimawandel tun und lehnen militärische Interventionen
ab. Und sie achten auf die Bürgerrechte. [….]
(DER SPIEGEL 14/2017, s.38 ff)
Brennans
Lösung ist, sehr vereinfacht in meinen Worten ausgedrückt, daß man bei der
Stimmenabgabe ein Multiple-Choice-Kompetenztest ausfüllen muß.
Je nach
Ergebnis werden die Stimmen gewichtet. Wer alle Fragen korrekt beantworten
kann, bekommt vielleicht drei Stimmen, während die Stimme des Blödmanns, der
nichts über Parteien weiß nur mit 50% gewichtet wird.
Das ist
ein Modell, über das ich schon seit Jahren nachdenke. Es erscheint mir praktisch
kompatibel, weil so ein Multiple-choice-Test so viele Fragen haben könnte, daß
man ihn nicht ohne weiteres auswendig lernen kann.
Es
könnten 100 allgemeine politische Fragen erstellt werden, von denen jeder
Wähler nach dem Zufallsprinzip bei der Stimmenabgabe 10 beantworten muß. Solche
Tests sind leicht von Computern auszuwerten und würden keine großen Auszählungsprobleme
mit sich bringen.
Jede
Stimme könnte dann mit der Anzahl der richtigen Antworten multipliziert werden,
so daß je nach Wissensstand zwischen Null und zehn Stimmen ins Wahlergebnis
eingehen.
2.)
Demarchie (=Losverfahren) nach David van Reybrouck, *1971, Historiker
aus Brügge.
[…..]
Wie kann überhaupt eine Demokratie
effizient arbeiten und langfristig tragfähige Entscheidungen treffen, wenn die
Politiker ihr Handeln vor allem an einem ausrichten müssen: Bei der nächsten
Wahl wollen sie wiedergewählt werden.
David Van Reybrouck
beschreibt diesen Mechanismus mit bestechend klaren Argumenten als
»demokratisches Ermüdungssyndrom«. Wie kommen wir davon weg? Vielleicht sind
ganz neue Wege nötig, auch wenn sie auf den ersten Blick ganz weltfremd
erscheinen? David Van Reybroucks Vorschläge nehmen ein sehr altes
demokratisches Prinzip auf, das schon im antiken Athen praktiziert wurde: Das
Los. Bis hin zur Französischen Revolution wurde dieses demokratische Mittel oft
angewendet, etwa auch in blühenden Republiken wie Venedig oder Florenz zu
Zeiten der Renaissance. David Van Reybrouck zeigt, wie das auch heute ganz
praktisch unsere machtlos gewordene Demokratie lebendiger machen kann. [….]
Ich
sympathisiere sehr mit der Idee eines Losverfahrens, wie sie der belgische
Historiker David van Reybrouck im aktuellen SPIEGEL vorschlägt.
Wir töten die
Demokratie, wenn wir sie auf diese archaischen Verfahren reduzieren.
Schauen Sie sich den
Brexit an. In dieser Entscheidung bündelt sich alles. Was an unserem
demokratischen System nicht stimmt.
Das Referendum gab es
überhaupt nur, weil es ein Wahlversprechen David Camerons war – der insgeheim
davon ausging, die Briten würden mit Nein stimmen. Dann hat Boris Johnson das
Referendum gekapert. In der Hoffnung, sich so in Stellung für die nächste Wahl
zum Premierminister zu bringen. Auch er ging davon aus, die Briten würden mit
Nein stimmen.
Und dann haben sie mit
Ja gestimmt.
Dabei war das Thema
denkbar komplex: Wie stellen wir uns die zukünftigen Beziehungen zur EU vor?
Aber es gab nur zwei mögliche Antworten: Ja oder Nein. Remain oder Leave. Zwei
Wahlen, ein Referendum, persönliche Eitelkeiten. Medien, die nicht gut genug
informiert haben – kein Wunder, daß alles schiefgegangen ist.
(Van
Reybrouck, der SPIEGEL, 31/2016 s.116f)
Statt
des Brexit-Volksentscheids, bei dem ¾ der Wähler unter 30 erst gar nicht zur
Wahl gingen und der Rest durch eine massive Desinformationskampagne der rechten
Medien verwirrt wurde, hätte man lieber 1.000 Briten ausgelost, die für ein
halbes Jahr zusammen in ein Hotel gesteckt worden wären, um dort das Thema
ausführlich zu diskutieren, Experten zu hören, Informationen zu sammeln, sich
gegenseitig zuhören.
Das
Thema hätte es eigentlich erfordert so vorzugehen.
Die Bürger werden wie in
Stichproben aus den verschiedensten Bevölkerungsgruppen ausgelost, um ein
breites Spektrum abzubilden. Sie nehmen ihre Aufgabe meist sehr ernst, arbeiten
sich gründlich ein, erarbeiten differenzierte, ausgewogene Ideen. Das Problem:
weil sie ausgelost sind, gelten sie als nicht legitimiert, also wird
anschließend per Referendum über ihren Vorschlag abgestimmt. Und da passiert
dann oft, was Reybrouck mit der Redensart "If you don’t know, say no"
zusammenfasst: Die kluge Arbeit der Bürgergremien landet durch eine
Augenblicksentscheidung der Masse im Papierkorb.
Eine
schöne Idee, wie ich finde.
In seiner Streitschrift „Gegen Wahlen“
konkretisiert Van Reybrouck seinen Plan.
in Gegen Wahlen: Warum
Abstimmen nicht demokratisch ist, plädiert Van Reybrouck für ein
„birepresentatives System“ der Volksvertretung mit zwei Kammern – eine gewählt
und eine gelost:
„Ich glaube, dass der dramatischen
Systemkrise der Demokratie abgeholfen werden kann, in dem man dem Losverfahren
eine neue Chance gibt.“
„Ausgeloste Bürger haben vielleicht nicht
die Expertise von Berufspolitikern, aber sie haben etwas anderes: Freiheit. Sie
brauchen ... nicht wiedergewählt zu werden.“ (S. 156)
„Es wird ein Stück Ruhe wiederherstellen.
Gewählte Bürger (unsere Politiker) werden dann nicht nur von kommerziellen und
sozialen Medien gehetzt, sondern wissen sich durch ein zweites Gremium
flankiert, für das Wahlfieber und Einschaltquoten vollkommen irrelevant sind.“
(S. 157)
„Es ist wichtig, sich bewusst zu machen,
dass die Gründe, die man heute gegen ausgeloste Bürger anführt, häufig mit den
Gründen identisch sind, die man seinerzeit gegen die Verleihung des Wahlrechtes
an Bauern, Arbeiter oder Frauen anführte.“ (S. 158)
Er führt auch eine
Reihe „birepräsentativer“ Vorschläge auf (S. 137 ff.), die eine ausgeloste
Kammer vorschlagen, welche neben ein gewähltes Parlament tritt, es also nicht
ersetzt, die gewählte und die geloste Kammer sollen sich gegenseitig ergänzen.
3.)
Enfranchisement Lottery (= Schulung
von 20.000 ausgelosten Menschen) nach Claudio Lopez-Guerra, Professor,
Department of Political Studies, Center for Research and Teaching in Economics
in Mexico City.
Der Mexikaner schlägt in seinem Werk „Democracy and Disenfranchisement - The Morality of Electoral
Exclusions”
Statt
Wahlen gäbe es also 20.000 zufällig ausgewählte Vertreter des Volkes, die
bezahlt würden, anonym blieben, nicht erneut ausgewählt werden könnten und die
dazu verpflichtet wären sich ausführlich zu den zu entscheidenden Themen
schulen zu lassen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen