Samstag, 22. April 2017

Was ist ein Migrant?

Es ist offensichtlich ein großer Irrtum den „Doppelpass“ als Aspekt des Staatsbürgerschaftsrechtes zu sehen. Es geht hier um ein Gefühl.
Selten habe ich in den Boulevardmedien ein so eindeutiges Meinungsbild in den Kommentaren und Leserzuschriften gesehen, wie nach dem Verfassungsreferendum in der Türkei.
Da entlädt sich eine gewaltige Wut auf „die“ Türken.
Es scheint einhellige Meinung zu sein, daß Migranten hier nicht benachteiligt oder diskriminiert sind, sondern daß sie vielmehr Sonder- und Extrarechte genießen, die den Deutschen verwehrt sind.
Das kann der Neid-Michl schon mal grundsätzlich nicht leiden.
Daher sei es hohe Zeit den Türken das Privileg der Doppelstaatsbürgerschaft wegzunehmen.
Ein ähnliches Phänomen gibt es beim eigenen Gehalt. Deutsche sind weniger an der absoluten Höhe interessiert, als daran, daß es mehr als das vom Nachbarn sein soll.

 
Unbelastet von jeder Faktenkenntnis hält eine Mehrheit der Deutschen die Doppelstaatsbürgerschaft für schlecht.

In Wahrheit hängt Deutschland rechtlich hinter allen zivilisierten Nationen zurück. Es herrscht immer noch das Ius Sanguinis („Recht des Blutes“, Abstammungsprinzip) und nicht das Ius Soli („Geburtsortsprinzip“) wie in den USA.
Im Jahr 2000 wurde immerhin eine Übergangsregelung geschaffen. Die nach 2000 in Deutschlands geborenen Kinder sollten Deutsche sein – auch, wenn ihre Eltern eine andere Staatsbürgerschaft haben und dadurch zwei Pässe möglich werden. Es ist aber kein klares Ius Soli wie in Amerika, sondern nach wie vor ist der deutsche Geburtsort nicht ausreichend, um Deutscher zu sein. Die Eltern müssen seit mindestens acht Jahren in Deutschland leben und eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung besitzen. Nur dann gibt es einen deutschen Pass.

Das gilt aber nicht für immer, sondern ist eine Gnade des deutschen Gesetzgebers. Mit 21 Jahren muß man sich für eine von beiden Staatsbürgerschaften entscheiden („Optionspflicht“); nach dem GroKo-Vertrag von 2013.

[….] Mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt in Deutschland ist grundsätzlich die Verpflichtung verbunden, sich mit Vollendung des 21. Lebensjahres zwischen der deutschen und der ausländischen Staatsangehörigkeit der Eltern zu entscheiden (sog. Optionspflicht). Während bisher grundsätzlich alle Ius-soli-Deutschen optionspflichtig waren, sind mit der Neuregelung durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (BGBl. I S. 1714) in Zukunft alle Ius-soli-Deutschen von der Optionspflicht befreit, die in Deutschland aufgewachsen sind oder als ausländische Staatsangehörigkeit nur die eines EU-Staates oder der Schweiz besitzen. [….]

Es gibt also legale Doppelstaatsbürgerschaften in Deutschland, aber anders als der amerikanische Staat, der so selbstbewusst ist, daß es ihm schlicht egal ist, welche anderen Pässe ein Amerikaner neben dem US-Pass besitzen, schwingt im Merkel-Deutschland immer noch Hitlers Blutrecht mit.
Zwei Pässe sind möglich, wenn man unter 21 ist, oder wenn die zweite Nationalität wenigstens arisch genug erscheint, um das kostbare deutsche Blut nicht zu sehr zu verunreinigen.
Ein zusätzlicher holländischer oder französischer Pass wird akzeptiert.
Ein Türkischer jedoch keinesfalls. Das Türkenblut gilt dem deutschen Gesetzgeber offenbar als ethnisch besonders schmutzig.
Ich darf das so schreiben, weil rechtlich gesehen mein Blut, welches zur Hälfte amerikanisch ist, ebenso minderwertig ist.
Das habe ich gemeinsam mit Untermenschen-Nationen wie Norwegen, Liechtenstein, Kanada, Australien, Island und demnächst auch England.
Die Bürger dieser Länder – und natürlich aller afrikanischen, südamerikanischen und asiatischen Nationen  - sind es nicht wert neben einem deutschen Pass zu existieren.

Vielleicht kann Frau Merkel, deren CDU auf dem letzten Parteitag die Abschaffung der Doppelstaatsbürgerschaft auch für diese exklusive Ländergruppe forderte, mir mal bei Gelegenheit erklären, wieso ein Deutscher nebenher eine schwedische Staatsbürgerschaft haben darf, aber vor einer Norwegischen eine Grenze gezogen wird.
Wieso darf ein russisch sprechender Deutscher gleichzeitig auch Lette oder Este sein, aber nicht Amerikaner?

Die Bedeutung des Ius-Sanguinis-Prinzips zeigt, worum es eigentlich geht: Rassismus.
Man sorgt sich nicht um Deutsche mit zwei Pässen, wenn sie blond und blauäugig sind. Aber dunkle Hautfarbe, womöglich krauses schwarzes Haar oder orientalische Mandelaugen sollen nicht eingekreuzt werden.

So ist auch das Vorpreschen der Bundesbildungsministerin mit ihrer Migrantenquote in deutschen Schulen zu verstehen:
Die nichtarischen „Schwarzköpfe“ sollen minimiert werden.

[….] Bildungsministerin Johanna Wanka hat sich zum Thema Integration in der Schule geäußert. Die Christdemokratin sprach sich dafür aus, den Migrantenanteil in den Klassen zu begrenzen. Ziel des Vorstoßes sei eine erfolgreiche Integration. "Ich bin gegen eine starre Quote, denn die regionalen Unterschiede sind groß", sagte Wanka dem "Focus". "Klar ist aber, dass der Anteil von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund möglichst ausgewogen sein muss." [….]

Es geht Wanka nicht um Nationalitäten.
Eine Klasse mit Haufenweise Halb-Belgiern und Halb-Dänen würde sie durchaus ertragen.
Daß es dunkelhäutige, dunkelhaarige Menschen in Deutschland, ja sogar AMERIKANER gibt, die besser Deutsch als viele Biodeutsche sprechen, ist in der gesetzgeberischen Gedankenwelt nicht vorgesehen.
 (Man sehe sich nur die Kämpfe der AfD-Fans und PEGIDIOTEN auf Facebook mit der deutschen Rechtschreibung und Grammatik an!)
Das erinnert mich an eine Bahnfahrt nach Berlin vor ca 25 Jahren.
Schon damals brannten Asylbewerberheime in Ostdeutschland, man wählte DVU.
Ein Mann um die 40 saß neben mir und verkündete ungefragt wie wichtig es für Deutschland wäre all die Ausländer rauszuwerfen.
Ich war gerade in so einer Stimmung und ließ ihn reden, warf nur hin und wieder Stichworte ein, um ihn in bestimmte Gedankenrichtungen zu lenken.
Offensichtlich hoffte ich, er würde dadurch am Ende merken wie widersprüchlich er argumentiert und wie unmöglich seine Vision von einem absolut isolierten Deutschland ohne Auslandskontakte war.
Das ging mindestens eine Stunde so; ich staune über meine damalige Philanthropie. Aber argumentativ bewirkte ich natürlich nichts; im Gegenteil, der Typ hielt seine eigenen rassistischen Vorstellungen für so überzeugend, daß er annahm, ich würde nun auch DVU wählen.
Es half alles nichts. Mit so einem kann man nicht reden, schlussfolgerte ich und ließ am Ende die Bombe platzen: „Ich bin übrigens auch kein Deutscher!“
Einen kleinen Moment staunte er; ich erwischte ihn kalt.
„Kanake biste aber nicht, oder?“
Meine Antwort „US-Amerikaner“ ließ ihn dann überlegen und zufrieden grinsen:
„Dann mach‘ dir keene Sorgen, euch brauchen wir noch. Dich bringen wir erst ganz zum Schluss um!“

Wie beruhigend.

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