Donnerstag, 31. Januar 2019

Der Abstieg der Wirtschaftsminister.

In nostalgischen Rückblicken auf die Glanzzeiten der Bundestagsdebatten fallen immer die Namen „Plisch und Plum“ (Finanzminister Strauß und Wirtschaftsminister Schiller 1966-1969), sowie die legendären Redner Wehner und Schmidt.
Aber Debattenkultur auf höchstem Niveau gab es noch Jahrzehnte später.
Die an ihren Klugtelefonen festgewachsenen jungen Leute von heute können sich das vielleicht nicht vorstellen, aber in den 80er und 90er guckte ich jede Bundestagsdebatte.
Bevor es Phoenix gab, wurde nicht so viel übertragen, aber mit dem „Parlamentssender“ konnte man sich endlich auch die kompletten Debatten ansehen.
Das waren Highlights. Ich saß mit einem Zettel in der Hand vor’m TV und schrieb mir die besten Sprüche mit.
Meine Helden waren  Joschka Fischer, der wohl unterhaltsamste Redner aller Zeiten, seine Generalabrechnungen mit der Kohl-Regierung von 1994 bis 1998 waren Sternstunden, Gerald Häfner, Kristin Heyne und Ingrid Matthäus-Maier.
Peter Struck war ebenfalls sehr gut. Lobend erwähnen möchte ich noch zwei inzwischen leider nach Rechtsaußen abgedriftete Typen, die aber in ihren besten Zeiten stets ohne Manuskript frei sprachen, jede Zwischenfrage annahmen und glanzvoll parierten: Wolfgang Clement und Oswald Metzger.

Ingrid Matthäus-Maier, *1945, Verwaltungsrichterin, eine der klügsten Personen, die ich kenne, spielt als wichtigste Atheistin Deutschlands  als Beiratsmitglied der Giordano-Bruno-Stiftung immer noch eine große Rolle. Seit 1966 setzt sie sich in der Humanistischen Union für die Trennung von Staat und Kirche ein.
Im Bundestag brillierte sie als Finanzexpertin, die anders als alle anderen Finanzpolitiker die Gabe besaß Zahlen anschaulich, verständlich und einprägsam darzustellen.

„Wissen Sie, was eine Milliarde ist? Sie haben eine Milliarde, wenn Sie achtzehn Jahre lang Woche für Woche eine Million im Lotto gewinnen.“
(IMM)

Sie war aber auch eine begnadete Parteipolitikerin.
Ich erinnere mich noch an eine Generalaussprache, als sie auf die Vorstellung des Haushalts von Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt Mitte der 1990er klagte:
„Wir hatten einen Bangemann, wir hatten einen Haussmann, wir hatten einen Möllemann – wann bekommen wir endlich einen Fachmann?“

Erhört wurde ihre Klage freilich nie.
Fünf Bundeswirtschaftsminister von der FDP in Folge hatten das Amt abgewirtschaftet.

Rexrodt war nicht nur wie seine Vorgänger überfordert, sondern wurde gar nicht mehr ernst genommen. Die Presse beschrieb ihn als peinlichen „Grüßaugust“, den noch nicht mal Industrielobbyisten beeinflussen mochten, weil zu offensichtlich war wie desinteressiert und machtlos er war.
Längst war die Gestaltungsmacht des einstigen Kernministeriums – Erhardt, Schiller und Schmidt prägten als Wirtschaftsminister die Republik – aufgebraucht. Die Musik spielte nun im Kanzleramt und Finanzministerium.
Das war keineswegs ein zwingender Prozess, sondern der Tatsache geschuldet, daß die faktische vakante Ministeriumsspitze von 1982 bis 1998 unter den FDP-Grüßaugusten das Eingreifen anderer Minister erforderte.

Spätere Bundeswirtschaftsminister wie Clement und Gabriel hatten verstanden welch geschrumpftes irrelevantes Haus sie übernahmen und ließen sich daher Superministerien zuschneiden. Clement war in Personalunion auch Arbeitsminister, Gabriel übernahm den Bereich Energiepolitik.

Aber es gab bedauerlicherweise auch unter Merkel Wirtschaftsminister von CDU und FDP, die entweder wie Brüderle, Guttenberg und Rösler völlig überfordert und verwirrt waren, oder noch schlimmer, wie Glos und Altmaier mit demonstrativen Unwillen das Sinnlosministerium einfach nur aussitzen wollte, weil sie nicht nur keine Ahnung hatten, sondern auch keine Lust.

Altmaier, der phänotypische Wiedergänger von Martin Bangemann verfiel nach Übernahme des Wirtschaftsressorts sofort in den Tiefschlaf.
Er macht einfach gar nichts mehr.
Setzt keine Impulse, mischt sich nirgends ein. Man weiß gar nicht, ob er überhaupt Meinungen hat.
Dabei sollte er derjenige sein, der ob der zu erwartenden katastrophalen Brexit-Folgen, des drohenden Handels- und Zollkrieges, der durch die US-Sanktionen entstehenden Handelsbeschränkungen, stümpernden deutschen Autohersteller, der scheiternden deutschen Großprojekte und des Intra-europäischen Antagonismus das Heft des Handelns immer in der Hand haben sollte.

[…..]  Aus der Wirtschaft bekommt der Wirtschaftsminister mächtig Gegenwind. Altmaier sei ein Ankündigungsminister, eine Mittelstandsstrategie gebe es immer noch nicht und die Steuern seien zu hoch. […..] Die deutsche Industrie fordert steuerliche Entlastungen und kritisiert den Kurs der Bundesregierung massiv. Es sei "überfällig", Steuern zu senken, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang in Berlin. "Die Steuerlast ist auf ein Rekordhoch gestiegen. Auch Unternehmen zahlen mehr Steuern als je zuvor." […..] Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier rückte dagegen von seiner Forderung nach einer Entlastung der Unternehmen im Volumen von 20 Milliarden Euro ab. "Damit hat der Wirtschaftsminister nichts zu tun", sagte er auf dem Maschinenbaugipfel in Berlin. […..] Maschinenbau-Präsident Carl Martin Welcker hatte zuvor in seiner Eröffnungsrede vom Wirtschaftsminister gefordert, wie versprochen, Politik im Stile Ludwig Erhards für die Unternehmen zu machen. Generell zeigte er sich unzufrieden mit der Leistung der Großen Koalition. "Regieren ist kein Selbstzweck, aber Nicht-Regieren ist auch keine zukunftsfähige Lösung", monierte Welcker.
[…..] Dass die Unternehmer mit dem Wirtschaftsminister zunehmend unzufrieden sind, zeigt auch ein Papier des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), über das das "Handelsblatt" berichtet. Darin heißt es unter der Überschrift "Enttäuschung über ausbleibende Mittelstandsstrategie", Altmaier habe sich zu Beginn seiner Amtszeit im März als "Minister für den Mittelstand" bezeichnet, in der Praxis sei er aber über die Ankündigung nicht hinausgekommen. [….]
(ntv, 16.10.2018)

Frei nach Volker Pispers, stellt sich die Frage „wieso ist Altmaier überhaupt Wirtschaftsminister geworden – Lothar Matthäus hätte doch auch Zeit gehabt!“

[….] Reden ist nicht Altmaiers Problem, aber das Handeln.
Das zeigt sich vor allem in der Energiepolitik. Die Energiewende bleibt eine Baustelle, der geplante Kohleausstieg spaltet das Land. Seit März ist Altmaier schon im Amt, bis heute hat er keinen Energie-Staatssekretär gefunden, bei dem die Fäden zusammenlaufen. Das war bei seinem Vor-Vorgänger Sigmar Gabriel (SPD) anders, der mit dem umstrittenen wie kundigen Vordenker Rainer Baake einen Akzent gesetzt hatte. […..] „Lange hat die Bundespolitik Leitlinien und ein Zielbild für die Energiewirtschaft vorgegeben. Davon ist im Moment nichts zu sehen“, kritisiert RWE-Chef Rolf Martin Schmitz. „Es ist auch nicht hilfreich, wenn es keinen Energie-Staatssekretär gibt.“ Ihn ärgert überdies, dass Altmaier weder im Streit um die Rodung des Hambacher Forstes noch bei der Kohlekommission Flagge für die Industrie gezeigt habe. [….]

Das Erstaunliche an Altmaier ist, daß er trotz seiner langen Erfahrung, seiner extrem engen Beziehung zu Merkel und den vielen Ministerposten, die er schon vorher innehatte, immer noch nicht fertig bringt sein Amt zu nutzen, um etwas zu bewirken. Ja, er arbeitet natürlich viel, aber gänzlich ohne Resultate.
Genauso gut könnte er seit einem Jahr im Winterschlaf gelegen haben. Der Effekt wäre der gleiche.

[….] Es sind keine guten Tage für den CDU-Mann Peter Altmaier. Der Wirtschaftsminister ist gnadenlos zu sich selbst, er hetzt von Termin zu Termin und mutet sich mehr zu, als gut wäre. Doch in der eigenen Partei murren sie über ihn, immer lauter. […..] Auf die Frage, wie er Altmaiers Arbeit bewerte, sagt ein führender Wirtschaftslobbyist: "So wie alle." Er meint das nicht nett. Der Minister mache zu wenig zu langsam, in Zeiten von Brexit, Handelskrieg und aggressiven Chinesen. Die Koalition kümmere sich viel ums Soziale, aber nicht um die Wirtschaft. Einem, der so nach Zuspruch giert wie Altmaier, der so für die Politik lebt wie er, muss das mehr wehtun als die schlimmste Entzündung.
Seit einem knappen Jahr ist Altmaier Bundeswirtschaftsminister, der erste CDU-Mann dort seit Ludwig Erhard. Es könnte die Krönung einer steilen Karriere sein: Er galt als junger Wilder in der Union, war Parlamentarischer Geschäftsführer, Staatssekretär im Innenministerium, Umweltminister, Kanzleramtschef, kommissarischer Finanzminister. Keiner im Kabinett hat so viele Ministerposten bekleidet wie der Jurist von der Saar. Aber wo ist die fröhliche Unbefangenheit, mit der er 2012 als Umweltminister angetreten war, das forsche Voranstürmen mit hochgekrempelten Ärmeln? Es fehlt jede Spur davon. […..]

Immerhin ist der Mann in der CDU und das merkt man dann doch noch.
Nämlich an seinem hysterischen Aufschrei, wenn der SPD-Finanzminister Scholz auch nur daran denkt die Superreichen, die immer schneller durch Nichtstun superreicher werden, auch etwas höher zu besteuern.
Da ist Altmaier plötzlich vorhanden. Und mit ganzer Seele dagegen.

[….] Bundeswirtschaftsminister Altmaier hat den Vorstoß von Finanzminister Scholz für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes zurückgewiesen.
Der CDU-Politiker sagte der „Bild“-Zeitung, jede Debatte über Erhöhungen sei Gift für die Konjunktur. Ohnehin sei die Steuerquote in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Altmaier verwies zudem auf den Koalitionsvertrag, der Erhöhungen ausschließe. Nötig seien stattdessen Steuerentlastungen für schwache und starke Schultern gleichermaßen, meinte er. [….]

Ja, sicher, die Quandts, die Albrechts, die Schefflers, die Ottos, die Porsches, die Reimanns brauchen dringend Steuerentlastungen.

Wir sind doch keine Komikernation!

Erinnert sich noch jemand an den Airbus-Tanker-Skandal?
Vor gut zehn Jahren benötigten die USA für ihre gewaltige Airforce eine ganze Flotte neuer Tankflugzeige, um die tausenden Kampfjets und Bomber in der Luft betanken zu können. Etwa 180 neue Tankjets im Wert von 35 bis 40 Milliarden Dollar mussten beschafft werden, also kungelte der US-Kongress den Deal in einem der berüchtigten Hinterzimmer mit Boeing aus.
„Momentchen mal“ rief dann aber John McCain dazwischen. Müsste es bei solchen Summen nicht so etwas wie eine Ausschreibung, Kostentransparenz und auch andere Anbieter geben?
Eine hohe Pentagon-Beamtin, die die Steuermilliarden schon verschoben hatte wanderte in den Knast und dann geschah das Ungeheuerliche: Das US-Militär stimmte einer Ausschreibung zu; auch andere Flugzeughersteller konnten sich bewerben.
Faire Wettbewerbsbedingungen ohne Bestechung und Vitamin B?
Das war etwas radikal Neues, bedeutete freilich nicht, daß nichtamerikanische Flugzeugbauer eine Chance gehabt hätte.
Das wußte auch Airbus-Hersteller EADS und kooperierte mit dem US-Rüstungshersteller Northrop Grumman, um unter amerikanischer Flagge die Tanker anbieten zu können.
Boeing, immer noch davon geschockt formal einen Ausschreibungsprozess mitmachen zu müssen, erlitt kurz darauf einen noch größeren Schock. Das Airbus-Tankflugzeug war so viel besser und auch noch günstiger als der Boeing-Lufttanker, das selbst die erzpatriotischen US-Militärs lieber das europäische Flugzeug wollten.

Ausländische Flugzeuge für die Airforce, nur weil sie besser und billiger als Amerikanische sind? Das ließen die Milliardenschweren Boeing-Lobbyisten nicht auf sich sitzen und klagten.
Dann müsse eben so lange neu ausgeschrieben werden, bis die Leute aus Seattle zum Zuge kämen.

[…..] Der Airbus-Konzern EADS Chart zeigen ist beim Jahrhundertgeschäft mit der US-Luftwaffe für 179 Tankflugzeuge im Wert von 35 Milliarden Dollar aus dem Rennen. Der US-Partner Northrop Grumman (NGC) zog das gemeinsame Angebot am Montag zurück. Er begründete die Entscheidung mit unfairen Wettbewerbsbedingungen. Die Ausschreibung sei voll auf den Konkurrenten Boeing zugeschnitten worden. Airbus-Chef Thomas Enders warf der US-Regierung "Voreingenommenheit" vor.
Schon vor drei Monaten hatte NGC gedroht, das Handtuch zu werfen, weil mit gezinkten Karten gespielt werde. So hatte Boeing Einsicht in das Airbus-Preisangebot erhalten und konnte sein Angebot darauf abstimmen. NGC/EADS hatte den Tankerauftrag 2008 bereits gewonnen, auf Protest von Boeing aber wieder aberkannt bekommen. Der Rechnungshof des Kongresses erklärte das Vergabeverfahren für fehlerhaft und empfahl dem Pentagon die Neuausschreibung. [……]

Neun Jahre später ist noch kein neuer Boeing-Tanker an das US-Militär geliefert worden.
Man ist drei Jahre über dem Zeitplan. Aber die Dinger wollen einfach nicht funktionieren.
Die Generäle und Admiräle sind so genervt, daß Airbus erneut auf den US-Markt grätscht. Wieder bietet der europäische Gemeinschaftskonzern zusammen mit einem US-Hersteller; diesmal Lockheed; einen besseren Tanker an.

[….] Airbus bietet den US-Militärs sein Modell A330 MRTT an, das rund ein Dutzend Länder bereits als Tankflugzeug bestellt haben. Airbus argumentiert, dass dieses Modell bei einer fairen Ausschreibung außerhalb der USA gegen Boeing bislang immer gewonnen habe. Zu den Kunden gehört vor allem Großbritannien, aber auch Saudi-Arabien, Frankreich, Singapur oder Südkorea. Deutschland hat das kleinere Betankungsmodell A310. Das A330 MRTT-Modell kann bis zu 111 Tonnen Kerosin tanken und die Hälfte davon als Tankstelle in der Luft abgeben sowie bis zu 45 Tonnen Fracht oder 300 Passagiere transportieren.
Boeing entwickelt und erprobt hingegen derzeit sein neues Tankflugzeug KC-46, das auf der Basis des Zivilflugzeugs 767-2C beruht und die alten Tanker KC-135 der US-Streitkräfte ersetzen soll. Diese Tankflugzeuge sind 50 bis 60 Jahre alt. Es wurden über 800 Exemplare gebaut, davon sind aber nur noch rund die Hälfte im Einsatz. […..]

Die Chancen für den A330 MRTT stehen immer noch schlecht.
Lieber werden die Amis ein radikal überteuertes Schrottflugzeug ordern als en Europäisches.

Bevor man sich über die radikal verblödeten Amerikaner echauffiert sollte man kurz innehalten und an die grandiose Amtszeit des Verteidigungsministers Scharping von 1998 bis 2002 denken.
 Die Panavia 200 Tornado waren nun ein Viertel Jahrhundert alt, fielen immer öfter vom Himmel und es war ob der zunehmenden internationalen Rolle der Bundeswehr wahrscheinlicher denn je, daß man funktionierende Kampfjets benötigen wird.

Da tauchte ein verrückter Gedanke auf: Die Beziehungen zu Russland waren so gut wie nie, Putin rückte so nah an westeuropäische Werte und die EU heran wie nie, hatte aber mit enormen ökonomischen Problemen zu kämpfen.
Und Russland verfügte über eine Wunderwaffe, die Mig 29, Mikojan-Gurewitsch 29, die vermutlich genialste Kampfjet-Konstruktion aller Zeiten. Ein absolut zuverlässiger Flieger, der den ollen Tornados haushoch überlegen war.

[….] Von diesem wendigen und in dieser Hinsicht vielen westlichen Kampfflugzeugen überlegenen Flugzeug – so kann die MiG-29 kurzzeitig auf ihrem eigenen Schubstrahl stehen (so genanntes Kobramanöver) – wurde eine große Anzahl von Varianten gebaut und erprobt. Die Tragflächenkonstruktion mit breiter Flügelwurzel bringt einen großen Teil des Auftriebs durch den Rumpfansatz, was die Langsamflugeigenschaften verbessert. Typisch für die MiG-29 sind die großen Klappen, die die Luftansaugschächte der Triebwerke am Boden abdecken, um ein Eindringen von Fremdkörpern zu vermeiden. Beim Start saugen die Triebwerke Luft über Lamellenschächte auf der Rumpfoberseite an. Am Heck befinden sich die Luftbremse sowie ein Bremsschirm.
Die Maschine besitzt einen 16-Bit-Bordcomputer, einen Frontscheibenprojektor (HUD) zuzüglich eines Monitors, eine bordeigene Fehlererkennung (Aekran) und zwei Sensorsysteme. Mit dem Radar können Luftziele (Reichweite 70 km) erfasst werden und mit dem Infrarotzielsystem/Laserentfernungsmesser (Reichweite 7 km, Laserklasse 3 in Deutschland) die Infrarotziele. Bemerkenswert ist auch eine Helmvisieranlage, die es dem Piloten erlaubt, per Kopfbewegung ein Ziel anzuvisieren. Die Zielsuchköpfe der Raketen erhalten dann automatisch die Zielparameter. Dieses Gerät sollte sie gegenüber der sehr wendigen F-16 im Luftnahkampf überlegen machen. [….]

Und Russland war bereit nagelneue Migs an die Bundeswehr zu liefern.
Die hätte es für einen Spotpreis gegeben.  Neun Millionen D-Mark Stückpreis waren im Gespräch. Das hätte nur Vorteile gehabt. Eine radikale Kostenersparnis, das technische Knowhow war bereits vorhanden, da die NVA mit Migs trainiert hatte, die Maschine war technisch ausgereift und hätte in Rekordzeit geliefert werden können, so daß die Bundeswehr sehr schnell international führend gewesen wäre. Noch wichtiger wäre aber die politische Bedeutung gewesen. Eine Europäische-Russische Militärzusammenarbeit hätte womöglich für immer die gegenseitigen Vorbehalte beseitigt und zu einem versöhnlichen Miteinander der ehemaligen NATO und der ehemaligen Warschauer Pakt-Staaten geführt.
Außerdem hätte es ein sehr starkes Signal an die übernommenen Soldaten der Nationalen Volksarmee bedeutet und das Zusammenwachsen von Ost- und Westdeutschen gefördert, wenn in so einer wichtigen Angelegenheit einmal zu Gunsten eines „Ost-Produkts“ der Westen zurück gesteckt hätte.
 Die Anschaffung von Migs für die Bundeswehr wäre eine Win-win-wi-win-win-win-win-Angelegenheit gewesen, ein so genialer Schachzug, daß Scharping nur eins tun konnte: Er entschied sich dagegen, setzte lieber auf die Entwicklung eines europäisches Ersatzes.
Eurofighter sollte das neue Gemeinschaftsprodukt heißen.
Die Dinger kosten etwa 100 Millionen Euro pro Stück – dafür bekäme man 22 Mig29 – sind aber leistungsschwächer und dafür extra unzuverlässig.
Die Bundeswehr schaffte 140 Eurofighter Typhoon an, die aber so unfassbar teuer im Unterhalt und technisch so anfällig sind, daß gegenwärtig genau vier Stück einsatzfähig sind.

[….] Die Bundeswehr hat nach einem Bericht massive Probleme mit der Einsatzbereitschaft ihrer Kampfjets vom Typ „Eurofighter“. Wegen technischer Schwierigkeiten beim Selbstschutzsystem seien nur rund zehn Flugzeuge von 182 für echte Einsätze startklar. Weil die Luftwaffe nur über einen sehr kleinen Vorrat an Luftkampfraketen für den „Eurofighter“ verfüge, könnten derzeit sogar nur vier Eurofighter für reale Missionen eingesetzt werden, berichtet die Zeitschrift „Spiegel“ unter Berufung auf interne Berechnungen der Luftwaffe. Außerdem sei die Bewaffnung nicht schnell nach kaufbar. [….]

Man kann nur staunen zu welchem Irrsinn Nationalstolz führt.

Immerhin sind die Amerikaner in der Lage vom Patiotismus zu profitieren.
Zwischen 4 bis 7 Milliarden US-Dollar wird die Trump-Regierung für zwei neue Präsidentenmaschinen von Boeing ausgeben.
Die alte Air Force One ist in die Jahre gekommen und so ein Auftrag ist ein Vorteil für beide.
Die Regierung beeindruckt international und kann sich auf die technischen Finessen ihrer fliegenden Regierungszentralen verlassen, während Boeing einen ungeheuren Werbecoup landet und weiterhin die amerikanische Regierung als Aushängeschild und Werbefigur gewinnt.

Deutschland ist auch dafür zu doof und knausert bei den Regierungsmaschinen. Sie verwendet nur uralte zweitklassige Airbusse aus lauter Angst vor einem Shitstorm ihrer neidischen und missgünstigen Wutbürger.
Ein Arrangement der Verlierer.
Die deutsche Bundesregierung verkommt zur internationalen Lachnummer, weil ihre schrottreifen Billigflieger ständig ausfallen und Minister, Kanzler und Präsidenten irgendwo in der Welt gestrandet zurücklassen.
Den Schaden hat aber auch Airbus, weil der Konzern immer wieder weltweit der Lächerlichkeit preisgegeben wird.

[…..] Auch Steinmeier konnte nicht starten
Olaf Scholz, Angela Merkel, Gerd Müller - und jetzt auch Bundespräsident Steinmeier in Äthiopien: Die Pannenreihe bei der Flugbereitschaft geht weiter. Druckluftprobleme verzögerten den Abflug.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte das Abschlussstatement für seine Äthiopienreise gegeben und wollte zum Flughafen fahren. Stattdessen saß er auf der Terrasse des Hotels und scherzte mit seinen Mitarbeitern - die Laune in Addis Abeba war also noch gut. Bis dahin war die Verspätung aber auch mit nur zweieinhalb Stunden angegeben.
Am Ende verzögerte sich Steinmeiers Abflug um dreieinhalb Stunden. Grund waren Druckluftprobleme. Nachdem die Mannschaft die Maschine der Flugbereitschaft repariert hatte, flog der A340 "Theodor Heuss" die 55-köpfige Delegation und den Bundespräsidenten nach Berlin zurück. [….]

Es reicht. Verdammt noch mal Merkel, kauf Dir und Deinen Jungs und Mädels endlich ein paar richtig gute moderne Regierungsjets, die auch funktionieren.
Die dürfen auch gern teuer sein.

[….] Nach einer erneuten Flugzeugpanne sitzt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier derzeit in Äthiopien fest. Doch dabei will es das deutsche Staatsoberhaupt nicht belassen: Wie er heute mitteilte, will er mithilfe von Schleppern schon bald wieder in Deutschland sein.
"Wenn wir darauf warten wollen, dass die deutsche Flugbereitschaft den Regierungsflieger wieder fit macht, sitzen wir hier, bis wir alt sind", erklärte Steinmeier der deutschen Delegation im Flughafen von Addis Abeba nach Bekanntwerden der Panne. "Also ich habe… Moment… ungefähr 6000 Euro in bar. Wenn wir zusammenlegen, schaffen wir es locker bis nach Libyen und von dort aus mit dem Schlauchboot nach Italien. Was meint ihr?"
Er habe sich die berüchtigte Flüchtlingsroute sowieso schon immer mal persönlich anschauen wollen, so der Bundespräsident. [….]

Dienstag, 29. Januar 2019

Neoliberale Staatsverachtung.

Diejenigen, die immer so selbstverständlich wissen, daß man heutzutage keine klassischen Periodika wie „SPIEGEL“ oder „Süddeutsche Zeitung“ mehr benötigt, sind diejenigen, die keine solchen Abonnements haben, die Artikel nicht lesen und dennoch genau beurteilen wollen, was in den Recherchen steht, die sie gar nicht kennen.

Es gibt aber Themen, die man sogar ausschließlich offline erreicht, wie beispielsweise die Berichterstattung über den Pell-Prozess in Australien.
Andererseits sind da die Megaskandale wie die Panama-Papers, über die man selbstverständlich auch online lesen kann, aber deren Details exklusiv in epischer Breite in der Süddeutschen abgedruckt werden.

SPIEGEL-Verachter mögen grundsätzlich über politische Beratertätigkeiten informiert sein, aber sie können das perfide generalstabsmäßige Vorgehen der großen internationalen Beraterfirmen nicht so gut beurteilen wie die Leser der aktuellen Titelgeschichte „Die fünfte Gewalt.“

Ich rate jedem, sich das aktuelle Heft, SPIEGEL Nr.5, 26.01.2019 zuzulegen, um genau zu studieren, wie und wo mit welchen Absichten Staat und Regierung beraten werden. Hinter den beschrieben skandalösen Zuständen verbirgt sich aber das toxisch-staatsverachtende FDP-Denken, welches seit den frühen 1980er Jahren die Handlungsfähigkeit unseres Landes unterminiert.
Die Möllemanns und Westerwelles und Lindners und Wirtschaftslobbyisten haben unseren Staat inzwischen weitgehend zersetzt, indem der Bevölkerung und Presse flächendeckend eingeimpft wurde der Staat müsse sich zurückziehen. Er wäre „aufgebläht“. Deregulierungs- und Entbürokratisierungsbeauftragte wurden bestimmt, der „verschlankte Staat gefordert“, Ministerien zu grotesken Superministerien fusioniert, systematisch Beamte entlassen. Ex-MP Edmund Stoiber sollte in Brüssel als Leiter einer EU-Arbeitsgruppe zum Bürokratieabbau Strukturen straffen und Personal in Rente schicken.
Nachdem im Bundesinnenministerium die McKinsey-Berater eingefallen waren, wurde so viele Stellen gestrichen, daß es nur noch rudimentäre Arbeitsfähigkeit gab. Schon in der schwarzgelben Koalitionszeit (2009 bis 2013) bat das BamF die Minister Thomas de Maizière und Hans-Peter Friedrich dringend um Stellenaufstockung. De Maizière lehnte das bis in den Sommer 2015 kategorisch ab und bekam dann was er bekommen musste. Chaos und völlig überforderte Behörden.

[….] Das Bamf wird von ei­ner rei­nen Asyl­be­hör­de zum zen­tra­len Na­del­öhr für Aus­län­der­fra­gen in Deutsch­land. Es ist der Ort, an dem sich die Flücht­lings­kri­se zu­erst be­merk­bar macht. Ab 2013 be­gin­nen die Zah­len bei der Re­gis­trie­rung von Asyl­be­wer­bern zu ex­plo­die­ren. Das Amt müss­te nun schnell re­agie­ren, es müss­te Per­so­nal ein­stel­len, die IT an­pas­sen, neue Ar­beits­ab­läu­fe schaf­fen. Es pas­siert: fast nichts. 2015 steht das Bamf vor dem Kol­laps, durch den an­schwel­len­den An­drang der Flücht­lin­ge und die Un­tä­tig­keit der Po­li­tik.

»Es gab in den ope­ra­ti­ven Kern­pro­zes­sen des Bamf kei­ne funk­ti­ons­fä­hi­gen Ab­läu­fe«, so heißt es in ei­ner Ver­schluss­sa­che der Bun­des­re­gie­rung aus dem Jahr 2017, die auf 45 Sei­ten die Zu­stän­de im Bamf rück­bli­ckend als »de­so­lat« ana­ly­siert. Die Füh­rungs­kräf­te wer­den als »hilf­los« und »über­for­dert« be­schrie­ben. [….]
(SPIEGEL 5/19)


Brüderle, Rösler und Westerwelle haben es geschafft dem Volk einzureden, es wäre vorteilhaft möglichst wenige Minister und wenige Ministeriale zu haben, es wäre wünschenswert Ortsämter und Justizbehörden personell auszuquetschen.
FDP und INSM-Lobbyisten sind wie eine Autoimmunkrankheit Deutschlands.
Nun sind (noch) die Kassen voll, aber es fehlen 50.000 Lehrer, in den Grundschulen bröckelt der Putz, Universitäten platzen aus den Nähten, Jugendstraftäter warten Jahrelang auf ihren Prozess, weil es viel zu wenig Richter und Staatsanwälte gibt, viele hundert Milliarden Euro Steuern werden hinterzogen, weil keine Steuerfahnder da sind, 500 mit Haftbefehl gesuchte Rechtsextreme laufen frei rum, weil die Zivilfahnder dafür keine Zeit haben, die Straßen sind voller Schlaglöcher und die Brücken verfallen.

[….] Im Be­reich des Bun­des wur­den al­lein in den ver­gan­ge­nen zehn Jah­ren mehr als 50 000 Stel­len ab­ge­baut. Der Deut­sche Be­am­ten­bund be­klagt eine Per­so­nal­lü­cke von 200 000 Men­schen im öf­fent­li­chen Dienst. […..]
(DER SPIEGEL, 5/19)

Und wenn irgendein Problem auf die Regierung zukommt, wie dieses neumodische Hacken und Phishen -  Seehofers Jungs sind im Jahr 2019 offenbar völlig überrascht, daß es sowas gibt – schreit man gleich nach IT-Beratern. Internet ist Neuland für die Bundesregierung; es gibt schlicht kein Fachwissen dafür im Innenministerium.
Den Staat totzuschrumpfen ist eine Idee, die auch von anderen geistigen Größen gefeiert wird.

[….] [Da­ten­wis­sen­schaft­ler Dhanur­jay Pa­til] er­zähl­te mir, wie die Re­gie­rungs­be­am­ten nach Trumps Sieg die Überg­a­be der Amts­ge­schäf­te an ihre Nach­fol­ger vor­be­rei­te­ten. In den Be­hör­den wur­den auf­wen­di­ge Brie­fings prä­pa­riert, Mee­tings ter­mi­niert. Und dann kam nie­mand. Die Oba­ma-Leu­te sa­ßen meist al­lein da, kei­ne Trump-Ge­sand­ten weit und breit, nicht nach Ta­gen, nicht nach Wo­chen. An den In­sti­tu­tio­nen die­ses Staa­tes, dem sie nun plötz­lich vor­stand, hat­te und hat die­se Re­gie­rung schlicht kein In­ter­es­se. [….]  Es war schon im­mer ein Pro­blem, dass Po­li­ti­ker Wahl­kampf ma­chen mit dem Ruf nach ei­nem schlan­ke­ren Staat. Sie stel­len sich als Kämp­fer ge­gen den Ver­wal­tungs­dschun­gel dar, schon Rea­gan hat das ge­macht, die Bushs ge­nau­so. Al­ler­dings war es bei frü­he­ren Prä­si­den­ten so, dass sie, kaum wa­ren sie im Wei­ßen Haus, be­grif­fen ha­ben, wie wich­tig ihre Mi­nis­te­ri­en sind. Bei Trump ist es an­ders. Er glaubt tat­säch­lich, dass der Staat nutz­los ist, er hat kei­ne Ah­nung, was sei­ne Be­hör­den tun, und er will es auch nicht wis­sen. [….]
(Bestsellerautor Michael Lewis im SPIEGEL Nr 5/2019)

Es läge mir fern Angela Merkel mit Trump zu vergleichen. Das hat niemand verdient.
Aber auch sie versteht nicht wozu eine Ministerialbürokratie da sein kann.
Üblicherweise wird ihre „Schlanker Staat“-Obsession auf schlechte Erfahrungen in der DDR zurückgeführt. Ich halte das aber für eine arg simple Deutung und glaube einfach es entspricht ihrem phlegmatischen Naturell sich nicht allzu sehr den Kopf über die Zukunft zu zerbrechen.

 (…..)  Das strategische Denken ist im Kanzleramt längst abgeschafft.
Das beklagen interessanterweise in erster Linie konservative Medien.

Es folgte der Herausgeber der stramm konservativen F.A.Z. Frank Schirrmacher.

Bürgerliche Werte: „Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat“
Im bürgerlichen Lager werden die Zweifel immer größer, ob man richtig gelegen hat, ein ganzes Leben lang. Gerade zeigt sich in Echtzeit, dass die Annahmen der größten Gegner zuzutreffen scheinen.

Das zutiefst bürgerliche Manager-Magazin empört sich in der aktuellen Ausgabe über die totale Denkfaulheit und intellektuelle Unterbesetzung des Merkel’schen Kanzleramtes.

Wie die Merkel-Regierung Politik simuliert
Strategische Fragen werden geräuschlos verwaltet - bestenfalls. Der Euro? Eine Großbaustelle ohne Bauplan. Die Energiewende? Ein Projekt mit desaströsem Vollzugsdefizit. Die drohende Vergreisung der Gesellschaft? Die alles umwälzende Digitalisierung der Wirtschaft? Themen für "Gipfel" genannte Konferenzen, mit denen die Merkel-Regierung Politik zu simulieren pflegt - schöne Bilder, keine Folgen.
[….]   Im Kern plagen das Kanzleramt zwei Defizite: ein personelles und ein strukturelles. Zum einen mangelt es an straffer Leitung; dem Amt fehlt Führung an der Spitze, auch wichtige Abteilungen waren schon stärker besetzt.
Zum anderen ist die Organisation der Regierung überholt: Nach wie vor dominiert das Ressortprinzip. Gemäß Grundgesetz ist die Regierungsgewalt geteilt zwischen den Ministerien. Das Kanzleramt soll kontrollieren und koordinieren. Doch in einer Zeit, in der viele Probleme Ressortgrenzen sprengen, steigt zwangsläufig die Bedeutung der Zentrale.
So erscheint das Merkel-Amt als real existierendes Paradoxon: An der Spitze steht eine Kanzlerin mit Richtlinienkompetenz, die aber, wenn irgend möglich, keine Richtlinien vorgibt. Ihr assistiert ein Kanzleramtschef, der Konflikte ausräumen und Entscheidungen beschleunigen soll, stattdessen aber Streit schürt und Beschlüsse ausbremst.
[…]    Der eigentliche Hebel einer Kanzlerschaft besteht in der Deutungshoheit. Wirkmächtig agieren kann der Regierungschef, wenn er Strategien formuliert - indem er Volk und Welt eine Idee davon vermittelt, wohin man gemeinsam will, und diese Idee dann konkretisiert. Verfassungsrechtler nennen das Richtlinienkompetenz.
Im Zentrum der Macht herrscht inhaltliche Leere
Ideen? Konzepte? Strategien? All das ist Merkels Sache nicht. Im Zentrum der Macht herrscht eine bedrückende inhaltliche Leere.
Das beklagen auch Topentscheider des Regierungsapparats selbst, die die Stiftung Neue Verantwortung kürzlich befragen ließ. Um in einem immer unsichereren Umfeld managen zu können und den Ereignissen seltener hinterherzurennen - "vor die Lage" zu kommen, wie Ministeriale das nennen -, wünschen sich die meisten Befragten mehr strategisches Denken und mehr Koordination.

Der bürgerlich-Intellektuelle CICERO beklagt währenddessen den Jubeljournalismus, der unkritische Merkelbelobigungen abliefert.

Wird es problematisch, leugnet Merkel die Realität und gibt „Es geht uns gut“-Parolen aus. (….)

Nicht nur die strategischen Abteilungen im Bundeskanzleramt müssten umgehend wieder aufgebaut werden.
Alle Regierungsbehörden sollten gewaltige Mengen gut bezahlter kluger Mitarbeiter einstellen.

[….] Na­tür­lich, sagt [Frank Jürgen] Wei­se, sei der deut­sche Staat prin­zi­pi­ell von gro­ßer Leis­tungs­fä­hig­keit mit her­vor­ra­gen­den Fach­kräf­ten, »aber der Druck zur Ver­bes­se­rung ent­steht nur noch durch Kri­se«. Ein gro­ßer Un­ter­schied zur Pri­vat­wirt­schaft, wo Un­ter­neh­men ge­gen­steu­ern, wenn kein Geld mehr ver­dient wird oder Kun­den sich be­schwe­ren. Dem Staat feh­le also »die Mo­ti­va­ti­on zur In­no­va­ti­on«, sagt Wei­se. Nach neu­en Ide­en wer­de nur ge­sucht, wenn et­was rich­tig schief­ge­he. Was aber, wenn im­mer schnel­le­rer Fort­schritt, eine sich viel schnel­ler wan­deln­de Welt, ei­gent­lich stän­di­ge An­pas­sung und In­no­va­ti­on er­for­dert? [….]
(Spiegel Nr. 5/2019)

Wie konnte der Begriff „Ministeriale“ nur so negativ konnotiert werden? Und wieso ließen Medien und Regierte diese Deutung von Radikal-Neoliberalen zu?
Das „Ministerielle Seele“ wurde kaputt gespart. Die Besten gehen heute in die Privatwirtschaft, wo man besser bezahlt und nach Leistung (statt nach Dienstjahren) befördert wird. Die Verwaltung funktioniert nicht mehr.
Deutschland ist nun leider unfähig Großprojekte zu planen, vorrausschauende Außenpolitik zu machen oder auch nur Baustellen bei einer Straßensanierung zu koordinieren, daß nicht immer alle im Stau stehen.

(….)  Wäre Merkel zu strategischem Denken fähig, hätte Deutschland nicht in der letzten Dekade die außenpolitischen Beziehungen so eingefroren, daß gemeinsames Handeln kaum noch möglich ist, könnte man natürlich angesichts sich anbahnender menschlicher Superkatastrophen vorausschauend handeln, Verhungernde und Kriegsflüchtlinge rechtszeitig versorgen, bevor sie notgedrungen gen EU pilgern und im Mittelmeer ertrinken.
Schließlich fallen die Krisen nicht vom Himmel sondern bahnen sich lange an.
Aber Merkels Strategie des prinzipiellen Phlegmas, die scheinbar vom Wähler so geliebt wird, hilft da leider gar nicht.

[….] "Die meisten Ereignisse sind Vorwegnahmen anderer Ereignisse, oder Teile dieser Ereignisse." Ein Beispiel für diese Sorte Ereignis, das andere Ereignisse vorwegnimmt, ist die Entscheidung des "World Food Programme" (WFP) der Vereinten Nationen im Jahr 2015, die monatlichen Zuschüsse zu den Lebensmittelkarten für syrische Flüchtlinge zu kürzen. Konnte eine Flüchtlingsfamilie im Sommer 2014 noch Nahrungsmittel und Hygieneartikel im Wert von rund 25 Dollar pro Mitglied mit ihrer Karte beziehen, war es ein Jahr später nur noch die Hälfte. Dieses Ereignis war wiederum nur die Folge eines anderen Ereignisses, nämlich der mangelnden Spendenbereitschaft internationaler Geber, die trotz eindringlicher Bitten des WFP das nötige Geld nicht aufbrachten und so das Budget immer weiter sinken ließen - bis eben die Unterstützung für syrische Flüchtlinge gekürzt werden musste. Erst um ein Drittel, dann noch einmal bis auf erbärmliche zwölf Dollar im Monat.
Die Ereignisse danach sind bekannt: Statt zu verhungern, wagten syrische Familien zu Hunderttausenden den Aufbruch nach Europa. Anschließend waren sich alle einig, dass es günstiger gewesen wäre, dieser verzweifelten Fluchtbewegung zuvorzukommen. Alle waren sich auch einig, dass dieses Ereignis hätte antizipiert und vermieden werden können, wenn die Hinweise des WFP auf die drohende Katastrophe ernst genommen worden wäre. Bundeskanzlerin Angela Merkel gestand bemerkenswert zerknirscht ein: "Hier haben wir alle miteinander - und ich schließe mich da mit ein - nicht gesehen, dass die internationalen Programme nicht ausreichend finanziert waren." [….]

Brüssel und Berlin werden aber nicht nur von Paralyse und Apathie geplagt, sondern sind zudem auch noch lernunfähig.

Dabei müßte Merkel nicht etwa erst Sherpas aus ihrem eigenen Kanzleramt losschicken, um zu erfahren, wo in der Welt das nächste Ungemach droht. (….)

Montag, 28. Januar 2019

Wenn Rassismus bereut wird.

May, der Urinduscher oder Trump liefern so zuverlässig „you cannot make that shit up“-Stories, daß man „der“ Politik schon alles zutraut.
Das ist ungerecht, weil damit viele fähige und fleißige Parlamentarier mit in die Gaga-Schublade sortiert werden.

Tatsächlich gibt es diese „kann man sich nicht ausdenken“-Geschichten auch in allen anderen Bereichen des Lebens.
Sogar im echten Leben.

Da ist zum Beispiel der Juniorpartner in meiner Radiologen-Praxis. Ich kenne die Typen schon lange, musste im letzten Jahr wegen meines Beines aber öfter dort erscheinen.
Immer wenn ich den Arzt dort spreche, nennen wir ihn Dr. Schmidt, hatte ich das Gefühl er käme gerade aus China; ständig auf dem Sprung nach Hongkong.
Wieso das eigentlich?
Nun, er ist mit einer Chinesin verheiratet, deren Eltern noch in Hongkong leben. Sie haben zwei noch nicht schulpflichtige Kinder, so daß sie nicht auf Ferienzeiten angewiesen sind und das ausnutzen, um öfter mal rüber zu fliegen.
Wenn man langfristig plant sind auch diese extremen Landstreckenflüge durchaus bezahlbar.
So weit, so mittelmäßig spektakulär.
Als ich die Schmidts mal privat traf, erfuhr ich, daß er aus einer alteingesessenen Hamburger Ärzte-Dynastie stammt. Sein Vater betreibt eine riesige und lukrative Radiologische Praxis, die natürlich sein Sohn mal übernehmen sollte. Schon während seines Studiums half er dort. Aber dann verliebte er sich in die Frau aus Hongkong. Dem konservativen Papa gefiel das gar nicht. Gut. Sich amüsieren wäre verzeihlich, aber so eine könne man nicht heiraten. Aber dann wurde seine chinesische Freundin schwanger und der Großvater in Spe verlangte ultimativ eine Abtreibung und/oder die Trennung seines Stammhalters von ihr.
„Ich werde niemals Schlitzaugen-Enkel akzeptieren!“
Der Sohn reagierte so wie man in der Situation reagieren muss: Er zeigte seinem Vater einen Vogel und blieb mit seiner schwangeren Freundin zusammen. Kurze Zeit später heirateten sie.
Seine Eltern tobten, verstießen und enterbten den abtrünnigen Sohn, der diese Wechselbälger produzierte.
Das fiel insofern nicht ganz so schwer, weil Dr. Schmidt Jr. noch einen zehn Jahre jüngeren Bruder hatte. Damals gerade 16, aber ausgezeichneter Schüler, der zum Wohlgefallen des Vaters in der JU engagiert war und plante ebenfalls Medizin zu studieren.
Sollte sich also der Erstgeborene mit seiner Chinesenfamilie zum Teufel schweren und in einer anderen Praxis als Angestellter arbeiten.
 Schmidt Sr. Setzte alles auf seinen Benjamin, der würde dereinst die Praxis seines Vaters übernehmen.
Eine Zeit lang lief es gut. Die Deutsch-chinesische Familie gedieh, der Kontakt zum Rest der Familie war endgültig beendet.
Einige Jahre später, der zweite Sohn steckte mitten im Medizinstudium, meldete sich Opa aber doch wieder; er hätte sich das überlegt. Er wäre unter Umständen doch bereit seine Praxis an den ersten Sohn zu übergeben.
Woher der Sinneswandel?
Ganz einfach, Großvater hatte auf’s falsche Pferd gesetzt, sein Jüngster outete sich nämlich als schwul. Das war noch schlimmer. Dann schon lieber der Sohn mit der Chinesenfrau und den „Schlitzaugenkindern“.

Das Ende vom Lied ist, daß die Brüder wieder versöhnt sind, der Ältere aber seinem Vater einen Korb gab, weil er in seiner neuen Praxis glücklich ist und die große renommierte elterliche Praxis gar keinen Nachfolger aus der Familie haben wird.

Das nenne ich „dumm gelaufen“ für den Alten. Nun ist er beide Söhne los.

Ich war insofern erstaunt, weil ich mir gar nicht bewußt darüber war, daß es immer noch so große Vorbehalte gegen Asiaten gibt.
In meiner engeren Ami-Verwandtschaft gibt es gemischtrassige Ehepaare, daher kenne ich diese subtile Form von Rassismus gegenüber Schwarzen:
 „Wir haben ja gar nichts gegen deine (schwarze) Freundin, aber denk‘ an deine Kinder! Die werden es so schwer haben, wenn sie weder schwarz noch weiß sind und nicht wissen wo sie hingehören.“
Es ging aber nie so weit ernsthaft die Hochzeit zu torpedieren und als der erste Sohn geboren wurde, liebten ihn natürlich alle.

In China selbst gibt es übrigens auch umgekehrt einen ausgeprägten Rassismus. Die besten Menschen sind Asiaten, dann kommen weiße Europäer, dann ganz lange nichts und irgendwo ganz unten, kurz vor den Affen Schwarze.

China ist ethnisch sehr homogen und kam lange gar nicht mit Afrikanern in Kontakt. Seit dem dies geschieht, entstehen Probleme.
Durch Chinas Engagement in Afrika entstanden viele Handelsbeziehungen. In der drittgrößten chinesischen Stadt Guangzhou leben Zehntausende Schwarze.

[…..] "Manche kommen mit zwei leeren Koffern, kaufen hier Kleidung ein und fliegen nach wenigen Tagen zurück", sagt Benoît, ein junger Mann aus Benin, der seit zwei Jahren in Xiaobei als Koch arbeitet. Sie verkaufen die Textilien dann in Afrika und bereiten sich auf die nächste Einkaufsreise vor. Andere – wie Benoît – bleiben länger. Sein Touristenvisum kann er im rund 100 Kilometer entfernten Hong Kong innerhalb weniger Tage neu ausstellen lassen.
Sie alle allerdings leiden unter den in China weitverbreiteten Vorurteilen gegenüber Schwarzen. "Es herrschen klare soziale Hierarchien, die auf rassischer Überlegenheit basieren", schreibt der Soziologe M. Dujon Johnson. Der in Köln lebende Wissenschaftler ist der erste Afro-Amerikaner, der an einer taiwanesischen Universität seinen Doktor gemacht hat.
Barry Sautman, Soziologieprofessor an der Hong Kong University of Science and Technology, forscht seit Jahren zum Thema des chinesischen Rassismus. "Rassismus hat eine lange Tradition in China, und rassische Typologien sind tief in traditionellem chinesischem Denken verwurzelt", sagt er. Die wichtigste Ursache dafür sieht er in dem ethnischen Einheitsgedanken, der für die chinesische Gesellschaft prägend sei. [….]

Ein ähnliches Phänomen gibt es im ebenfalls ethnisch isolierten Japan.
Es war ein großer Schock, als ausgerechnet in der japanischsten aller Sportarten, im Jahrhunderte-alten Sumo Ausländer auftauchten.
Erst waren es vereinzelte Mongolen und Hawaiianer in den unteren Ligen. Dann tauchte Akebono Tarō (*1969 in den USA) auf, kämpfte sich 1992 bis in die höchste Liga, die Makuuchi-Abteilung hoch, gewann das Natsu-Basho von Tokio, wurde zum Ozeki befördert und musste nach zwei weiteren Turniergewinnen zum Entsetzen der konservativen Sumo-Fans zum 64. Yokozuna, also in den höchsten Rang befördert werden. Eine extreme Ehre, wie schon die Zahl zeigt – in dem bis ins 12. Jahrhundert zurückreichenden Sport gab es erst 64 Yokozuna-Würdige und 1993 den ersten Ausländer.
Immerhin gab es in den 1990ern noch japanische Yokuzuna, die Akebono gelegentlich schlagen konnten, aber dann wurden die mongolischen Rikishi immer stärker, die Top-Japaner wurden verdrängt und nach den Taka-Waka-Brüdern wurden gleich fünf Ausländer nacheinander Yokuzuna. Nr 67 Musashimaru aus Samoa, sowie mit Nr. 68 bis 71 gleich vier Mongolen in Folge: Asashōryū Akinori, Hakuhō Shō, Harumafuji Kōhei, Kakuryū Rikisaburō.
Davon erholte sich der traditionelle konservative Sumosport nicht mehr.
Sumo mit Ausländern? Das können bis heute viele Japaner nicht akzeptieren.
Dabei war der im Vergleich zu Akebono geradezu schmächtige Asashōryū einer der interessantesten Sumotori seit Jahrzehnten. Niemand verwendete so viele verschiedene Techniken und machte seine Auftritte spannender als er.

Nicht auszudenken was passiert, wenn es den ersten dunkelhäutigen Yokozuna geben sollte, denn immerhin haben Mongolen eine phänotypische Ähnlichkeit mit Japanern.
Schwarze sind da eine ganz andere Nummer.

Das erfuhr auch die auf Hokkaidō lebende Tamaki Ōsaka als sie sich vor gut 20 Jahren in einen Schwarzen verliebte. Einen richtig Dunkelschwarzen aus Haiti namens Leonard „San“ François.
Als Tamaki Ōsaka auch noch schwanger wurde und am 16. Oktober 1997 in Osaka ihre Tochter Ōsaka Naomi gebar, reagierte der frischgebackene Großvater wie Radiologe Schmidt auf der anderen Seite der Erde. Er verstieß und enterbte seine Tochter wegen ihrer „Rassenschande“ und zwang das junge Paar letztlich dazu Japan zu verlassen und sich mit ihrer gemischtrassigen Tochter in den USA niederzulassen.
Die kleine Naomi wuchs als Amerikanerin mit japanischem Pass auf, spricht kaum japanisch und begann Tennis zu spielen.
Professionell Tennis zu spielen.
Sehr professionell. Inzwischen gewann sie die US-Open und am letzten Wochenende auch die Australien Open. Damit wurde sie zur äußerst wohlhabenden Nummer Eins der Tennisweltrangliste. Die erste Japanerin auf dem Thron.
Zu blöd, daß man das dunkelhäutige Landeskind einst verstoßen hatte.
Nun ließe sich so wunderbar mit ihr werben.
Wenn sie doch bloß nicht so dunkle Haut hätte. Aber daran kann man ja was ändern, dachte sich ein bekannter japanischer Nudelhersteller.

 [….] Japan jubelt. Nach ihrem Sieg bei den Australian Open am Samstag wird erstmals eine Japanerin Nummer eins der Tennis-Weltrangliste: Naomi Osaka. Vor einem Jahr noch auf Rang 72, wurde sie schon im Herbst zum Liebling ihrer Landsleute, als sie die US Open gewann.
[….] Das waren große Gefühle, die viele Japaner im Fernsehen verfolgten. Doch auch diesmal gab es Misstöne. Osakas Sponsor Nissin, ein Fertignudel-Konzern, musste während des Turniers einen Youtube-Werbespot zurückziehen. Der Zeichentrick-Film, Teil einer "Hungrig nach Siegen" genannten Serie von Nissin, zeigte die dunkelhäutige Osaka mit weißer Haut und großen graublauen Augen.
Das Land sehnt sich nach sportlicher Größe, auch im Hinblick auf Olympia 2020 in Tokio. Die weit verbreiteten Vorurteile gegen das vermeintlich Unjapanische stehen dem entgegen. Wenn schon jemand Ausländer ist oder "Hafu", halb, dann hat seine Haut wenigstens weiß zu sein. [….] [….] Die Sportlerin selbst, die gebrochen Japanisch spricht, hat sich indirekt positioniert. Ihr Coach Sascha Bajin ist Deutscher, ihr Fitness-Coach Abdul Sillah Amerikaner mit libyschen Wurzeln. Zu ihrer Herkunft sagte sie einmal, sie sei nicht Japanerin, nicht Amerikanerin, sondern: Naomi. [….]

Sonntag, 27. Januar 2019

Nur Gutes

Heute ist Happy-Sonntag.
Was für ein Spaß es doch ist, die vernichtenden Kommentare zu Trumps Totalversagen zu lesen.


Der WDR, der dem volksverhetzerischen Pipi-Blogger eine Stunde Werbezeit einräumte, blamierte sich wie Trump bis auf die Knochen, bekommt nun von seriösen Medien wie dem Deutschlandfunk und anderen ordentlich auf’s Maul.

Das Paket, das ich Anfang November nach New York geschickt hatte und das ich schon längst verloren wähnte, stand heute Morgen nach Kirche unbeschädigt vor der Tür meiner Tante.

Die FDP schießt sich selbst ins Aus, indem sie demonstrativ die große Orban-Freundin Beer zur EU-Spitzenkandidatin kürt.

Und auch der große Kirchenfreund Edgar S. Hasse vom Hamburger Abendblatt zaubert mir aus meiner Heimatstadt ein Lächeln auf die Lippen:

 [….]  Der evangelische Kirchenkreis Hamburg-Ost bereitet den Verkauf der denkmalgeschützten Bugenhagenkirche in Barmbek vor.[….]  Völlig offen ist dagegen noch die Zukunft der Dreifaltigkeitskirche in Harburg, ein Kirchenbau aus den 1960er-Jahren. Seit zwölf Jahren wird er nicht mehr genutzt. Auch für die Meiendorfer Thomaskirche ist das Gebäudemanagement auf der Suche nach einer tragfähigen Lösung. Die Kirchengemeinde Meiendorf-Oldenfelde hatte entschieden, diesen Standort aufzugeben. [….]  In den vergangenen zehn Jahren haben sich die beiden Hamburger Kirchenkreise (Ost sowie West/Südholstein) von acht kirchlichen Gebäuden getrennt. Weitere Kirchen wurden zwar nicht entwidmet, haben aber eine neue Bestimmung gekommen – wie die Osterkirche in Ottensen, die zur Schulgottesdienst-Kirche wurde. Und seit 2018 ist die frühere Kapernaum-Kirche offiziell die Al-Nour-Moschee. [….]  Abgerissen wurde die Marienkapelle (Kirchengemeinde Eidelstedt). An ihrer Stelle entstand eine evangelische Kita mit mehr als 100 Plätzen. [….]  Am ehemaligen Standort der Johanneskirche in Eidelstedt wurde ebenfalls eine Kita gebaut [….]  Neben der Osterkirche in Eilbek hat sich der evangelische Kirchenkreis Hamburg-Ost in den vergangenen zehn Jahren von vier weiteren Gotteshäusern getrennt. [….]  Vor einer Woche hatte Bischöfin Kirsten Fehrs die Paul-Gerhardt-Kirche in Wilhelmsburg entwidmet. Voraussichtlich werde das Gebäude abgerissen, um auf dem Areal fairen Mietwohnungsbau zu realisieren, hieß es. [….] 

Auch der fromme katholische Kollege Drobinski von der SZ ist betrübt:

[….] Was hält Menschen in der katholischen Kirche? [….]  Die Bindung bröckelt. 41 Prozent haben schon einmal über einen Kirchenaustritt nachgedacht, wenn auch die Hälfte davon angibt, höchstwahrscheinlich zu bleiben. Doch sieben Prozent sind fest zum Austritt entschlossen, 13 Prozent unentschieden. Angesichts dieser Zahlen sind die tatsächlichen Austrittszahlen immer noch überraschend niedrig.
[….]   Nur 16 Prozent gelten als gläubig kirchennah; jeder fünfte versteht sich als kirchenunabhängiger Christ, ebenso viele als nichtchristlich oder individuell religiös, als unsicher oder gar unreligiös. Und jeden vierten Katholiken sehen die Forscher als der Kirche entfremdet an - mancher von ihnen war bislang schlicht zu bequem, um zum Standesamt zu gehen und seinen Austritt zu erklären.
Die Studie lässt auch das demografische Problem ahnen, das auf die katholische Kirche zukommt. Die bekennenden Christen, die Gemeindeverwurzelten und die Traditionellen sind im Schnitt deutlich älter als die religiösen Freigeister und jene, die an ihrer Kirche vor allem das soziale Angebot und die Dienstleistung schätzen; je jünger und gebildeter die Befragten sind, desto ferner stehen sie meist der Institution.
[….] 

Immer weiter so!

Samstag, 26. Januar 2019

Build no wall – Trump will fall.

Das gestrige Shutdown-Ende überraschte mich.

[…..] For about 30 seconds Friday afternoon, Donald Trump did the decent thing. After triumphantly announcing his unconditional surrender — and the U.S. government’s imminent reopening — the president thanked America’s federal workers for their patriotism, and expressed regret for their suffering.
But the moment these words escaped his mouth, Trump clarified that his message was not directed to actually existing federal workers, but rather, to an imaginary class of civil servants who live inside his mind. “Not only did you not complain,” the president informed his fictional construct, “but in many cases, you encouraged me to keep going because you care so much about our country and about its border security.”
In reality, the primary reason that Trump had ceased “going” was that federal workers had discouraged him from doing so.
For five weeks, congressional Republicans had withheld paychecks from hundreds of thousands of civil servants, prevented cancer patients from accessing much-needed medical care, jeopardized food stamp recipients’ access to basic nutrition, undermined public health, devastated Native American communities, and sabotaged America’s (supposedly sacred) border security — because doing so was slightly more convenient for Mitch McConnell than the alternative.
But on Friday, that changed — because the men and women who control America’s air traffic and attend to its airline passengers made it change. [….]

Ich dachte zwar, daß Trump irgendwann nachgeben muss, aber es erstaunt mich wie ungeheuer schlecht er dabei aussieht. Trump, der Verlierer, der einknicken musste, ohne irgendetwas zu erreichen und der jetzt der Häme und Hetze seiner braunen Basis ausgeliefert ist.
Anne Coulter mit ihren 2,1 Millionen Twitter-Followern senkt nicht nur die Daumen, sondern demütigt Trump.
Viele Politiker können es sich leisten nicht auf Coulter zu hören, weil sie so extrem rechts steht. Aber Trumps Erfolg basiert genau auf der extremistischen Gaga-Kaste, für die das blonde Fallbeil spricht.


Januar 2019

[…..] Coulter was previously insistent that Trump not reopen the government without border wall funding, and when in December it seemed like Trump might agree to essentially the same proposal he backed today, Coulter said that if Trump can't get the wall built, he will have "scammed the American people" and will lose re-election in 2020.
Plenty of others in the conservative media agreed with Coulter and saw Trump's move as a massive cave, with Erick Erickson writing for The Resurgent, "President Trump looks weaker now than at any time in his presidency." Conservative websites like Drudge Report and Breitbart also ran red banners that read, "NO WALL" and "NO WALL FUNDS." Many Breitbart readers themselves were not happy, either. [….]





Die Demokraten, die gestern in den Newssendern auftauchen, konnten gar nicht mehr aufhören zu grinsen.
Senatorin Amy Klobuchar jubilierte in erster Linie für die 800.000 nun wieder bezahlten Regierungsangestellten, ließ sich aber nicht nehmen darauf hinzuweisen, daß der Kompromiss, den Trump gestern annahm wortgleich der ist, den ihm der Kongress schon zwei Tage vor dem Shutdown angeboten hatte.


Oh, das wird Trump hassen. Bei den Rechten als Weichei ausgelacht und dazu noch triumphierende Demokraten.

[….]  His poll numbers were plummeting. His FBI director was decrying the dysfunction. The nation’s air travel was in chaos. Federal workers were lining up at food banks. Economic growth was at risk of flatlining, and even some Republican senators were in open revolt.
So on Friday, the 35th day of a government shutdown that he said he was proud to instigate, President Trump finally folded. After vowing for weeks that he would keep the government closed unless he secured billions in funding for his promised border wall, Trump agreed to reopen it.
Trump’s capitulation to Democrats marked a humiliating low point in a polarizing presidency and sparked an immediate backlash among some conservative allies, who cast him as a wimp.
Elected as a self-proclaimed master dealmaker and business wizard who would bend Washington to his will and stand firm on his campaign promises — chief among them the wall — Trump risks being exposed as ineffective. [….]

Der selbst ernannte best negotiator weltweit blamiert. Als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet; erledigt von Nancy Pelosi.


Nicht nur erwiesen sich Trumps „and Mexico will pay for it“-Versprechen als haltloser Unsinn, sondern nun auch noch seine Beschwörungen, er werde nicht nachgeben, bevor er von den Demokraten seine 5,7 Milliarden Wall-Dollar bekäme.

Warum Trump einknickte ist indes klar:

1.) Die Front der GOPer im Senat bröckelte bereits. Mitch McConnell hatte ihn angerufen und jämmerlich eingestanden, ihm wären bereits sechs Republikaner stiften gegangen.
2.) Desaströse Entwicklung seiner Ratings
3.) Drohende Rezession, die seinen Nimbus als Wirtschaftsfachmann und damit seine Wiederwahlchancen ruinieren würde.
4.) Murrende GOP-Wähler, die mehr als die Demokraten fliegen und wegen ihrer dickeren Geldbeutel dringender auf funktionierende Finanzämter angewiesen sind.
5.) Keinerlei Aussicht, daß die Demokratischen House-Abgeordneten ihrer Chefin in den Rücken fallen würden. Im Gegenteil, mit ihrer Absage der State Of The Union-Rede wurde sie nur noch populärer.
6.) The wall ist zwar bei der rechtsextremen Basis beliebt, aber interessiert die GOPer im Kongress bei Weitem nicht so sehr wie die radikale Steuerreform, die für ihre Spender wesentlich ist. Diese gewaltigen Taxcuts für Milliardäre sind aber schon beschlossen.

Die Demokraten gewannen mit leidenschaftlichen Aktionen sogar immer mehr Gewicht.


In welche Schwierigkeiten sich Trump selbst reinreitet, nachdem er vor Frau Coulter gekuscht war und anschließend auch noch so blöd war vor laufenden Kameras heraus zu posaunen wie stolz er auf den Shutdown wäre, konnte jeder politische Beobachter wissen.
Nach zwei Jahren republikanischer Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses, will Trump auf einmal unbedingt seinen Willen durchsetzen zwei Tage bevor die House-Mehrheit auf demokratisch kippt.
Eine für Finanzen zuständige Kammer aus lauter jungen neuen Abgeordneten, die ausdrücklich aus Wut auf Trump gewählt wurden, sollten nun als erstes ihrer Basis in den Rücken fallen und Kotau vor #45 machen?
Absurd.

Trump erlebte gestern den schwärzesten Tag seiner Präsidentschaft, nicht nur sein blamables Wall-caving, sondern Herr Mueller ließ auch noch seinen Russland-Kumpel Roger Stone verhaften.

Wäre Trump nicht vollkommen geistesgestört, würde er nun einräumen einen großen Fehler gemacht haben und einen Funken Größe zeigen, indem er das öffentlich zugäbe.

Tatsächlich ist er aber nun einmal ein Psychopath, der sich selbst grundsätzlich für fabelhaft und unfehlbar hält.
Daher präsentiert er schon wieder eine erkleckliche Anzahl von Sündenböcken, die Schuld am Schlamassel sind.

1.) Jared Kushner, seine Hauptemissär, der schlecht verhandelt hätte.
2.) Sein Interims-Stabschef, der ihn schlecht beraten hätte.
3.) Paul Ryan, der sich feige zum Angeln verdrückt hätte
4.) Die Demokraten die so gemein waren sich nicht spalten zu lassen, sondern zusammenhielten.

Nur Trump selbst ist natürlich völlig unschuldig am dem Desaster

[….] Trump repeatedly predicted to advisers that House Speaker Nancy Pelosi (D-Calif.) would cave and surmised that she had a problem with the more liberal members of her caucus. But she held firm, and her members stayed united.
“Why are they always so loyal?” Trump asked in one staff meeting, complaining that Democrats so often stick together while Republicans sometimes break apart, according to attendees.
[….] Trump and his advisers misunderstood the will of Democrats to oppose wall funding. Jared Kushner, the president’s son-in-law, emerged as the most powerful White House adviser during the shutdown and told colleagues that Trump’s plan for $5.7 billion in wall funding would get Democratic votes in the Senate on Thursday, astonishing Capitol Hill leaders and other White House aides.
[….] Trump, who fretted about the shutdown’s impact on the economy and his personal popularity, cast about for blame and pointed fingers at his staff — including Kushner — for failing to resolve the impasse, according to aides.
At a meeting Wednesday with conservative groups, the president accused former House speaker Paul D. Ryan (R-Wis.) of having “screwed him” by not securing border wall money when Republicans had the majority, according to one attendee, Mark Krikorian, executive director of the Center for Immigration Studies. He said Ryan should have gotten him money before he left but he had no juice and had “gone fishing,” according to two attendees. [….]
On Thursday night, the president grew annoyed at Mick Mulvaney when the acting White House chief of staff talked with him about policy prescriptions for the next three weeks and what an eventual deal might look like, according to one person familiar with the conversation.
[….]

Einem normalen Präsidenten würde das eine Lehre sein, er würde das heiße Eisen nicht mehr anfassen.
Aber wir wissen wie frustriert Trump am Wochenende beim Bingewatching Junk Food frisst und dann absolut springhaft in Jähzorn verfällt.
Gut möglich, daß er morgen oder in einer Woche das Shutdown-Ende von heute vergessen hat und eine noch viel größere Sau durchs Dorf treibt.

Die Demokraten haben eine Schlacht gewonnen, aber die weidwunden Coulter-Breitbart-Typen speien Gift und Galle. Daher wird Trump weiter Krieg gegen sein Volk, seine Nation und die Welt führen.

Freitag, 25. Januar 2019

Wer oder was ist eigentlich Elite?

Das sitzt schon tief drin, jahrzehntelange Indoktrinierung wirken: Unternehmer sind kreativ und schaffen Arbeitsplätze, der Staat reguliert und kann mit seinen planwirtschaftlichen Methoden keine Unternehmen führen.
Diese Klischees sind so beständig wie das ewige Mantra „Linke können nicht mit Geld umgehen“ und „Rechte stehen für solide Staatsfinanzen“.
Lobby wirkt.
Denn offensichtlich ist es genau umgekehrt. Überall auf der Welt scheitern die Steuersenkungsexzesse rechter Regierungen, Deregulierungen führen zu Weltfinanzkrisen wie Lehmann 2008 und es sind immer die Linken Regierungschefs, die von Rechten Regierungen hinterlassene Schuldenberge und marode Zustände aufräumen müssen. Ob in Berlin, Hamburg oder Washington.

Konservative können nicht mit Geld umgehen, muss es richtig heißen.

Der staatliche Einfluss auf Unternehmen rettet diesen vielfach das Leben.
Was war das für ein Geschrei der Autoindustrie als sie 1984 von der Regierung gezwungen wurde Katalysatoren einzubauen. Damit drohe Arbeitsplatzverlust und Pleite.
Tatsächlich rettete der Zwang aber ihre Wettbewerbsfähigkeit, weil die Kats in den USA Pflicht wurden.
Frau Merkel ist leider nur eine devote Erfüllungsgehilfin der Autobosse, würde nie wagen ihnen Vorgaben zu machen.
Das Ergebnis ist bekannt: Alle relevanten Entwicklungen wurden verschlafen. Deutsche Autobauer können nur groß und stinkig. Weder haben sie das Dreiliterauto bauen können, noch spielen sie bei Elektro- oder Hybridantrieben eine Rolle. Man setzte eben auf den bekannten Diesel, bloß nichts Neues entwickeln und statt auf technische Innovationen zu setzen, fälschte und betrog man eben.

Mit staatlichen Vorgaben kann man viel erreichen, das zeigen Chinas technische Fortschritte in Siebenmeilenstiefeln genauso wie die bahnbrechenden Erfolge russischer Flugzeugbauer, die nur deswegen wieder international beeindrucken, weil Putin eines Tages per oder di mufti die Entwicklung neuer Flugzeugtypen verlangte. Der Wirtschaft – damit sind die Manager-gesteuerten auf Sharholder Value und kurzfristigen Gewinnausschüttungen fixierten Großkonzerne gemeint – gelingt nicht so viel. Deutsche Smartphones? Deutsche Computer? Toll Collect? Magnetschwebebahn? Pünktliche Züge?

(….) Deutsche müssen aber auch nicht alles können. Wozu auch; das wäre ja absurd in der globalisierten Welt, wenn man nicht auf das Knowhow und die Fähigkeiten derer, die es viel besser können, zugriffe.
Es gibt zum Beispiel keinen deutschen Energiekonzern, der in der Lage wäre Off-Shore-Windräder aufzustellen. RWE hat mal vor Jahren testweise zwei Errichterschiffe in Pusan bauen lassen, weigerte sich aber Rat von erfahrenen Ingenieuren anzunehmen und beauftragte einen Reeder mit dem Betrieb, der bisher nur Containerschiffe charterte.
Dilettantismus und Provinzialismus potenzierten sich so wunderbar, daß beide Schiffe nach zwei Jahren Hals über Kopf an eine chinesische Reederei verkauft wurden. Nun macht RWE eben wieder in Braunkohle, rodet den Hambacher Forst. Die modernen Technologien wurden aufgegeben. Hocheffektive Windräder auf hoher See errichten nun Briten und Dänen. Was soll’s? In Deutschland kann auch niemand ein Mobiltelefon herstellen oder ein Groß-Bauprojekt planen. Also lieber gleich das nächste mal in China anrufen, wenn Elbphilharmonie, BER oder Stuttgart21 geplant werden. (……)

Erstaunlich ist aber wie trotz dieser offensichtlichen Misserfolge immer noch völlig abgehobene Multimillionäre wie Friedrich Merz, die als Lobbyisten eifrig das Geld an das reichste Einprozent umverteilen, hartnäckig als „wirtschaftskompetent“ gelten.
Als ob Reichtum ein direkter Indikator für Intelligenz und Kompetenz wäre.

Dabei werden die meisten Menschen dadurch reich, daß ihre Eltern schon reich waren.
Konzentrierte Mengen dieser weit von der Realität entrückten Profi-Erben sitzen in der US-Regierung. Russ, Trump, de Vos – sie alle glänzen mit Inkompetenz und zeigen täglich, daß sie rein gar nichts von Ökonomie verstehen – auch wenn sie zufällig selbst sehr reich sind.


[…..] "Listen, it's not fair to you and we all get that," Lara Trump, the wife of the president's son Eric Trump, said in an interview with the digital news network Bold TV. "But this is so much bigger than any one person. It is a little bit of pain but it's going to be for the future of our country. And their children and their grandchildren and generations after them will thank them for their sacrifice right now." […..] After receiving backlash on Twitter for the comments, with multiple users comparing her to Marie Antoinette, Lara Trump tweeted a statement.
"#FakeNews is rampant these days," she tweeted. [….]


Marie-Antoinette von Österreich-Lothringen (*1755 in Wien; †1793 in Paris), die berühmte als Königin von Frankreich und Navarra Geköpfte tut mir langsam Leid ob der Vergleiche, die sie posthum erdulden muss.
Sie war das fünfzehnte Kind und letzte Tochter von Maria Theresia von Österreich, musste schon als Dreijährige ein Korsett tragen und wurde für die dynastischen Interessen ihrer machthungrigen Mutter gnadenlos an den Opa ihres Ehemannes verschachert. Mit 14 Jahren zwangsverheiratet, hatte es das ungebildete schwer gequälte Mädchen Kronprinzessin und ab ihrem 18. Lebensjahr Königin zu sein.

Ob sie den bösen Spruch, für den sie heute noch berühmt ist, wirklich gesagt hat, weiß niemand genau.

[….] Von ihr war die Anekdote im Umlauf, sie habe auf die Vorhaltung, die Armen könnten sich kein Brot kaufen, geantwortet: „Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie Brioche [Gebäck] essen.“ Dieser Ausspruch wurde allerdings bereits Jahre vor Marie-Antoinettes Thronbesteigung 1774 von Jean-Jacques Rousseau um 1766 zitiert. Im sechsten Buch seiner 1770 vollendeten und 1782 veröffentlichten Autobiografie Die Bekenntnisse findet sich die Stelle: « Je me rappelai le pis-aller d’une grande princesse à qui l’on disait que les paysans n’avaient pas de pain, et qui répondit: Qu’ils mangent de la brioche! » (deutsch: „Endlich erinnerte ich mich des Notbehelfs einer großen Prinzessin, der man sagte, die Bauern hätten kein Brot, und die antwortete: ‚Dann sollen sie Brioche essen!‘“) Es könnte sich um eine Wanderanekdote handeln, die auch schon der ersten Frau von Ludwig XIV. zugeschrieben wurde. [….]
(Wiki)

Das arme Mädel muss sich über 200 Jahre nach ihrem Tod immer noch mit Friedrich Merz und Lara Trump vergleichen lassen.


Besagter Fast-CDU-Chef hat übrigens all seine Versprechen über seinen Einsatz für die Partei längst wieder kassiert, ist lieber zu Blackrock zurückgegangen und weigert sich beim Wahlkampf zu helfen.

[….]  Was hatte Friedrich Merz im Wahlkampf um den CDU-Vorsitz nicht alles behauptet. Er trete aus persönlicher und staatspolitischer Verantwortung an, hatte Merz gesagt. Denn er sehe mit großer Besorgnis, dass es in Deutschland eine Abwanderung nach links, aber auch nach rechts gebe. […..] Es ist noch keine zwei Monate her, dass Merz all das gesagt hat. Aber seine persönliche Verantwortung scheint ihm inzwischen nicht mehr so wichtig zu sein. Am Wochenende kündigte er an, in diesem Jahr in keinem Wahlkampf auftreten zu wollen[…..]  Wenn Merz die Eindämmung der AfD wirklich so wichtig wäre, wie er behauptet hat, würde er seiner Partei jetzt helfen. Doch seine Jobs bei Blackrock & Co. sind ihm offensichtlich wichtiger. [….]

Hartnäckig gilt der Erfüllungsgehilfe der Heuschrecken und Superreichen als der Mann für die CDU-Wirtschaftskompetenz.
Warum?

Ich behaupte, der von Rechten gehasste Bundesumweltminister Jürgen Trittin (1998-2005) hat mehr für die Wirtschaft getan als alles CDU-Wirtschaftsminister zusammen.
Trittin setzte auf Ökosteuerreform und erneuerbare Energien. Dadurch sind inzwischen über eine Million sehr zukunftsweisende und sichere Jobs in Bereich der regenerativen Energien entstanden.
Das ist eine große soziale Tat und sehr wichtig für die Zukunftsfähigkeit dieses Standorts.
Er erreichte das, indem er eben nicht nachplapperte was Wirtschaftslobbyisten von ihm wollten, sondern durch klare Ansagen gegen ihren Wunsch. Auch zu ihrem eigenen Besten.

Keiner würde aber den Grünen oder Sozialdemokraten Wirtschaftskompetenz zusprechen.
Ein ähnlicher Irrtum wie der Begriff „sozial Schwache“, der sich für Menschen mit geringen Einkommen eingebürgert hat.

[…..] Die sind nicht sozial schwach, sondern ökonomisch schwach. Nach meiner Erfahrung sind die ökonomisch Starken oft sozial schwach! [….]
(Hagen Rether)

Zeit auch den Begriff der Wirtschaftskompetenz neu zu lernen.

[….]  In Deutschland gilt als wirtschaftskompetent, wer der Wirtschaft möglichst viele Gefallen tut. Ein fataler Irrtum in Zeiten von Trump, Brexit und anderen Symptomen der Globalisierungskrise.
Die neue Chefin der CDU war diese Woche bei den Leuten vom Bundesverband der Deutschen Industrie, die sich gerade fragen, ob Annegret Kramp-Karrenbauer denn genauso wirtschaftskompetent ist wie Friedrich Merz. Das ist der, der nach kurzem Ausflug in die Politik doch die Vorzüge der Vermögensverwaltung für sich wiederentdeckt zu haben scheint. […..] Jetzt fragt man sich, was das eigentlich heißt, wenn jemand sagt, dass jemand was von Wirtschaft versteht. Und ob der oder die schon kompetent ist, wenn er oder sie was Nettes für die Wirtschaft macht. Und was das dann ist. Mal wieder nach - töröh! - der Abschaffung des Soli rufen?
Gut möglich, dass wir in den dramatischen Zeiten von Trump, Brexit und Gelbwesten im Gegenteil eine ganz neue Definition von Wirtschaftskompetenz brauchen. Bei der es noch weniger reicht, mal irgendwo im Aufsichtsrat zu sitzen und sonntags schöne ordnungspolitische Sätze aufzusagen. Noch scheint die Vorstellung bei uns tief verankert, wonach jeder, der irgendwo in Ostwestfalen einen mittelständischen Betrieb leitet, automatisch voll wirtschaftskompetent ist - und weiß, welche Wirtschaftspolitik für ein Land mit ein paar Millionen Unternehmen und zig Millionen Nichtmanagern in einer wackelig globalisierten Wirtschaft bei regelmäßigen Finanzkrisen richtig ist. Eine kuriose Vorstellung, die sich in den vergangenen Jahrzehnten auch dadurch verselbstständigt zu haben scheint, dass bei uns das Ökonomendogma der Angebotslehre gepredigt wurde, nach der immer alles gut ist, was für Unternehmen gut ist. Weil Unternehmen dann Job und Einkommen und Kekse schaffen.
[…..][…..] Ist es wirtschaftskompetent, wie Donald Trump atemberaubend teuer die Steuern für Reichere und Unternehmen zu senken - was vor einem Jahr in Davos auch deutsche Konzernchefs feierten -, wenn dafür die Staatsverschuldung massiv hochschnellt und die Unternehmen trotzdem nicht mehr Geld in Jobs und Zukunft investieren?
[…..]  Dann bedeutet Wirtschaftskompetenz nicht zwingend, den Unternehmen schnelle Gewinnmöglichkeiten zu schaffen - sondern dafür zu sorgen, dass die schönen Gewinne nicht irgendwann weg sind, weil das Volk aus Frust und Verzweiflung irgendwelche Spinner wählt. Oder es sonstwie kollateral kriselt. […..]