Dienstag, 30. Januar 2018

Und wieder leiden an der SPD…

Wenn es stimmt, was der SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe schreibt, ist Martin Schulz bereits fest entschlossen in einer Groko selbst als Minister und Vizekanzler mitzumischen.

Dafür gibt es gute Argumente:
Da Merkel in allen vorherigen Koalitionen ihre Juniorpartner verzwergte, muss dieser alles tun, um ihr stark gegenüber zu treten. Der SPD-Parteichef kann der CDU-Chefin aber nur auf Augenhöhe begegnen, wenn er ebenfalls ein wichtiges Regierungsamt innehat und direkt in alle Kabinettsentscheidungen eingebunden ist.

Dagegen gibt es aber auch gute Argumente:
Schulz selbst hatte im Wahlkampf mehrfach ausgeschlossen als Minister in ein Kabinett Merkel einzutreten. Nachdem er am bereits am Abend des 24.09.17 eine Groko ausschloss, wäre das bereits sein zweiter radikaler Wortbruch.
Ein noch größeres Problem wäre aber die generelle politische Unfähigkeit des Würseleners ohne jede Regierungserfahrung. Seine taktische Doofheit zeigt sich bereits in der Tatsache, daß er sich ohne Not beim Thema Groko und Ministerjob festlegte. Weiß er nicht wie sehr einem die Ausschließeritis am Ende schadet?
Außerdem braucht die SPD Minister, die souverän agieren, möglichst brillieren und damit auch mehr Wählerzuspruch generieren.
Schulz bewies aber im Wahlkampf, beim Sondieren und verhandeln, daß er genau das eben nicht kann.

Schulz taktiert sich in Grund und Boden; zielsicher manövriert er sich in NoWin-Situationen.
Journalisten beklagen, daß sich die SPD nur erkennbar für den Familiennachzug einsetze; eine ungeschickte Prioritätensetzung sei das, weil in dem Punkt die große Mehrheit der Bevölkerung auf der harten CSU-Seite stünde und nur vergleichsweise wenige, dazu noch nicht mal Wahlberechtigte betroffen wären.

[…] SPD-Spitze auf dem Holzweg [….] Ausgerechnet beim Familiennachzug für Flüchtlinge mit begrenztem Schutz legt sich die SPD mächtig ins Zeug. Dafür sind aber nur 23% der Deutschen, 58% lehnen den Nachzug ab. Was ist dagegen mit den 2,7 Millionen Menschen, denen der Mindestlohn vorenthalten wird? [….]
(Dierk Rohwedder, Leitartikel Mopo, 30.01.18)

Diese thematische Verquickung hätte Schulz nie zulassen dürfen. Es ist unredlich und amoralisch Flüchtlinge gegen Niedrigverdiener auszuspielen. Ja, mehr Menschen sind vom nicht bezahlten Mindestlohn betroffen, als Familiennachzügler.
Bei den einen geht es aber um ein paar Euro mehr Lohn im Monat und bei den anderen um Leben und Tod.

Ein fähiger SPD-Chef würde sich gegen solche Vorwürfe wehren; erklären weshalb unabhängig  voneinander beides erreicht werden muss.

Schulz kommuniziert aber wieder einmal ungenügend und gibt dann ein vages Statement heraus, welches der CSU-Interpretation diametral widerspricht.

"Hallo! Hier schreibt wieder Martin. Die SPD hat sich mit einer guten Einigung beim Familiennachzug durchgesetzt. Wir schaffen den Wiedereinstieg in den Familiennachzug für Bürgerkriegsflüchtlinge mit subsidärem Schutzstatus. Sie werden nicht dauerhaft von Ehepartnern oder Kindern getrennt, wie CDU und vor allem die CSU das gefordert haben. Wir haben jetzt eine Regelung 1000+. Denn die SPD hat über die im Sondierungsergebnis hinaus vereinbarten 1.000 Angehörigen pro Monat eine deutliche weitergehende Härtefallregelung-wie vom SPD Bundesparteitag gefordert-durchgesetzt.
(Martin Schulz, 30.01.18)

„Egal was die SPD jetzt sagt: Fakt ist, der Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige bleibt ausgesetzt und wird sogar komplett abgeschafft.
Wir wandeln ein Kontingent von 1000 Personen pro Monat, das bisher als Resettlement aus Italien und Griechenland vorgesehen war, in ein humanitäres Kontingent um.
Das heißt netto kein Mehr an Zuwanderung. Die Härtefallregelung gibt es bereits jetzt schon und betrifft nur ein paar Handvoll Personen.“

Mal abgesehen davon wie widerlich das von der CSU im falschen Deutsch verfasste xenophobe Statement am Jahrestag von Hitlers „Machtergreifung“ ist, muss man sich doch über die Unfähigkeit der Koalitionäre wundern.
Wäre es denn so unmöglich sich allgemein verständlich und klar auszudrücken?

[…..] Geht doch. Den Eindruck konnte man am Dienstag gewinnen, nachdem die Einigung von Union und SPD beim Thema Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz bekannt geworden war. Frühmorgens um sieben hatten sich Unionfraktionschef Volker Kauder (CDU), CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles mit einigen Innenpolitikern zusammengesetzt - fertig war der Kompromiss.
Ein gutes Signal für die sich dahin schleppenden Koalitionsverhandlungen, ein Zeichen dafür, dass CDU, CSU und SPD auch an den kniffligsten Punkten Lösungen finden können. Der Eindruck war allerdings im Laufe des Tages schon wieder dahin, als nämlich Vertreter von Union und Sozialdemokraten ganz unterschiedliche Interpretationen der Einigung verkündeten und sich teilweise fundamental widersprachen.
Ein Schritt vor, einer zurück. […..]

[….] SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles sprach von einem "sachlichen und vernünftigen Kompromiss". Sie freue sich, dass künftig pro Jahr mindestens 12.000 Angehörige von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus nach Deutschland kommen könnten, sagte Nahles. "Das ist ein Gebot der Mitmenschlichkeit. Dafür hat die SPD auch lange gerungen."
[….] Vertreter von CDU und CSU sehen das jedoch anders: "Mit der Neuregelung wird der Anspruch auf Familiennachzug für subsidiär Geschützte endgültig abgeschafft", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. [….] Unionsfraktionschef Volker Kauder wertete die Einigung als Verhandlungserfolg der Union. Damit finde eine Steuerung des Zuzugs für subsidiär Geschützte statt, die sich an der Integrationsfähigkeit unseres Landes bemesse, sagte der CDU-Politiker. "Damit hat sich das zwischen CDU und CSU formulierte Regelwerk zur Migration durchgesetzt."
[….] Juso-Chef Kevin Kühnert kritisierte die Absprache scharf: "Die SPD geht beim Familiennachzug in Vorleistung und bekommt von der Union dafür ungedeckte Schecks", sagte Kühnert dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es sei "vollkommen unklar, ob eine ergänzende Härtefallregelung, die mehr als 1000 Menschen pro Monat den Familiennachzug ermöglichen soll, wirklich kommt und wie diese Regelung aussehen würde". [….]

Mit so einer Eierei will Schulz für die Groko werben?
Und was soll man eigentlich von seiner Arbeit als Minister erwarten, wenn er sich schon bei den Koalitionsverhandlungen so übertölpeln lässt?

Während die CSU auf ihren sozialen Medienseiten mit tausenden Basis-Vertretern streitet, die wie kleine Bernd Höckes jeden einzelnen Nichtweißen und Nichtchristen aus dem Land werfen wollen…

CSU auf Facebook, 30.01.2018
…… wendet sich die katholisch engagierte CSU-Basis schaudernd von ihrer AfDophilen Parteiführung ab.

Wie die CSU mit ihrem Rechtskurs Stammwähler verprellt […..]


Mustergültig sieht man hier, wieso man für und gegen die Groko sein kann.
Mit dieser menschenfeindlichen CSU kann man moralisch betrachtet eigentlich gar nicht koalieren.
Wenn man es aber nicht tut, besetzten diese angebräunten Neokonservativen noch mehr Ministerämter und die Heimatvertriebenen werden umso brutaler im Orban-Stil angegangen.
Dann gäbe es gar keine Härtefallregelung mehr.
Dafür darf man aber als SPD-Mitglied erst recht nicht verantwortlich sein. Also lädt man mit einem Nein zur Groko schwere moralische Schuld auf sich.

Und was gilt nun tatsächlich laut des heute verhandelten Kompromisses?
Keiner weiß es.

[….] Wir haben es hier ja mit einer doppelten Nachzugsregelung zu tun. Zum einen soll es ein Kontingent für 1000 Personen pro Monat geben, die nach humanitären Gründen ausgewählt werden. Zum anderen gibt es eine zusätzliche Härtefallregelung. Völlig offen ist, nach welchen humanitären Gründen man die 1000 Plätze vergibt und wer nicht die Möglichkeit bekommt, nachzuziehen. Unklar ist auch, wie man auswählt, wer zuerst nach Deutschland kommt. [….]
(Daniel Thym, 30.01.18, Professor für Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht an der Universität Konstanz und Direktor des dortigen Forschungszentrums Ausländer- & Asylrecht)

[….] Tränen muss mancher unterdrücken, als eine kurze Filmsequenz an der Wand erscheint. Da erzählt eine Syrerin, dass sie es kaum mehr aushalte in Deutschland, dass sie zermürbt werde von der Sorge um ihren Mann und die Kinder, die noch immer in Syrien leben und nicht zu ihr dürfen. Eine verzweifelte Frau, für die es vermutlich keine Erlösung gibt, wenn die kommende große Koalition ihren Plan umsetzt und den Familiennachzug weiter untersagt. Irme Stetter-Karp zeigt diese Filmszene. Sie ist Vizepräsidentin des Deutschen Caritasverbands und argumentiert weniger mit Paragrafen und Statistiken: "Weil es um Menschen geht, nicht nur um Zahlen." Sie kritisiert den Nachzugsstopp als "humanitär und integrationspolitisch fatal", weil er den Menschen, die schon in Deutschland sind und ganz offiziell Schutz genießen, die Energie raube, hier Fuß zu fassen, die Sprache zu lernen, Arbeit zu finden. Drei, vier Jahre müssten viele auf ihre Angehörigen warten, manche befürchten, für immer getrennt zu sein.
Stetter-Karp erinnert daran, warum viele Minderjährige allein in Deutschland sind. Nicht immer, weil sie von den Eltern auf die Flucht vorgeschickt würden, sondern auch, weil das Geld für die Reise aller fehlt, weil ein Angehöriger zu krank ist für die Flucht, weil manche auf dem Weg nach Europa sich verlieren. [….] Der ausgesetzte Familiennachzug droht einen großen Keil zu treiben zwischen die Regierenden und die Fachleute und Helfer an der Basis, die die Folgen der Berliner Beschlüsse täglich erleben. Ähnlich negative Auswirkungen befürchten viele durch die "Anker"-Zentren, wie Union und SPD die geplanten Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen abkürzen. Ein paar Monate dort zu leben sei ja okay, heißt es. Was aber, wenn sich die Entscheidung bis zur Rechtskraft eines Asylbescheids hinzieht, Monat um Monat? Wenn die Flüchtlinge im "Anker" festsitzen, ein, zwei, drei Jahre, und am Ende dann doch bleiben dürfen, weil sie vor Gericht gewinnen oder eine Abschiebung unverantwortlich gefährlich wäre? "Dann bekommen sie psychisch kaputte Menschen", prophezeit Günter Burkhardt, Chef von Pro Asyl […..]

Ich befürchte, man kann als SPD-Mitglied nicht gegen eine Groko stimmen, in dem Wissen, daß diesen armen Menschen dann CSU-pur droht, daß de Maizière, Spahn, Dobrindt und Co dann gnadenlos Familien zerstören, die aus dem von deutschen Waffen zerschossenen Syrien fliehen mussten.
Eine interessante Frage wird es sein worüber wir SPD-Mitglieder genau abstimmen.
Wie man hört soll es anders als 2013 nicht nur um ein „Ja“ oder „Nein“ zur Groko gehen. Die Ressortverteilung soll auch bekannt gegeben werden.

Die für mich interessanteste Frage, nämlich die nach dem Personal, soll die Basis allerdings nicht mitentscheiden. Das möchte die SPD-Spitze gern unter sich ausmauscheln.
Dabei spielt es für mich eine entscheidende Rolle, ob ein potentiell AfD-affiner Gabriel, der auch mal völkisch blinkt und sein OK für Waffenexporte und VDS abgibt weiter Minister wird, ob Schulz ein Kernministerium bekommt, oder ob eher Flüchtlings-freundliche und Pegida-feindliche engagierte Sozialdemokraten wie Maas und Barley regieren.

[….] Die SPD-Taktik scheint verdruckst: Einerseits sollen die Mitglieder über wichtige Inhalte abstimmen, andererseits soll es erst hinterher um Namen gehen. [….] Mindestens zwei Fragen sind auch für die Basis wichtig: Geht Martin Schulz ins Kabinett? Und was wird aus dem derzeit nach Umfragen populärsten SPD-Politiker Sigmar Gabriel?
Es mag taktische Erwägungen geben, niemanden zu verprellen und so womöglich Stimmen im Mitgliederentscheid zu verlieren. Aber taktiert hat die SPD genug. Parteichef Martin Schulz sollte das ganze Bild präsentieren, alle Fakten, alle Namen. Und er sollte dazu stehen, was er für sich selbst plant. Spekulationen könnten sonst mehr Schaden anrichten als die Wahrheit. […..]

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